Winchester ’73
★★★★★
- Jahr: 1950
- Regie: Anthony Mann
- Darsteller: James Stewart, Stephen McNally, Dan Duryea, Shelley Winters, Millard Mitchell, Charles Drake, John McIntire, Jay C. Flippen, Rock Hudson...
Story
Beim Preisschießen in Dogde City gewinnt Meisterschütze Lin McAdam (James Stewart) ein besonderes Winchester-Repetiergewehr der Reihe „One Of One Thousand“. Der Halunke Dutch Henry Brown (Stephen McNally), mit dem er sowieso noch eine Rechnung offen hat, weil dieser seinen Vater erschoss, nimmt ihm die Flinte jedoch sofort wieder ab und verliert sie seinerseits an den Waffenhändler Joe Lamont (John McIntire) beim Pokern. Dieser wiederum muss beim nächsten Deal mit den Indianern ins Gras beißen, weswegen das Gewehr an den Häuptling Young Bull (Rock Hudson) übergeht. Und während Lin und sein Freund „High-Spade“ Frankie Wilson (laut eigener Aussage mit Bindestrich – Millard Mitchell) noch hinter Dutch Henry her sind und zwischendurch einem Kavallerietrupp gegen die Indianer helfen, wobei man die Sängerin Lola Manners (Shelley Winters) näher kennenlernt, hat die Büchse schon wieder zwei neue Besitzer: Erst bekommt sie Lolas Geliebter Steve Miller (Charles Drake) in die Hände, der dann jedoch von dem Banditen Waco Johnny Dean (Dan Duryea) erschossen wird, woraufhin sich dieser sowohl dessen Schießeisen als auch dessen Frau unter den Nagel reißt. Und wie es der Zufall so will, tut sich dieser Waco dann auch noch mit eben dem gesuchten Dutch Henry Brown zusammen, wobei die Flinte wieder an Letzteren übergeht. Und als Lin und High-Spade endlich dahinterkommen, muss Ersterer zuerst Waco erschießen, um sich endlich ein finales Duell mit Brown liefern zu können. In diesem zieht der Halunke, der sich als McAdams leiblicher Bruder Matthew herausstellt, den Kürzeren und muss ebenfalls ins Gras beißen. Damit ist der alte Streit erledigt und die Büchse endlich im Besitz ihres rechtmäßigen Eigentümers.
Worte zum Film
sehr gute Darsteller, großartige Regie; absolut einzigartige, unglaublich packende, wendungsreiche und dabei nie unglaubwürdige Story; „Screwball-Western“; der erste Psycho-Western der Geschichte hat alles, was ein Western braucht und ist doch gar nicht so psychologisch
Bewertung
Zum Film:
Es gibt auf dieser Welt eine Handvoll Filme, bei denen man bereits beim ersten Ansehen das Gefühl hat, dass diese eine so einzigartige Geschichte erzählen, dass man eine solche wohl kein zweites Mal in seinem Leben zu sehen bekommen wird. „Pulp Fiction“ ist beispielsweise so einer. Aber auch einen „Mulholland Drive“, einen „El Topo“ oder einen „Tras El Cristal“ würde ich in diese Kategorie einordnen (völlig unabhängig von meiner jeweiligen Meinung zu diesen Streifen und vollkommen ohne eine Diskussion über diese Zuordnung anfangen zu wollen). Einen solchen auch im Genre Western zu bezeichnen fällt mir nicht nur deswegen schwer, weil ich zu keinem anderen Sujet je so viele Beiträge gesehen habe wie zu diesem, sondern auch, weil eine Faszination dieser wunderschönen Spielart ja gerade ihre immer wieder neuen, spannenden Abwandlungen altbekannter Themen ausmachen. Aber einige Storys bleiben selbst im Bereich der Pferdeoper einzigartig. Und Anthony Manns erster Vertreter „Winchester ’73“ gehört für mich eindeutig – und das selbst über zwanzig Jahre, nachdem ich dieses herrliche Themengebiet für mich entdeckte – dazu (und ja, wenn ihm seine Arbeit bei „The Furies“ doch erst diesen Regiejob eingebracht haben soll, wie überall zu hören und zu lesen ist, müsste dieser dann doch sein erster Beitrag sein, denkt ihr jetzt sicher und ja, das sehe ich auch so, aber laut IMDb feierte dieser am 21. Juli 1950 seine Weltpremiere und „Winchester ’73“ bereits am 01. Juni desselben Jahres – und daran halte ich mich bei meiner diesbezüglich Rangfolge auch immer (an irgendetwas muss man sich ja schließlich orientieren, wenn man selbst schon nicht mit dabei war, nech?))! Wie sein Schöpfer über die Jahrzehnte seines Bestehens mittlerweile zur Genrelegende gereift, verdankt er diesen Ruf nicht zuletzt seiner sehr unorthodoxen Rahmenhandlung, die wirklich – wie es der Titel bereits vermuten lässt – ein Repetiergewehr in deren Mittelpunkt stellt und dieses sogar zu einem ihrer Hauptakteure werden lässt. Und was für denjenigen, der diesen Streifen tatsächlich noch nicht gesehen haben sollte, jetzt höchstwahrscheinlich nach einer albernen Comic-Idee klingen wird, ist in Wahrheit eine nie aufgesetzt wirkende, extrem abwechslungsreiche, dabei hochspannende sowie actiongeladene Angelegenheit.
