Erbarmungslos

Unforgiven

★★★★★

  • Jahr: 1992
  • Regie: Clint Eastwood
  • Darsteller: Clint Eastwood, Gene Hackman, Morgan Freeman, Jaimz Woolvett, Richard Harris...

Story

Kurzfassung:

Als zwei Cowboys einer Hure das Gesicht zerschneiden, setzen deren Kolleginnen ein Kopfgeld von 1.000 Dollar auf die beiden aus. Aus Geldnot und zusammen mit dem jungen Schofield Kid (Jaimz Woolvett) und dem Schwarzen Ned Logan (Morgan Freeman) macht sich der alt gewordene Revolverheld William Munny (Clint Eastwood) auf, die Knete zu kassieren. Im Ort Big Whiskey angekommen, muss er feststellen, dass der Sheriff, Little Bill Daggett (Gene Hackman), etwas gegen Scharfschützen und Selbstjustiz hat. Doch die drei lassen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen und erledigen die beiden Kuhhirten. Prompt wird auch Ned von Little Bill zu Tode gefoltert. Munny rächt seinen Tod und erschießt Bill und dessen Helfer. Danach reitet er zurück zu seinen Kindern.

Langfassung:

Weil ein Cowboy einer Hure in dem verschlafenen Nest Big Whiskey in Wyoming das Gesicht zerschneidet und der Sheriff des Ortes, Little Bill Daggett (Gene Hackman), aus der Sicht der restlichen Angestellten des Bordells keine adäquate Strafe ausspricht, indem er ihn und seinen Gefährten gehen und im Sommer mit insgesamt sieben Ponys als Entschädigung wieder zurückkehren lässt, setzen die Frauen ein Kopfgeld in Höhe von 1.000 Dollar auf die Ermordung der beiden Kuhhirten aus. Dieses will sich der kurzsichtige, aber selbsternannte Revolverheld Schofield Kid (Jaimz Woolvett) gerne verdienen und baut dafür auf die Hilfe des ehemaligen Säufers und Verbrechers William „Bill“ Munny (Clint Eastwood). Dieser bereut seine Sünden zwar mittlerweile und hat sich eigentlich mit einer kleinen Farm zur Ruhe gesetzt, doch er braucht das Geld als Startkapital für seine Kinder und willigt daher ein, allerdings nur unter der Bedingung, dass sein alter Weggefährte Ned Logan (Morgan Freeman) auch mitmischen darf.

Und so reiten die die drei nach Wyoming und erledigen die beiden Cowboys trotz vorheriger eingehender Warnung durch Little Bill, der von Selbstjustiz gar nichts hält. Umso unerfreuter ist der natürlich über die Nachricht des Todes der beiden und peitscht Ned, nachdem dieser ihm in die Fänge gegangen ist, aus, um Informationen über seine beiden Begleiter zu erfahren, obwohl dieser beim zweiten Mord gar nicht mehr dabei, sondern schon auf dem Weg nach Hause war. Nachdem er Ned lange genug gefoltert hat, sagt dieser ihm auch, was er weiß, stirbt daraufhin aber an seinen Verletzungen. Little Bill lässt ihn daher als abschreckendes Beispiel vor dem Saloon des örtlichen Kneipiers Skinny Dubois (Anthony James), dem auch der Puff gehört, ausstellen. Als Munny von dem Tod seines Freundes erfährt, trinkt er erstmals seit Jahren wieder Whiskey und schickt Schofield Kid mit der Belohnung zu seinen Kindern voraus. Er selbst sucht den Saloon auf, wo sich gerade die Meute, die Little Bill zusammengetrommelt hat, tummelt, um Jagd auf ihn und Dubois zu machen. Zuerst legt er Skinny um. Sodann will er auch Bill erschießen, sieht sich wegen eines Rohrkrepierers aber mit einem Male der ganzen Sheriff-Bande im Saloon gegenüber. Durch seine Erfahrung und Schießkünste sowie die Unsicherheit der Gegner gelingt es ihm jedoch, all diese zu Strecke zu bringen. Sodann macht er sich auf den Rückweg zu seinen Kindern und mahnt die Bewohner von Big Whiskey, in Zukunft vernünftiger mit ihren Huren umzugehen.

