Der Mörder des Klans

Prega Il Morto E Ammazza Il Vivo

★★★ ++

  • Jahr: 1971
  • Regie: Giuseppe Vari
  • Darsteller: Paolo Casella, Klaus Kinski, Dino Strano...

Story

Dan Hogan (Klaus Kinski) überfällt mit seiner Bande eine Bank und erbeutet dabei 100.000 Dollar. Jetzt will er mit seinen Leuten über die Grenze nach Mexiko flüchten, wobei sich ihnen der zwielichtige John Webb (Paolo Casella) als Führer anbietet. In einer Poststation werden noch zwei Frauen als Geiseln genommen und schon geht’s ab durch die Wüste. Hier stellt sich Webb als John Parker heraus, dessen Familie Hogan einst ermordete. Und nachdem unterwegs bereits der Rest der Bande sowie eine der Frauen ihr Leben lassen mussten, erschießt Webb Hogan im finalen Duell, reißt sich das Gold unter den Nagel und nimmt die andere Geisel zur Frau.

Worte zum Film

schwache Darsteller, eine Regie, die zu retten versucht, was zu retten ist, und ein zweigeteiltes Drehbuch; starke, unorthodoxe, kammerspielartige erste Hälfte, ziemlich durchschnittliche zweite Hälfte; keine Ballerorgie; da wäre mehr drin gewesen

Bewertung

Zum Film:

Zugegeben, das Beste an diesem Streifen ist weiterhin die recht freie englische Übersetzung seines italienischen Originaltitels „Prega Il Morto E Ammazza Il Vivo“: „Shoot The Living And Pray For The Dead“. Das klingt doch nach was! Aber ähnlich wie von dem völlig sinnentfremdenden deutschen Namen „Der Mörder des Klans“ (den ich ohne die Hilfe des Internets zugegebenermaßen nie hätte deuten können) darf man sich von ihm nicht täuschen lassen. Eine Ballerorgie ist Giuseppe Varis tatsächlich bereits letzter Genrebeitrag nicht geworden. Und genau deswegen fand ich ihn damals, vor Jahren, bei seiner Erstsichtung auch so unendlich langweilig. Und genau deswegen gefällt er mir heute, wo ich eher auf der Suche nach denjenigen Western bin, die aus dem Italo-Einheitsbrei herausragen und mal ein wenig Variation hereinbringen, wesentlich besser. Zwar wird wohl nicht jeder das Kleinod in ihm finden, das Quentin Tarantino in ihm sieht, aber er macht schon ordentlich Laune.

Jedoch wird jeder, der so wie ich zwischenzeitlich „The Hateful Eight“ bewundern durfte, sich umschauen, wie viel Inhalt sich der Starregisseur hier entliehen (man könnte auch sagen geklaut) hat. Der hat die Ausgangslage ohne die ganz großen Änderungen schlichtweg übernommen und ganze Szenen einfach nachinszeniert. Ebenso lassen sich beide Werke grob in zwei Teile einteilen. Jedoch gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen ihnen: Im Falle von „Prega Il Morto E Ammazza Il Vivo“ entschied sich Drehbuchautor Adriano Bolzoni (der in aller Regel nicht unbedingt für Meisterwerke bekannt ist) für einen krassen Ortswechsel. Ist seine erste Hälfte noch so ziemlich genau das Kammerspiel in einer Postkutschenstation, das Tarantino 45 Jahre später auf fast drei Stunden Laufzeit aufblasen sollte, spielt der zweite Abschnitt mit einem Male fast ausschließlich in einer Wüste. Und während sich Ersteres auch in der (Ursprungs-)Version von ihm und Vari schon ziemlich spannend ausnimmt, verliert er sich im zweiten Teil in Szenen, in denen Klapperschlagen erschossen, Frauen gequält und wahrscheinlich sogar misshandelt (ob ja oder nein überlässt er jedoch der Fantasie des Zuschauers) oder böse Buben in die Irre geführt werden. Und auf die Gefahr hin, dass das eventuell schon durchgekommen sein sollte: All das Letztere hat man gerade im Italowestern alles schon mal besser gesehen, aber den Auftakt mit seiner an den Nerven zerrenden Ruhe und Bedächtigkeit findet man dort nicht so leicht wieder. Das war innovativ, darauf hätte man sich beschränken sollen. Was im Umkehrschluss natürlich mal wieder bedeutet: Quentin Tarantino ist einfach ein Fuchs! Er hat das Potential dieser ersten 45 Minuten erkannt und daraus folgerichtig einen eigenständigen Film gemacht – und was für einen! Ob der Qualität von „The Hateful 8“, aber auch der von „Der Mörder des Klans“ kann man ihm hier jedoch keineswegs böse sein, sondern ihn dazu einfach nur beglückwünschen.