Denn natürlich kann die titelgebende Flinte, die sich – wenn ich es richtig sehe – Stuart N. Lake ausdachte und dessen Story Robert L. Richards und – mal wieder – Borden Chase in ein Drehbuch überführten, weder sprechen noch entwickelt sie tatsächlich ein Eigenleben oder ähnliches. Sie ist generell kein Fantasiekonstrukt, keine Zauberwaffe, nur eben eine richtig gute der – seinerzeit tatsächlich existenten – Reihe „One Of One Thousand“ der Firma Winchester, die dementsprechende Begehrlichkeiten weckt und daher im Laufe der Handlung ziemlich oft den Besitzer wechselt. Nun ist das allein ja keine Sache, die es in der Kinogeschichte nicht auch einmal öfter gegeben hätte und obwohl mir jetzt auf Anhieb gar nicht wirklich namhafte Vertreter einfallen wollen, gibt es diesen Ansatz selbst im Genre Western sicherlich das eine oder andere Mal (man denke beispielsweise nur an einen Sack Gold, einen Schatz oder eine Geldkiste in einigen der – bezogen auf diesen Film – im nächsten Jahrzehnt entstandenen Italowestern, die dort auch des Öfteren von Hand zu Hand gehen), aber so zufällig (in der Regel nämlich völlig ungewollt) und dabei tatsächlich nie unglaubwürdig geschieht das meiner Meinung nach nirgendwo sonst. Diesbezüglich ist „Winchester ’73“ die Referenz und wird er es immer bleiben! Und da er diese an sich schon sehr spannende Verfolgung des Werdegangs dieser nicht ganz alltäglichen Waffe obendrein nur als Aufhänger benutzt, um ansonsten eine – dann schon sehr viel ordinärere – Rachegeschichte zu erzählen, hebt er sich damit endgültig von allen anderen, mir bisher bekannten Genrestücken ab und ist – wie erwähnt – einzigartig.
Dazu hat dieses Script die ebenfalls nur ganz selten anzutreffende Gabe so ziemlich alle Komponenten auf sich zu vereinen, die einen Film überhaupt erst zum Western machen bzw. die man in einer Pferdeoper antreffen kann und mag (sofern Drehbücher denn überhaupt „Gaben“ haben können selbstverständlich, aber bei mir können sie das ;) ). Hier ist echt alles vertreten: Cowboys (oder eben Westmänner), Indianer, Soldaten, Banditen, Sheriffs (gar der berühmte Wyatt Earp), Waffenhändler, interessante Frauen, interessante Waffen, Schießereien, Prügeleien, ausdrucksstarke Gesichter, Überfälle, Duelle (spielerische sowie ernste), tolle Landschaften und was euch sonst noch so alles einfallen mag… Das einzige, was dem einen oder anderen vielleicht noch fehlen könnte und mir jetzt noch einfallen würde, sind ein paar andere Tiere. Bis auf die obligatorischen Pferde wird hier diesbezüglich nicht so viel vorgeführt. Keine Rinder, keine Büffel, nichts Exotisches… Aber genau daran merkt ihr im Umkehrschluss ja auch schon, was „Winchester ’73“ alles bietet. Als hätten Chase und Co. den damaligen Durchschnitts-Western-Fan gefragt (oder eben mich, hä, hä), was in ihrem nächsten Beitrag so alles drin vorkommen müsste, das in ne große Rührschüssel geworfen und dann einfach was draus gemacht. Dadurch pfeifen einem die stilprägenden Bilder und Versatzstücke dieses Genres, die man von einer klassischen Pferdeoper erwartet, – gerade auch ob der Lauflänge von gerade einmal 90 Minuten – hier in einer Dichte um die Ohren… Da muss man dann schon aufpassen, dass man das beim ersten Mal überhaupt alles aufsaugen kann – oder eben die Einladung zum immer und immer wieder Gucken regelmäßig annehmen. Denn selbstredend birgt so ein Konzept auch die