Worte zum Film

großartige Abgesangs-Story, geniale Darsteller, tolle Kameraführung und Drehorte, gute Musik; schafft das ziemlich einmalige Kunststück, die Mythen des Good Old West zu enttarnen, ohne das Genre zu verunglimpfen oder ins Lächerliche abzurutschen; eine hervorragende Verbeugung eines hervorragenden Künstlers

Bewertung

Zum Film:

Das ist er also. Clint Eastwoods hochgelobter, hochdekorierter und vielzitierter Schwanengesang auf den Western. Ich muss zugeben, dass ich, als ich den Film das erste Mal sah, ob all dieser Huldigungen und meiner damaligen Unkenntnis vom Genre doch etwas skeptisch war, ob mir dieser gefallen würde. Außerdem fürchtete ich um die Gewalt in diesem Film, schließlich war dieser erst ab 16 freigegeben. Als ich „Erbarmungslos“ das erste Mal geguckt habe, war ich nämlich 13 und fragte mich zu dieser Zeit, in der ich gerade begann, mich mit Filmen im Allgemeinen und Western im Besonderen zu befassen, ernsthaft noch, ob ich wohl schon Filme gucken dürfte, die eigentlich noch nicht für mich freigegeben sind. Meine Eltern hatten mir das immerhin verboten. Schließlich wussten sie um diesen ganzen „Torture-Porn-Blödsinn“, der sich damals gerade in den Kinderschuhen befand (an dieser Stelle sei angemerkt, dass ich grundsätzlich nichts gegen das Torture-Porn-Genre habe (wegen mir bräuchte es das zwar absolut nicht, aber gut; ich gucke mir sogar selber ab und an den einen oder anderen Film daraus an – man muss ja schließlich auch mitreden können), aber es ist Fakt, dass meine Eltern es scheiße finden und dass ich es mit 13 scheiße gefunden hätte). Natürlich aber hat sich meine Neugier durchgesetzt, schließlich wollte man ja auch damals schon mitreden können. Und so sah ich diesen Streifen das erste Mal heimlich, nachdem ich ihn mir selber im Spätprogramm von Kabel 1 unerlaubterweise aufgenommen hatte (ja, damals haben die so was noch ab und an gesendet, sogar um viertel nach Acht! (da konnte ich aber natürlich noch nicht aufnehmen, da meine Eltern da ja selber noch Fernsehen guckten, ganz blöde war ich ja schließlich auch nicht)) – mit einem etwas unguten Gefühl zu Beginn. Dieses verflüchtigte sich allerdings bereits in den Anfangsminuten und der Film zog mich völlig in seinen Bann. Und nach dem Genuss war mir klar, dass dieser Film nicht mehr gewalttätig war, als die Leones, die ich schon kannte (und vor allem, dass diese Gewalt hier wie da nicht zum Selbstzweck eingebaut wurde, sondern in diesem Fall sogar aus dem intellektuellen Ansatz heraus, aufzuzeigen, was Gewalt aus einem Menschen macht; verstehe vor diesem Hintergrund die FSK-Einstufung ab 16 weiterhin nicht und vor allem nicht, warum von der FBW „nur“ das Prädikat „wertvoll“ verliehen wurde) und dass er obendrein noch völlig zu recht, als einer der besten seines Genres gelten darf. Und das, obwohl ich die ganzen Anspielungen und Entmythisierungen seines Plots damals ja noch gar nicht verstand. Aber – und das ist das Entscheidende daran – „Unforgiven“ ist zunächst und vor allem anderen erstmal ein richtig guter Film! Darauf fußt nämlich (und logischerweise) sein ganzer Erfolg. Auch ohne seine Abgesangsstory und nur als „gewöhnlicher“ Rache- oder Kopfgeldjäger-Western würde er funktionieren, da bin ich mir sicher. Dann wäre er allerdings nur ein „guter“ Vertreter seines Genres. Was ihn mit zum Besten macht, was diese wunderbare Filmsparte jemals hervorgebracht hat, ist die Tatsache, dass er darüber hinaus ein Drehbuch besitzt, das es wie kein anderes (zumindest kein mir bekanntes) versteht, die ganze Mythologisierung des Western, insbesondere des US-Western natürlich, zu enttarnen und in ihr Gegenteil zu verkehren, ohne diesen dabei seiner Strahlkraft zu berauben oder ins Lächerliche abzugleiten.

