The Keeping Room – Bis zur letzten Kugel

The Keeping Room

★★★ +

  • Jahr: 2014
  • Regie: Daniel Barber
  • Darsteller: Brit Marling, Muna Otaru, Hailee Steinfeld, Sam Worthington, Kyle Soller...

Story

Die beiden Unionsdeserteure Moses (Sam Worthington) und Henry (Kyle Soller) ziehen gegen Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges frauenvergewaltigend und -mordend durch den männerverlassenen Süden. Als nächstes Opfer haben sie sich Augusta (Brit Marling) ausgeguckt, die allein mit ihrer Schwester Louise (Hailee Steinfeld) und der Sklavin Mad (Muna Otaru) auf der heimischen Farm zurückgeblieben ist. Also dringen sie abends in das Wohnhaus der drei Frauen ein…

Worte zum Film

Genremix aus Western und Horrorfilm; damit einhergehend nicht gerade historisch korrekt in der Darstellungsweise; verstörend, aber lange nicht so spannend, wie man meinen sollte; stylische, aber völlig verwackelte Bilder

Bewertung

Verstörender Genremix, den Daniel Barber da 2014 auf uns losgelassen hat und der seine Wirkung nicht verfehlt, aber auch lange nicht so gut ist, wie er gemeinhin dargestellt wird. Auch würde ich die zugrundeliegenden Genres eher als Western und Horrorfilm deklarieren und nicht, wie in der Regel zu lesen ist, als Western und Thriller. Schließlich ist dieser ebenso menschenleere wie menschenverachtende Süden, den Barber hier kreiert, kein Spannungs-, sondern ein Schock-Element. Tatsächlich wartet man schon fast darauf, dass Heldin Augusta (Brit Marling) bei ihrem Ausritt zu Beginn gleich einem Zombie begegnen wird, der um die Ecke schlurft (und viel appetitlicher wird ihre Begegnung mit einer ehemaligen Nachbarin dann auch nicht).

Und wie in erzähltechnisch ähnlichen Streifen wie „The Neon Demon“ oder dem österreichischen Indie-Schocker „Ich seh, ich seh“ breitet auch Drehbuchautorin Julia Hart ihre Geschichte um drei Frauen, die sich einer Home Invasion durch zwei desertierte, gewaltgeile Nordstaatler ausgesetzt sehen, erst ganz langsam vor und dann ganz langsam aus. Das kann einem, gerade da man natürlich genau weiß, was passieren wird, zu Beginn dann schon ein wenig die Lust nehmen, zumal Barber das Alles auch nicht immer superspannend umgesetzt hat und sein Bürgerkriegs-Westen einen eher an eine Faschingsparty erinnert. Realistisch ist das alles nicht unbedingt, aber das soll es – Stichwort Horror – auch nicht unbedingt sein.

Die Schau- und Schockwerte stehen definitiv im Vordergrund und wenn es die zwei Scheißkerle Moses (Sam Worthington) und Henry (Kyle Soller) endlich zum Haus von Augusta, deren Schwester Louise (Hailee Steinfeld) und deren Sklavin Mad (Muna Otaru) geschafft haben, wird es auch endlich spannend. Dann aber auch so richtig. Und auch richtig fies! Dieses Kammerspiel ist nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete. Und es hält in dieser Phase mit dem Tod des schwarzen Bill (Nicholas Pinnock) auch noch einen richtigen Wow-Moment bereit (ich glaube heutzutage sagt man eigentlich eher „Wtf-Moment“, aber ich kann dieses Wort einfach nicht ab und von daher benutze ich es auch nicht).

Das Ende ist dann wieder wesentlich hingezogener und schwächer (wieso lässt Moses sich am Schluss einfach so abschießen?) und nervt zudem mit seinem Friss-mich-oder-stirb-Feminismus, der aus der dramaturgisch gewollten Falschdarstellung der historischen Umstände resultiert. Das Schlussbild gerät so äußerst bizarr.

Gespielt ist das Ganze sehr ordentlich (einzig Sam Worthington ist erstaunlich ausdruckslos) und insbesondere Brit Marling empfiehlt sich hiermit eigentlich für Höheres – gekannt habe ich sie vorher allerdings gar nicht (und „The Keeping Room“ ist mittlerweile ja auch schon wieder sieben Jahre alt (Stand: September 2021)).

Barbers Regie ist durchaus atmosphärisch, aber das Sehvergnügen wird durch eine Tatsache leider ständig getrübt: Dadurch, dass Kameramann Martin Ruhe hier komplett auf Handkamera setzte und diese entweder keinen vernünftigen Bildstabilisator hatte (was man mit Blick auf das Baujahr 2014 wohl ausschließen dürfte) oder aber merklich schwanken und wackeln sollte (schwächere Adjektive darf man bei diesem Geruckel wirklich nicht verwenden), gerät das Werk so dermaßen unruhig, dass ich regelmäßig meinen Fernseher angemeckert habe. Mich macht sowas aggressiv. Man kann auch ohne solchen Firlefanz Dynamik reinbringen.

Allein diese Eigenart dürfte es mir sehr schwer machen, „The Keeping Room“ in nächster Zukunft nochmal in meinem Player rotieren zu lassen. Aber auch ansonsten ist dieses am Ende doch recht langgezogene, wenngleich in den entscheidenden Momenten definitiv ziemlich spannende Horror-Western-Experiment nicht unbedingt immer mein Fall gewesen. Zwar erzielt es die gewollte, verstörende Wirkung und auch die starken Frauenhauptrollen sind eine willkommende Abwechslung, aber wenn man für die damit leider einhergehenden, auf Teufel komm raus gewollten Feminismus-Aussagen so sehr in unrealistische Darstellungsweisen abdriften muss (die fehlende Historizität ist eine Sache, Mads erstaunliche Abgebrühtheit angesichts des Todes ihres unverhofft wiedergefundenen Liebsten aber z. B. eine ganz andere), dann spricht man damit wohl eher die Fans des zweiten, beigemischten Genres an. Wie gesagt, „The Keeping Room“ ist eben zu einem großen Teil auch ein Horrorfilm und ich bleibe daher wohl lieber bei meinen liebgewonnenen klassischen Genrebeiträgen.

★★★ +

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