Gefahr, dass man einen Film damit überlädt bzw. die eigentliche Geschichte darunter vergräbt, wenn es nur um ein Zurschaustellen von vorher festgelegten Inhalten sowie ein diesbezügliches Abarbeiten geht. Allerdings bezweifle ich stark, dass das Ganze in diesem Fall von Anfang an so geplant war. Vielmehr hat es sich beim Schreiben der Geschichte bestimmt einfach so ergeben. Da kam sicherlich einfach eins zum anderen und wurde so immer stimmiger. Denn ansonsten müsste irgendwann auch mal die Luft raus sein und sich Langeweile einstellen. Und genau das passiert „Winchester ’73“ nie. Er ist nicht nur eine unfassbar schöne, weil gelungene, sondern auch eine selten unterhaltsame Aneinanderreihung genretypischer Schlüsselszenen.
Kurzweilig ist er vor allem deswegen, weil man trotz oder vermutlich gerade wegen dieses Storyaufbaus nie vorausahnen kann, was als nächstes passieren wird. Zumindest für mich war er die ersten Male komplett unvorhersehbar. Dabei wechselt er dann auch noch so oft seine Richtung und vor allem den Handlungsort, dass ich ihn am liebsten als eine Art „Screwball-Western“ beschreiben würde. (Wie passend ich daher die Besetzung der Hauptrolle mit Jimmy Stewart empfinde, brauche ich glaube ich nicht extra zu betonen, oder?) Auch das dürfte – zumindest im Bereich der ernsten Vertreter – ein Alleinstellungsmerkmal sein. Ihr merkt also schon: „Winchester ’73“ hat so ziemlich alles! Und wenn ich euch jetzt noch erzähle, dass er trotz dieser ganzen Extravaganzen tatsächlich nie an Stringenz verliert, dann fragt ihr euch zu Recht, warum dieses so interessante wie erfolgreiche Konzept im Anschluss eigentlich nicht viel öfter kopiert wurde. Denn das sind ja eigentlich auch alles ganz banale Wildwest-Sachverhalte, die hier thematisiert werden. (Spoiler) Sowohl der sehr originelle Aufgalopp mit dem Wettschießen als auch die anschließende Pokerrunde und der Indianerüberfall ebenso wie die folgende Belagerung eines Hauses sowie die Planung und Durchführung eines Banküberfalls als auch das abschließende Duell in den Bergen. Das alles hatte selbst der geneigte Fan von damals schon einhundert Mal gesehen. Aber es ist ein bisschen so wie Quentin Tarantino und Konsorten immer sagen: Wirft man einen nur leicht veränderten Blick auf diese altbekannten Sachen, erscheinen diese plötzlich in einem ganz anderen Licht und werden wieder sehr interessant. Nehmen wir beispielsweise nur den Bankraub zum Schluss, bei dem es tatsächlich nie um dessen Ablauf und quasi nur am Rande um dessen Ausgang geht, fällt einem gar auf, wie modern dieser Ansatz heutzutage erscheint. Auch die Geschichte der Frau, eine – wie sagt es die deutsche Synchronisation doch so herrlich altbacken? – Tingeltangel-Sängerin, die hochangenehm schlagfertig ist, hart gearbeitet hat und so für sich und ihren nichtsnutzigen Liebhaber ein paar Dollars zurücklegen konnte, wofür er, ein unverbesserlicher Hochstapler, sich tatsächlich sichtlich zu schämen scheint, wirkt eher wie ein Problem unserer Tage und der Streifen dadurch stellenweise seiner Zeit voraus. (Spoilerende)