Denn Letzteres ist genau das Problem, das viele der Filme haben, die diesen Versuch sonst unternehmen. Einige davon sicherlich gewollt (und dann nur für mich ein Problem, der ich damit nicht umgehen kann und will), viele aber sicherlich auch ungewollt. Bei diesen Pferdeopern muss (und soll vielleicht auch) man sich dann fragen, warum man überhaupt ein Fan dieses Genres ist, das von Helden und Legenden erzählt, die eine falsche oder zumindest verklärende Geschichtsschreibung dazu gemacht hat und das einem Mythos folgt, dessen geschichtliche Grundlage gar nicht so männlich, helden- und ehrenhaft war. Und natürlich darf es gerne Kritiker geben und diese dürfen wegen mir auch alle ihre Meinung haben und behalten, sie dürfen sie auch kundtun und wegen mir sogar andere Menschen davon überzeugen, aber sie sollen doch bitte die Finger von diesem wunderschönen Genre selbst lassen und selber dann bitte keine Western drehen. Ich denke da z. B. an Robert Altmann (ich hasse „Buffalo Bill und die Indianer“) oder auch Sam Peckinpahs „The Ballad Of Cable Hogue“ (von ihm gefällt mir generell eher sein Frühwerk), aber auch John Hustons „Das war Roy Bean“ kommt mir da spontan in den Sinn. Ich für meinen Teil kann nämlich an der Verklärung der Dinge in den alten US-Western genauso Gefallen finden, wie an ihrer Entmythologisierung, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – gut gemacht ist. Und hier haben wir es wie gesagt mit dem Paradebeispiel schlechthin für einen Schwanengesangswestern zu tun, wie es sie unter den Spätwestern ja einige gibt.

(Spoiler) Großartig z. B. wie die Schießkünste von English Bob hier erst groß demonstriert werden (und zwar in einem Duell, das nicht Mann gegen Mann, sondern jeweils Mann gegen Stellvertreter-Tier ausgetragen wird, also auch nicht ganz auf die gewohnte und vielleicht gewünschte Art), nur um ihn dann nicht einmal zum Schuss kommen zu lassen, weil Little Bill anstatt den Helden spielen zu müssen lieber seine gesamte Deputy-Gang auf Bob anlegen lässt, um diesen zu entwaffnen und weil Bob im Gefängnis nicht Manns genug ist, um sich den Revolver zu greifen, den Bill ihm hinhält. Ebenso gut angelegt der Biograf, der sich von English Bob lossagt, nachdem er von Little Bill darauf aufmerksam gemacht wurde, was dieser doch für ein Hochstapler ist, nur um daraufhin bei Bill zu bleiben und sich von diesem mit ähnlich gelagerten, aber eben auf ihn zugeschnittenen Geschichten einseifen zu lassen. Von diesen Figuren und Verhaltensweisen gibt es noch etliche weitere Beispiele in „Unforgiven“ und sie alle haben gemein, dass die handelnden Personen in ihren Aktionen trotzdem logisch und nachvollziehbar bleiben. Sie bleiben menschlich und das ist ein ganz wichtiger Verdienst von Scriptautor David Webb Peoples.