Denn Giuseppe Vari macht aus den vorhandenen Mitteln und Gegebenheiten wirklich das absolut Beste, aber groß waren diese eben nicht. So ist er z. B. einer der ganz wenigen, der – sicherlich unterstützt von seinem Kameramann Franco Villa – wirklich haargenau darauf achtete, die italienische Kiesgrube, die er uns hier als us-amerikanische Wüste verkaufen will, auch ja nur so zu filmen, dass man zu keinem Zeitpunkt die grünen Sträucher auf ihren Dünen oder ihre bewaldeten Ränder sehen kann, um demjenigen, der es nicht besser weiß oder sich überzeugen lassen will, die Möglichkeit zu geben, von diesen nicht ständig in die Realität zurückgeholt zu werden. Hat sich zu der Zeit auf dem Stiefel doch sonst quasi niemand drum geschert. Da er dadurch mit der Kamera stets eng an seinen Figuren dranbleiben muss, kreiert er in seinen besten Momenten in dieser Phase tatsächlich nochmal ein ähnlich kribbliges Gefühl wie am Anfang, aber so ganz will sich jenes nicht mehr einstellen. Und Bolzonis immer schwächer werdende Story vermag er damit irgendwann auch nicht mehr aufzufangen. Mit seinem halbherzig inszenierten Finale kann er dann leider ebenfalls nichts mehr herausholen.

Leider hatte er auch auf schauspielerischer Seite offensichtlich keine große Auswahl zur Verfügung. Der nur selten besetzte Paolo Casella zeigt hier, warum dies so war. Er ist annehmbar, aber ein cooler, geheimnisvoller Westernheld sieht anders aus. Und ein (gegenüber Spencer/Hill-Zeiten etwa) hörbar gealterter Thomas Danneberg als Synchronsprecher macht die Sache dann auch nicht besser. Ihm gegenüber steht mit Klaus Kinski zwar ein absoluter Ausnahmemime, aber eben auch einer, den man führen können musste. Und Vari konnte oder wollte es offensichtlich nicht. Und so darf Kinski hier völlig freidrehen, wie er will und scheint durch nichts als sich selbst aufzuhalten zu sein. Dass er sie zwischendurch in einem Anfall von Raserei nicht einfach alle umbringt, erscheint vor diesem Hintergrund schon fast sonderbar. Und wenn er in diesem (Overacting-)Tunnel war, war er einfach kein guter Schauspieler mehr. So ist es zwar überraschend, aber am meisten Spaß macht hierin noch Dino Strano, der seine dicken Eier wenigstens mit Stolz vor sich herträgt. Alle anderen gehen so (Aldo Barberito etwa, der hoffnungslos fehlbesetzt ist), aber erwartet einfach nicht viel, dann könnt ihr nicht großartig enttäuscht werden. Interessante Notiz am Rande übrigens: Anna Zinnemann spielt hier nicht, wie überall und selbst im Vorspann dieses Streifens zu lesen ist, die Daisy (von der sich Tarantino ebenfalls den Namen lieh), sondern Adriana Giuffrè (ich bin doch nicht der erste, dem das auffällt – will das nicht mal jemand ändern?)…

Summa summarum unterhält „Prego Il Morto E Ammazza Il Vivo“ schon sehr ordentlich, lebt dabei aber ausschließlich von seiner spannenden, nicht nur auf Ballereien aufgebauten und damit im Italo-Bereich nicht alltäglichen Geschichte. Zwar geben Giuseppe Vari und Franco Villa ihr Bestes, aber das geringe Budget und die maximal durchschnittlichen Darsteller vermögen sie nicht immer aufzufangen. Und da Adriano Bolzonis Plot leider mit einer schwächeren zweiten Hälfte aufwartet, kann das wirklich gute Startniveau nicht gehalten werden und reicht es somit schlussendlich ganz knapp nicht für die nächsthöhere Bewertungsstufe. Aber allein schon als (vergleichsweise kurze) Vor- oder Nachbereitung von Quentin Tarantinos wesentlich besserem „The Hateful Eight“ eignet sich dieser kleine, nette Film allemal.

★★★ ++

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