Und a pro pos seiner Zeit voraus: „Winchester ’73“ gilt nicht zuletzt ja auch als die Pferdeoper, die das Genre wiederbelebte, auf eine neue Ebene hob und das Zeitalter der Adult-Western begründete. Was heißt gilt? Dass dem tatsächlich auch so war, zweifle ich überhaupt nicht an. Manns erster Genrebeitrag schlug ein wie eine Bombe, nach der es endlich nicht mehr so weiter gehen musste und konnte wie vorher. Aber wie hat er das erreicht? Neben eben besprochener Vorzüge fiel den Zuschauern von damals noch etwas anderes auf: James Stewarts Protagonist Lin McAdam ist eigentlich wie gewohnt ein blütenweißer Held mit einer Mission. (Spoiler) Im Laufe der Geschichte aber – so sagt man – wird man immer mehr gewahr, wie verbissen Lin sein Ziel, seine Rache verfolgt und bemerkt so, dass sein Charakter auch Graustufen aufzuweisen hat, was dann in der berühmten Szene seines Ausrasters kulminiert. Und genau dazu muss ich jetzt mal meine Meinung loslassen. Denn auch heutzutage (in entsprechenden Bonusmaterialien, im Internet usw.) wird ja noch so getan, als hätte dieser Moment immer noch die gleiche Schockwirkung wie damals. Dem ist meiner Meinung nach überhaupt nicht so. Und es kann nach den ganzen Italo- sowie Spätwestern, die wir heute bereits gesehen haben, auch gar nicht mehr so sein. Dass einer seine Rache (und – wie wir später erfahren sollen – dann auch noch die Rache für den Tod eines Familienmitglieds) bis zum Letzten durchzieht, ist über die Jahre ja wohl völlig normal geworden. Und dass dabei auch der Held mal auskeilt, wo er eigentlich nicht hätte auskeilen dürfen, und der Antiheld noch ganz andere Sachen macht, ebenso. Von daher hat mich dieser kurze Moment nie so schockiert – und wenn es nach mir geht wie gesagt auch gar nicht so schockieren können – wie die Zuschauer damals und ich finde es ehrlich gesagt auch jedes Mal ein wenig scheinheilig, wenn einem suggeriert wird, man hätte einen entscheidenden Punkt in einem Streifen verpasst, nur weil man eine solche Szene dann nicht entsprechend würdigt. Mir ist zwar bewusst, dass seinerzeit so gedreht wurde, gedreht werden musste und das Gezeigte dafür auch schon vergleichsweise viel war und ich denke, es dürfte klar sein, dass ich alte Filme liebe, aber es gibt eben Stellen, an denen selbst ich zugeben muss, dass man die Methoden von damals nicht mehr unbedingt gut finden bzw. über die man heute dann einfach nicht mehr in der Art und Weise reden muss. Solche Szenen sind z. B. auch diejenigen, in denen Marlon Brando in „A Streetcar Named Desire“ Vivien Leigh „vergewaltigt“ oder Laurence Harvey von Angela Lansbury in „The Manchurian Candidate“ einen Kuss bekommt und man dies sofort als Inzest deuten soll. Ja, ich habe mich bei allen drei Beispielen gefragt, ob man diese wohl so verstehen soll, wie man sie verstehen soll, aber nein, mir ist das heutzutage dafür eindeutig zu wenig. (Spoilerende) Und daher – und darauf will ich hinaus – bin ich in diesem Fall auch durchaus dankbar dafür. Denn obwohl er den Adult-Western hiermit aus der Taufe hob, ist „Winchester ’73“ diejenige von Manns Pferdeopern, die am wenigsten psychologisch ist. Erst ganz zum Ende bekommt sie so eine leichte Komponente in diese Richtung, aber das merkt man kaum. Und mehr würde zu diesem ansonsten ziemlich lockeren Stück Filmgeschichte auch überhaupt nicht passen, denke ich. Und weil mir die restlichen Vertreter des guten, alten Anthonys, die ich bisher konsumieren durfte, diesbezüglich oft ein wenig zu viel des Guten (sprich dessen, was alle anderen daran so gut finden) beinhalteten, bin ich darüber auch nur heilfroh. Zwar lag das mit Sicherheit nicht in des Regisseurs Absicht, aber so läuft es im Leben eben manchmal.