Etwas übertrieben dargestellt in dieser Hinsicht ist sicherlich der Charakter des Schofield Kid, der mit seinen Lügen, seiner Prahlerei, seiner Kurzsichtigkeit und seiner Angst gleich mehrere negative Eigenschaften auf sich vereint, die nicht zu dem typischen Klischee des Revolverhelden passen wollen, während William und Ned mittlerweile beide rechtschaffende Bürger geworden sind, die auch noch gut schießen können und deren einzige schwache Eigenschaft ihr Alter ist, aber irgendwer muss so einen Film ja auch tragen, nicht? Außerdem handeln auch sie nicht immer richtig im Sinne von Moral und Anstand. Denn abgesehen davon, dass sie früher ständig betrunken und offensichtlich richtige Schwerverbrecher waren, töten sie mindestens einen der beiden Cowboys grundlos. Man kann bei demjenigen, der der Hure das Gesicht zerschneidet, sicherlich darüber diskutieren, ob er dafür den Tod verdient hat oder nicht und man wird sicherlich für beide Möglichkeiten Argumente finden, aber sein Partner, der einfach nur zufällig im Nebenzimmer eine andere gefickt hat und daher völlig unschuldig mitangeklagt und -verurteilt wird, dies auch noch ohne zu murren akzeptiert und darüberhinaus bei der Ponyübergabe ein drittes Pferd mit sich führt, welches er der Hure schenken möchte, hat nun wirklich nichts verbrochen und den Tod absolut nicht verdient. Er war wirklich einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort und wird dafür in ganz jungen Jahren mit einem Bauchschuss (nicht mit einem Kopfschuss wie sein Kollege) hingerichtet. Das ist mit Sicherheit nicht fair und Munny und Logan wollen sicherlich auch deshalb gar nicht wissen, wer denn nun was wirklich gemacht hat. Sie reiten einfach mit und wollen die beiden umlegen. Und hier gelingt Webb Peoples der zweite Geniestreich mit seinem Script, in dem er es schafft, diese Geschichte so aufzubauen und trotzdem zu erreichen, dass man mit den Kopfgeldjägern mitfühlt. Schließlich sind sie in dieser Welt voller Engländer, die unschuldige Chinesen abschlachten und Sheriffs, die sich hinter ihrem Stern verstecken, um schlimmere Gräueltaten anrichten zu können, als sie es jemals tun würden, offensichtlich noch die besseren Menschen. Außerdem steigt Ned nach dem ersten Toten, den er selber auch nicht mehr erschießt, sondern dies Munny überlässt, aus und will eigentlich sogar auf seinen Teil der Belohnung verzichten. Auch William bereitet das Töten sichtlich Kopfzerbrechen und er zieht es nur durch, weil er seine Kinder im Hinterkopf hat und Schofield Kid beschließt nach seinem ersten Mord mit Tränen in den Augen, dass dies auch sein letzter gewesen sein soll, da er seine eigene Tat reflektiert und hinterfragt und ja eigentlich gar nicht der harte Kerl ist, der er vorgibt zu sein. Und schlussendlich tötet Munny dann diejenigen, die es wirklich verdient haben, zumindest nach dem Verlauf des Films. Das alles führt dazu, dass man die drei Kopfgeldjäger trotz ihres fragwürdigen moralischen Standings zu Beginn doch irgendwo in sein Herz schließt und mit ihnen fühlt und leidet. Und das ist innerhalb dieses Genres schon eine große Besonderheit. (Spoilerende) Natürlich aber darf man bei all dem Lob auch hier das eine oder andere Detail in Bezug auf Realismus anprangern. So ist der schwarze Farmer mit der Indianersquaw z. B. doch arg unrealistisch, aber ich denke, dass man den Amis diesen Spaß schon lassen muss (ist ja typisch Hollywood, das muss man einfach mal so sagen).

Außerdem gibt es uns die Möglichkeit Morgan Freeman in diesem Streifen zu bewundern, der nach wie vor einer der besten schwarzen Schauspieler Hollywoods ist. Auch hier spielt er seinen Ned Logan mit so viel Einfühlungsvermögen und Differenziertheit, das er keine Probleme hat, zum Sympathieträger dieses Films aufzusteigen, da William Munny alleine für diese Rolle ja wie eben gesagt schlecht geeignet wäre. Und damit sind wir beim wichtigsten Puzzlestück von „Erbarmungslos“ angelangt: den Darstellern. Denn was Clint Eastwood hier aus seinen Mimen herausgekitzelt hat, ist wahrlich beeindruckend. Er selbst gibt mal wieder den beinharten Revolverhelden, allerdings mit der kleinen Einschränkung, dass dieser sich altersbedingt nicht mehr so behände bewegen kann. Dabei spricht er wesentlich mehr als gewöhnlich für ihn. Auch das, die Geschwätzigkeit im Alter, vielleicht eine Art Abrechnung mit seinen früheren Rollen. Allerdings war er selten so facettenreich wie hier. Er lacht, lächelt zumindest, ist todkrank, dem Sterben nahe, ist eiskalt wie gewohnt und kann auch richtig böse werden. Diese Bandbreite lässt er nicht in jedem Film vom Stapel. Auch das zeigt, was für eine Herzensangelegenheit dieser Film für ihn gewesen sein dürfte. Ihm und Freeman zur Seite stehen mit Jaimz Woolvett als Schofield Kid, Saul Rubinek als Biograf Beauchamp und Anthony James als Saloonbesitzer Skinny Dubois drei hochspannende Nebencharaktere, die von ebenso hochtalentierte Darstellern verkörpert werden. Gerade Woolvett lässt einen wundern, warum er danach offensichtlich keine großen Anfragen mehr bekommen hat. Da macht es schon sehr viel Spaß zuzusehen. Den denkwürdigsten Auftritt unter den Sidekicks legt aber natürlich Richard Harris als rassistischer Engländer auf’s Parkett, der für die Bahn Chinesen tötet und ansonsten nichts anderes zu tun hat, als den Amerikanern klarzumachen, was für Vorzüge ein König oder eine Königin gegenüber einem Präsidenten doch hätten. Seine Dia- oder besser Monologe in dieser Hinsicht sind erste Sahne und verleihen dem Film tatsächlich noch eine Prise Humor. Und auch wenn ich trotzdem weiterhin kein Fan von Harris sein werde, auch ein blindes Huhn trinkt mal einen Korn und das war hier bei ihm definitiv der Fall.