Was der große Anthony Mann aber natürlich so beabsichtigte, ist seine sonstige Inszenierung hier. Und die sitzt; das kann man nicht anders sagen. Vollkommen ohne Schnörkel (würde man heute ein Remake drehen, es würde wahrscheinlich wieder zwei Stunden dauern), aber auch ohne Hektik, wahnsinnig lässig und oftmals augenzwinkernd hat er das Ganze hier angeleitet. Mich hat er dabei vor allem mit seinen Action-Szenen überrascht. Schließlich sind dies Sequenzen, die in Psycho-Western, wie er sie vornehmlich drehte, nicht unbedingt an erster Stelle standen. Aber Mann rechtfertigte das Vertrauen, das im Vorfeld in ihn gesetzt wurde, hier vollkommen, denn auch diese sehen großartig aus und machen entsprechenden Spaß. Am besten kommt sein diesbezügliches Talent bei dem Indianerüberfall zur Geltung, aber auch wie im finalen Duell beispielsweise die Kugeln an der einen Felswand abprallen und an der gegenüberliegenden ein zweites Mal wieder einschlagen – das ist einfach klasse! Eine reife Leistung – egal, ob nun für den erst- oder zweitgedrehten Genrebeitrag (vermutlich stellt „Winchester ’73“ ja eher Letzteres dar).
Ebenso gibt es an seiner Darstellerführung hier überhaupt nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil meint man ob James Stewarts erneuter Ausnahme-Performance sofort nachvollziehen zu können, warum er und der kalifornische Regisseur hiernach eine solch fruchtbare Partnerschaft eingehen sollten. Zwar würde ich hier tatsächlich noch nicht so weit gehen zu behaupten, dass er diesen neuen Typus Westerner bereits perfektioniert hatte (das sollte dann in den nächsten Zusammenarbeiten folgen, die wir uns demnächst begucken werden), aber man kann sich in dieser Rolle auch 1950 einfach schon niemand anderen vorstellen – Jimmy Stewart sticht wie immer heraus. Trotzdem gibt es in diesem wirklich namhaften Cast noch zwei weitere Akteure, die ihm tatsächlich ebenbürtig sind, nur lange nicht so viel Screentime haben. Das sind auf der einen Seite John McIntire und auf der anderen natürlich Dan Duryea. Beide haben eine absolute Paraderolle abgekriegt und sind ganz groß! Gerade von Ersterem hätte man daher nur zu gerne noch viel mehr gesehen und bei Letzterem ist es wie so oft unfassbar schade, wie selten er trotz seines immensen Talents eine wirkliche Hauptrolle in diesem Genre ergattern konnte. Zwischen diesen drei Granden überhaupt noch aufzufallen, ist da schon nicht ganz leicht und Stephen McNally beispielsweise kann mit seinem vernünftigen Standard-Bösewicht da auch nicht wirklich gegen anspielen, aber ein Millard Mitchell ist nicht nur wegen seiner sehr coolen Rollenanlage ein richtig guter Sidekick und eine Shelley Winters ist einfach überragend! An der kann man hier gar nicht vorbei. Ihr Blick im Soldatencamp in der Wildnis, wenn sie Steves Absichten durchschaut, sagt z. B. alles! Das ist ganz großes Kino, wenngleich auch in ihrem Fall zugegeben sei, dass ihre Figur ihr es hier auch leicht macht, beim Publikum anzukommen. Ihre Lola Manners ist definitiv die erfreulichste Neuerung gegenüber den althergebrachten Rollenbildern, die dieser erste aller Adult-Western mitbringt. (Von den ansonsten so gut wie immer Erwähnung findenden Tony Curtis sowie Rock Hudson brauchen wir ob ihrer winzigen Rollen gar nicht erst anfangen und lassen wir sie an dieser Stelle daher auch weg, finde ich.) Und wenn du dann denkst, es geht nicht mehr besser, ist der Sheriff im späteren Teil des Films auch noch Ray Teal (sorry, aber ich liebe ihn in dieser Rolle)…
Und jetzt fragt ihr euch natürlich „Geht es denn insgesamt tatsächlich überhaupt noch besser?“. Denn ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich bis hierhin auch nur ein einziges schlechtes Wort über „Winchester ’73“ verloren habe. Ich glaube fast nicht. Von daher wäre diese Frage also absolut berechtigt und die Antwort lautet: Ich bin mir nicht ganz sicher. Denn Manns Ausnahme-Western hat wirklich quasi keine Schwachstelle. Mir gefällt höchstens das Bild, das hier auch weiterhin von den Indianern gezeichnet wird, nicht. Auch „Winchester ’73“ verbreitet noch Weisheiten wie „Indianer greifen nicht bei Nacht an“, „Rauchzeichen bedeuten Gefahr“ und „man braucht bloß den Häuptling erledigen und schon nimmt der Rest der Angreifer Reißaus“, die ich nach wie vor für Klischees halte. Ganz abgesehen davon, dass man, wenn man den Häuptling sieht, der erneut glasklar als lächerlich verkleideter Weißer zu erkennen ist, zuerst lauthals loslachen möchte – bis man erkennt, dass es sich bei dem Schauspieler unter der Perücke um Rock Hudson handelt. Denn dann lacht man wirklich ganz laut auf! Aber er reiht sich ja nur in eine ebenso illustre wie ellenlange Liste weißer US-Darsteller ein, die sich als „Rothaut“ vollkommen zum Horst machen durften und ist daher genauso wie die immer gleichen Versäumnisse Hollywoods gegenüber Amerikas Ureinwohnern bis in die 60er Jahre hinein jetzt nicht unbedingt die Tatsache, die mich hier zu einer anderen Meinung kommen lässt – sonst müsste ich ja so viele große und kleine Streifen dieser Ära nur aus diesem Grunde verteufeln… Und auch, dass es selbst innerhalb dieser köstlichen Geschichte ein paar klitzekleine Ungereimtheiten gibt ((Spoiler) etwa, warum Waco und seine Jungs nicht einfach alle den Hinterausgang benutzen, wenn ihnen die Bude überm Kopf angezündet wird oder warum Sheriff Teal überhaupt solch rabiate Methoden verwendet und einer Familie gleich ihr Eigenheim abfackelt, nur weil sich Banditen darin verstecken (Spoilerende)), ist ja wohl nur zu selbstverständlich, oder? Von daher: Das alles tut dem Filmgenuss (mit der eindeutigen Betonung auf dem zweiten Teilwort) überhaupt gar keinen Abbruch – „Winchester ’73“ ist schlicht und ergreifend einer der allerbesten Beiträge (dieses Genres und der Kinogeschichte generell), die ich je gesehen habe. Einzig dieses wohlige Gefühl der persönlichen Verbundenheit mit diesem Werk, das ich bei einem Sechs-Sterne-Film immer empfinde, wollte sich in diesem Fall bei mir bisher nicht einstellen. Was vielleicht auch an der für die Fülle der Ereignisse dann letztendlich doch fast schon zu knappen Laufzeit liegt… Von daher nochmals: Ich weiß die oben genannte Frage nicht wirklich zu beantworten und bin damit quasi wieder am Anfang dieser Besprechung angelangt.
Denn es gibt auf dieser Welt auch eine Handvoll Filme, die eigentlich alle die absolute Höchstwertung erhalten müssten und mit denen es mir dabei genauso ergeht wie mit „Winchester ’73“. Irgendwie stellt sich bei diesen nie ganz das entscheidende Gefühl ein, das einen Sechs-Sterner von einem Fünf-Sterner unterscheidet. Diese Handvoll Streifen befindet sich bei mir daher quasi in einer Art Warteposition. Denn in der Regel werden solche Werke ja mit jeder Sichtung noch ein Stückchen besser (empfunden) und kann es daher mit jeder weiteren schließlich so weit sein, dass ich meine Meinung doch noch einmal ändere und den entsprechenden Vertreter komplett in meinen persönlichen Olymp erhebe. Auf dieser „Liste“ stehen bei mir im Moment z. B. Streifen wie „Love In The Afternoon“, „The Deer Hunter“, „Collateral“ oder „Inception“. Aus meinem Lieblingsgenre befand sich bisher nur Howard Hawks „El Dorado“ darunter. Aber Anthony Manns „Winchester ’73“ gehört ab heute auch eindeutig dazu! Denn besser geht es wie gesagt eigentlich nicht. Wer in diesem Genre eine – ich kann mich da nur wiederholen – einzigartige wie nie langweilig werdende Geschichte erzählen kann und dazu diese Darsteller unter der Führung dieses Regisseurs auffahren kann, der hat es einfach nicht anders verdient. Ich bin mit Manns sonstigen Werken bisher nie hundertprozentig warm geworden, aber nach diesem Beitrag musste damals alle Welt denken, dass es keinen besseren Regisseur für einen Western geben kann. Eine Sternstunde!