In den Schatten gestellt werden diese Akteure allerdings alle noch mal von einem Mann: Gene Hackman. Er hat seinen Oscar hierfür tatsächlich absolut zu Recht bekommen und liefert eine jener seltenen Performances ab, die man schlichtweg als genial bezeichnen muss und die einem im Leben im Prinzip auch nur einmal gelingen (vergleichbar z. B. mit De Niros und Pacinos Auftritt in „Heat“, dann wisst ihr ungefähr, welche Kategorie ich meine). Und tatsächlich fällt mir außer seinem Auftritt hier auch kein besserer in seiner nicht unbedingt kurzen Karriere ein. Und das wird seiner denkwürdigen Rolle hier natürlich nur gerecht. Genial z. B. wie er Bob erst ganz ruhig und geerdet alles erklärt und ihm die Waffen abnimmt, nur um ihm im nächsten Moment die Fresse zu polieren und sich im Gefängnis über ihn lustig zu machen (zu schade, dass der geniale „Duck Of Death“-Witz in der deutschen Synchronfassung natürlich nicht richtig wiedergegeben werden konnte und daher nicht ganz so witzig ist, wie in der Originalfassung, aber Hackman macht ihn selbst da noch zu einem Erlebnis!) oder wie er Logan erklärt, dass er ihm gleich ziemlich weh tun wird. Das geht einfach nicht besser und wurde in diesem Fall sogar mal zurecht mit einem Oscar ausgezeichnet.

Das Ganze gipfelt dann in einem wahrlichen Finale furioso, zumindest von der Intensität und Spannung her. Selten haben ein paar bedächtig gesprochene Worte und hasserfüllte Blicke so viel Sprengkraft besessen. (Spoiler) Und wenn man dann denkt, dass man um seinen geliebten Showdown gebracht wird, weil es diese Art von offenen Waffengefechten im „echten“ Westen ja nicht so häufig gab, packt Webb Peoples seinen letzten großen Trumpf aus und ermöglicht uns aufgrund eines weiteren kleinen Details, das in normalen Western-Scripts eher wenig Beachtung findet, obwohl es damals sicherlich öfter vorkam (einen Blindgänger nämlich), eine Endabrechnung, die schlicht und ergreifend nicht mehr und nicht weniger ist als Filmgeschichte! Eastwood läuft hier noch einmal zur Hochform auf und wie er in dem dunklen Saloon auf dem beengten Raum dann mit Bob und seinen Männern abrechnet, ist einfach nur genial. Ein Shootout, der meiner Meinung nach sogar das legendäre Triell aus „Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo“ in den Schatten stellt. (Spoilerende) Auch das gehört mit zur Crème de la Crème dieses an großartigen Shootouts nicht gerade armen Genres und ist schlichtweg genial! Und ich meine, wenn der Drehbuchautor nach Sichtung des fertigen Films zugeben muss, dass die Inszenierung des Regisseurs zumindest in dieser Szene besser ist, als all das, was er vorher beim Schreiben im Kopf hatte, dann ist das sicherlich ein Ritterschlag, den nicht jeder Filmemacher erhält.

Und das ist der nächste Punkt. Dass sich zu dem hervorragenden Drehbuch und den fast noch besseren Darstellern die handwerkliche Extraklasse dieses Streifen gesellt. Die Bauten sind klasse, die Drehorte sind exzellent ausgewählt und wurden von Kameramann Jack N. Green zudem noch hervorragend eingefangen. Hier steht „Unforgiven“ seinen großen Vorbildern in Sachen Erhabenheit in nichts nach, auch wenn er alles ein wenig düsterer darstellt natürlich. Und letztendlich kommt zu all dem noch dieser Regisseur, der zwar richtig was auf dem Kasten hatte und hat (hat ja auch von den Besten gelernt), der aber irgendwann auch zu einem exzessiven Filtereinsatz übergegangen ist, der seinen Filmen nicht immer zum Vorteil gereicht. Hier war er in dieser Hinsicht noch nicht so weit, sonst hätte er wohl auch „Erbarmungslos“ von einem dunklen Filter überziehen lassen. Den kann ich hier aber nicht erkennen (korrigiert mich, falls ich falsch liegen sollte) und das lässt den Streifen in seinen ursprünglichen Farben erstrahlen, die ihre Wirkung garantiert nicht verfehlen. Von Eastwoods sonstigen Qualitäten einmal abgesehen, die er als Regisseur ja leider nicht immer voll ausschöpft bzw. an den Tag legt (aber hier kam eben alles Gute zusammen) und die er zumindest im Westerngenre nicht noch einmal in dieser Deutlichkeit präsentieren sollte und dies wohl auch nicht mehr tun wird, denke ich (was für eine gewagte Behauptung). Man merkt einfach in jeder Einstellung das Herzblut, das er hier reingesteckt hat und realisiert sofort, wie wichtig ihm dieser Film war. Man merkt, dass er diesem Genre, dem er so viel zu verdanken hat, noch einmal einen richtig guten Film hinzufügen wollte. Es ist seine Art der Verbeugung und Ehrerbietung.

Und tatsächlich hat er mit „Unforgiven“ wirklich seinen besten Beitrag zu diesem Genre abgeliefert und noch einmal untermauert, warum er als eine der größten seiner Ikonen gilt. Gewidmet hat er den Film dann auch Don Siegel und Sergio Leone. Diese hätten sich sicherlich beide geehrt gefühlt, wenn sie das noch hätten miterleben dürfen. Und nicht nur in seinem eigenen Oeuvre, sondern natürlich auch innerhalb des Genres an sich hat „Unforgiven“ zurecht den Klassikerstatus inne, den er quasi seit Erscheinen genießt. Er ist einfach tatsächlich, das darf man auch als Fan sagen und gut finden, der ultimative Abgesang auf all die Mythen, die sich in den Jahren zuvor aufgetürmt hatten. Und auch wenn ich wie gesagt ein Fan dieser Mythen bin: Es schadet sicherlich nichts, die andere Seite zumindest mal gesehen zu haben und schon gar nicht, wenn sie in der Vollendung gezeigt wird, wie es hier der Fall ist. Einige Leute behaupten ja tatsächlich, nach „Unforgiven“ müsste es eigentlich keinen weiteren Western mehr geben, da mit ihm tatsächlich alles gesagt sei. Das ist natürlich Blödsinn, denn von meinem Standpunkt aus kann es natürlich nie genug Western geben und ob alles gesagt ist oder nicht, hat einen Fan dieses Genres ja noch nie interessiert. Aber „Erbarmungslos“ ist mit ziemlicher Sicherheit eine der letzten wirklich großen Pferdeopern. Denn soviel kam hiernach bislang tatsächlich noch nicht wieder…

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass Eastwood nicht zu jedem seiner Filme die Musik selber schreiben sollte. Hat er ja auch nicht gemacht, aber doch zu einigen und da er dann natürlich auf ein paar Instrumente limitiert ist, schließlich kann er kein ganzes Orchester spielen bzw. für dieses schreiben, wird das dann in der Regel sanftes Gitarrensaitengezupfe. Das ist zwar beim ersten Mal ganz nett, aber immer muss man das wirklich nicht haben. „Unforgiven“ hat in dieser Hinsicht bei mir das Glück, der erste Film gewesen zu sein, den ich von Eastwood mit eigener Musik gesehen habe und von daher war das hier noch eine willkommene Abwechslung. Außerdem muss man einfach gestehen, dass er damit hier echt nicht über die Strenge schlägt, sondern ein tolles Titelthema abgeliefert hat, das sich wirklich festsetzt. Vor allem in der Streichervariante geht das echt zu Herzen. Ein weiterer Baustein im Gesamtkunstwerk „Erbarmunglos“, der mir in obigem Text glatt durch die Lappen gegangen ist.

Zur DVD:

Gewohnt gute Veröffentlichung von Warner. Sehr gute Bild- und Ton-Qualität. Fast schon logisch, da es sich ja um einen Prestige-Film für das Studio handelt und weswegen ich gerne mal vergleichsweise die Qualität der Blu-ray sehen würde. Aber auch so auf jeden Fall einer dieser 90er-Jahre-Filme, die Gott sei Dank in guter Qualität auf DVD vorliegen. Und in der 2-Disc-Edition, die ich mir natürlich zulegen musste (ich kam nicht umhin ;D), noch mit einer Reihe schicker Extras ausgestattet. Auf der Filmdisc befinden sich neben „Unforgiven“ noch:

  1. Audiokommentar
  2. Trailer
  3. Auszeichnungen, Stab und Besetzung: Texttafeln, die kein Schwein braucht.

Die Sahnestücke hat man sich so also natürlich für die Bonusdisc aufgehoben. Da haben wir nämlich noch:

  1. „All On Accounta Pullin‘ A Trigger“: Die erste von drei „Originaldokumentationen“, die offensichtlich zur Entstehungszeit von „Unforgiven“ für’s Fernsehen produziert wurden, überzeugte mich jetzt nicht so wirklich. Wir sehen hier 23 Minuten lang den verschiedenen Darstellern und einigen anderen Beteiligten dabei zu, wie sie die Gewalt des Films reflektieren und ihre Ansichten dazu preisgeben. Dabei schneiden sie so ziemlich jeden Gedanken noch einmal an, den man selber schon mal zu der Thematik hatte und so ergibt sich am Ende nicht viel Neues. Außerdem muss ich zugeben, dass ich mir zur Gewalt im Film bereits eine Meinung gebildet habe und mir die Ansichten anderer Leute dazu daher nicht ganz so interessant erscheinen. Eine eher unbefriedigende Angelegenheit.
  2. „Eastwood & Co. – Making Unforgiven“: Die zweite „Originaldoku“, das Making Of zu „Unforgiven“, hat mir da schon wesentlich besser gefallen. Man hört sehr viele interessante Anekdoten zum Film und zu Clint Eastwood sowie seiner Crew; das macht Spaß. Außerdem ist der Blick hinter die Kulissen echt interessant.
  3. „Eastwood… A Star“: Die dritte „Originaldokumentation“ hätte man sich genauso schenken können wie die erste. Hier wird kurz Clint Eastwoods Werdegang zum Superstar nacherzählt und werden ein paar Ausschnitte aus verschiedenen anderen Filmen von ihm gezeigt. Gut ist, dass wenigstens nicht gespoilert wird. Man kann die anderen Filme danach also durchaus auch noch gucken, aber einen wirklichen Mehrwert konnte ich auch hierin nicht erkennen, da sich a) vieles mit dem Making Of überschneidet, b) das Ganze mit gerade mal 16 Minuten natürlich viel zu kurz geraten ist, als dass es wirklich Tiefgang haben könnte (und so ein kurzes Gekratze an der Oberfläche bringt ja keinen so richtig weiter) und es sich c) obendrein natürlich auch noch mit der vierten, unabhängig von „Unforgiven“ produzierten Dokumentation hierauf, „Eastwood On Eastwood“ (s. Punkt 4), überschneidet. Denn genau darum ging es bei dieser „Dokumentation“ seinerzeit eigentlich: Sie ist zur Promotion von „Erbarmungslos“ gedreht und daher mit Szenen und Gesprächen mit Eastwood vom Set aufgefüllt worden. Daher kann man sich die heute einfach nur schenken.
  4. „Eastwood On Eastwood“: Viel interessanter ist da grundsätzlich schon dieser gut einstündige Schinken, der das Leben und Wirken Clint Eastwoods aus filmhistorischer Sicht ziemlich vollständig bis zu seinem damals offensichtlich aktuellen Film „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“ zu erzählen versucht. Das ist auch ganz gut gelungen, allerdings bekommt der aktuelle Streifen, nicht zuletzt auch dadurch, dass John Cusack die Dokumentation spricht (wäre natürlich geil gewesen, man hätte eine deutsche Fassung von Andreas Fröhlich einsprechen lassen ;) ), viel zu viel Raum eingeräumt und bekommen im Gegenzug Eastwoods Anfänge, seine superwichtigen italienischen Western, die ihn überhaupt erst zu dem gemacht haben, was er ist, nur eine kurze Randerwähnung, dann ist Schluss damit. Dieses Verlogene, auf sich Bezogene ist diesen Ami-Dokus offensichtlich leider immer inne, weswegen sie auch keinesfalls als Komplettübersicht taugen (ist ähnlich wie etwa Henry Fondas Karriereaufarbeitung „Henry Fonda: Hollywoods stiller Held“, die es z. B. auf der Koch-Scheibe zu „Ritt zum Ox-Bow“ zu sehen gibt und die einen Film wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ einfach mal komplett verschweigt). Ansonsten aber macht es schon Spaß einen Abriss der einem bereits bekannten Streifen zu sehen und sich z. B. wieder Lust auf „Dirty Harry“ machen zu lassen und sich obendrein noch ein paar Ausschnitte aus Filmen anzusehen, die durchaus auch einen Blick wert scheinen. Allerdings wird hier im Gegensatz zu „Eastwood… A Star“ gespoilert, was das Zeug hält und ich bin daher echt am Überlegen, warum man sich einen Film wie z. B. Don Siegels „Betrogen“, der ansonsten exzellent in mein Beute-Schema passen würde, überhaupt noch angucken sollte. Der hat dadurch, dass einem hier schon alles verraten wird, doch sämtlichen Anreiz verloren. Und da es dann ja doch eine Menge Filme sind, die Eastwood auch bis dahin sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur gemacht hatte, wird selbst hier einiges nur angerissen (dann aber eben komplett gespoilert) und über Eastwoods Privatleben erfährt man einfach mal gar nichts nebenbei. Von daher kann man sich das Ganze mal anschauen, aber wirklich gut sind andere Dokumentationen.
  5. „Duel At Sundown“: Eine komplette Folge der Serie „Maverick“. Dass diese hier bei uns eher weniger bekannt ist, dürfte wohl vor allem am fehlenden DVD-Release bislang liegen. Offensichtlich sind ja wenigstens ein paar Folgen damals in der ARD gelaufen, sodass man da ja durchaus mal drüber nachdenken könnte, da mal eine vernünftige Veröffentlichung rauszubringen. Gibt’s in den USA und Kanada z. B. ja auch schon. Aber in Deutschland muss man sich in dieser Hinsicht wohl noch etwas gedulden. Da ist es natürlich umso schöner, dass Warner wenigstens diese eine Folge auf die Bonus-Disc gepackt hat, damit man als so jemand wie ich, der ich in den 60ern noch nicht auf der Welt war und so bislang noch keine Gelegenheit hatte, die Serie mal zu testen, die Möglichkeit hat, dieses mal zu tun. Das ist so wie mit diesen ganzen Kurzfilmen auf den Veröffentlichungen der Errol-Flynn-Western usw. Finde ich super! Zur Bewertung der Folge an sich bitte in der Serien-Rubrik nachschauen.