Zur DVD:
Zu „Winchester ’73“ habe ich noch die alte Standard-DVD von Universal aus dem Jahre 2004. Die hat ihrem Alter entsprechend kein überragendes Bild, aber man kann den Streifen auf ihr trotzdem ganz vernünftig gucken. Am Ton fiel mir nichts auf und man darf ja froh sein, dass man damals wenigstens noch den Trailer standardmäßig als Bonusmaterial mit raufpackte. Und obwohl ich sonst überhaupt nichts weiter erwartet hatte, befindet sich im Bonusmenü hierzu tatsächlich noch eine Schaltfläche, über die man ein sogenanntes „Interview mit James Stewart“ auswählen kann, das sich dann unfassbarerweise als ein früher Audiokommentar mit dem legendären Darsteller entpuppt. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt! Von daher wird das irgendwann in ferner Zukunft auch mal der einzige Audiokommentar sein, den ich mir anhören werde; so viel ist sicher. Noch finde ich die Zeit dazu nicht, aber ich freue mich jetzt schon drauf. Zwar werde ich diese Scheibe irgendwann auf jeden Fall gegen eine der mittlerweile verfügbaren BDs zu diesem Streifen austauschen, aber allein wegen dieses „Interviews“ wird diese Scheibe meine Sammlung dann trotzdem nicht verlassen.
Zitate
[Zivilisten begaffen die legendäre, als ersten Preis fürs anstehende Wettschießen ausgezeichnete Winchester der Reihe „One Of One Thousand“] „Die erste davon haben sie dem Präsidenten geschenkt.“ – „Na dann bin ich ja in bester Gesellschaft, wenn ich die gewinne.“(ein selbsternannter Schützenkönig überschätzt seine Reichweite gleich in doppelter Hinsicht)
[als es um das Einschreiben fürs Wettschießen geht] „So, jetzt schreiben sie irgendeinen Namen!“ – „Kann ich auch meinen eigenen schreiben?“(Lin McAdam ist ein Querdenker)
„Wer sind Sie überhaupt?“ – „High-Spade Frankie Wilson – mit einem Bindestrich! An dem halte ich mich fest, wenn ich reite.“(High-Spade Frankie Wilson hat zu viele Comics gesehen)
[in der Nacht vor dem Indianerüberfall] „Und Sie haben keine Angst vor morgen?“ – „Was hätte ich schon davon Sie zu belügen?“ – „Nichts.“ – „Ich habe Angst!“ – „Ich glaube, es gibt Augenblicke, wo jeder Mensch Angst hat.“(Lola Manners knows what matters – und wie man mit Lin umzugehen hat)
[kurz vor dem Indianerüberfall gibt Lin Lola einen Revolver für alle Fälle und sieht sie fragend an] „Ich kann damit umgehen – auch mit der letzten Kugel…“(Lola Manners weiß angesichts der Unvorsicht, mit der sie die Patronen in der Waffe in der Folge verschießt, offensichtlich nur nicht, welche Kugel die letzte ist…)
[über die Verfolgung und die daraus resultierende Schießerei seiner Leute durch den Sheriff Noonan (Ray Teal)] „Das ist Abendunterhaltung in Texas, das haben wir jeden Sonntag hier!“(Waco Johnny Dean war früher mal Kartenabreißer im Zirkus)
[Waco bietet Lola eine Zigarette an; diese lehnt ab] „Keine schlechten Eigenschaften?“ – „Nein, aber schlechte Gesellschaft.“(Lola Manners weiß mit die Männers umzugehen)
[über Waco Johnny Dean] „Ich hab manchmal den Eindruck, dass er nicht ganz richtig ist.“ – „Ich auch, aber ich sprech nicht drüber.“(ein Bandenmitglied von Waco bricht gegenüber dem anderen sein Schweigen)
[Lola spielt mit einer Patrone rum, die Lin ihr zum Abschied und Andenken an ihn geschenkt hat] „Ist das was für eine Frau?“ – „Die hab ich geschenkt bekommen – von Ihrem Freund auf dem Bild.“ – „Kennen Sie ihn näher?“ – „Ja.“ – „Dann haben wir etwas gemeinsam – dasselbe Geschenk möchte er mir auch gerne machen.“(Dutch Henry Brown weiß, wie lieb ihn sein Bruder hat)
[über Dutch Henry Brown] „Seit wann kennen Sie ihn denn?“ – „So lange, dass ich Ihnen sagen kann, woher er die Narbe über dem rechten Auge hat: Die hat er von mir bekommen, als Kind…“ – „Und wo soll die nächste hin?“(Waco Johnny Dean ist nebenberuflich Chirurg)
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