Darüber, dass jeder vernünftige Fan diesen Film sein Eigen nennen muss, brauchen wir glaube ich nicht weiter zu diskutieren.

Zitate

„Leicht ist es nie gewesen.“(Munny reflektiert sein früheres Leben etwas anders, als es gemeinhin dargestellt wird)

[Munny macht sich Gedanken über den Blick, den Logans Frau ihm bei der Abreise zugeworfen hat und den er als nicht besonders nett empfunden hat] „Sie ist eine Indianerin, Will. Und die sehen einen nie besonders freundlich an.“(Logan versucht seinen Partner in dieser Hinsicht zu beruhigen)

„Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber die Franzosen sind dafür bekannt, eine Rasse von Attentätern zu sein, obwohl ihre Schießkünste nichts wert sind.“(English Bob (Richard Harris) lässt eine seiner unwiderlegbaren Weisheiten vom Stapel und tritt den Franzosen zu nahe)

„Es ist sehr unzivilisiert, dieses Schießen auf Menschen von Bedeutung.“(English Bob hält überhaupt nichts davon, dass die Amerikaner ihren eigenen Präsidenten erschossen haben)

„Wenn ich angeschossen werde, möchte ich, dass es heiß ist. Es tut viel mehr weh, wenn es kalt ist.“(ein Deputy von Little Bill macht sich seine eigenen Gedanken vor’m möglichen Shootout)

„Ich sehe, du hast deinen Schnauzbart abrasiert.“ – „Der Geschmack von der Suppe blieb zu lange drin hängen.“(Little Bill klärt English Bob über seinen neuen Look auf)

„Sie haben keine Courage und keinen Charakter. Sie haben nicht mal schlechten Charakter.“(Little Bill macht seinem Ärger über … Luft)

„Wie lange bin ich schon hier.“ – „Drei Tage. Sind Sie hungrig?“ – „Drei Tage? Ich schätze dann bin ich hungrig.“(Munny zieht nach seinen Fieberträumen und Nahtoderfahrungen erste logische Schlüsse)

„Er verdiente es nicht besser.“ – „Wir alle verdienen es nicht besser.“(Munny macht Kid wenig Mut für seinen weiteren Lebensweg)

[nachdem Munny Skinny Dubois erschossen hat] „Dieser Mann war unbewaffnet.“ – „Er hätte sich eben bewaffnen sollen, bevor er seinen Saloon mit meinem Freund schmückt.“(Munny macht Little Bill auf logische Actio-Reactio-Konsequenzen aufmerksam)

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