Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel

Heaven’s Gate

★★★ —

  • Jahr: 1980
  • Regie: Michael Cimino
  • Darsteller: Kris Kristofferson, Isabelle Huppert, Christopher Walken, Sam Waterston, Jeff Bridges, John Hurt, Brad Dourif, Joseph Cotten…

Story

Havard-Absolvent James Averill (Kris Kristofferson) ist zwanzig Jahre nach seinem Abschluss Sheriff von Johnson County. Als dieser bekommt er Wind davon, dass die Viehzüchtervereinigung von Wyoming, die den schier unendlichen Strom osteuropäischer Einwanderer, die aus ihrer Sicht ihren Rindern das Weideland wegnehmen, satt hat, diesen Leuten den Krieg erklärt, eine Todesliste mit 125 Namen darauf erstellt und eine Horde von 50 Killern anheuert, um diese abzuarbeiten. Der Name seiner Geliebten Ella Watson (Isabelle Huppert), einer Hure und zugleich Bordellbetreiberin, steht auch auf der Liste. Er bittet sie daher, mit ihm fortzugehen, aber sie lehnt ab, da sie außer für ihn noch für den für die Viehzüchter arbeitenden Nathan D. Champion (Christopher Walken) tiefe Gefühle entwickelt hat. Selbst als dieser nach dem Versuch, sich gegen seine Auftraggeber aufzulehnen, erschossen wird, lässt sie sich nicht umstimmen und schlägt sich vollends auf die Seite der armen Siedler. Diese haben sich mittlerweile dafür entschieden, den anrückenden Revolvermännern unter der Führung des Vereinigungssprechers Frank Canton (Sam Waterston) geschlossen entgegenzutreten. Und so nimmt am Ende auch Jim an dem sich daraus entwickelnden großen Gefecht zwischen den rivalisierenden Parteien teil, dass beide Seiten, vor allem aber die der im Kampfe unerfahrenen Migranten, mit herben Verlusten bezahlen müssen und welches keinen rechten Sieger finden kann, da anrückende Soldaten es kurzerhand beenden sowie die Leute der Viehzüchtervereinigung schnell in Gewahrsam nehmen, bevor diese von der erregten Meute noch alle erschossen werden. Nach diesem Ausgang erklärt Ella sich endlich bereit, mit Averill zu gehen, wird aber am Tage der Abreise von Canton und seinen Männern ermordet, da diese James für ihre gefühlte Niederlage verantwortlich machen. Zwar gelingt es diesem im Gegenzug auch den Vereinigungssprecher zu töten und daraufhin ein alter Mann zu werden, aber verwinden wird er seinen Verlust wohl nie.

Worte zum Film

gute Darsteller, gute Kamera, ungewöhnliche Musik, größenwahnsinnige, aber beeindruckende Regie; zähe, langatmige, langweilige, weil nie zugängliche Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Johnson County War; zuerst realistisch hält man sich gegen Ende nicht an die historischen Fakten; ein Monument menschlicher Selbstüberschätzung

Bewertung

Zum Film:

Die Erkenntnis ist traurig und gerade nach einem Dreieinhalb-Stunden-Marathon wie „Heaven’s Gate“ nur schwer zu ertragen, aber: Michael Cimino war offensichtlich leider nur ein One Hit Wonder. Gut, das sage ich jetzt, nachdem ich gerade mal die ersten drei seiner insgesamt bloß sieben Langfilme gesehen habe (sein Segment in „Chachun Son Cinéma“ lassen wir jetzt mal außen vor), aber vom Rest ist ja auch höchstens noch der hierauf (in dem Abstand, den ein finanzielles Fiasko wie dieses hier begründet) folgende „Year Of The Dragon“ wirklich interessant; der Rest seiner Filmografie genießt ja einen eher zweifelhaften Ruf… Und nachdem ich „Heaven’s Gate“, wie man sich fast denken kann, irgendwann in Jugendjahren als allererstes seiner Werke schon anderthalbmal durchgestanden hatte und ihn grottenschlecht fand (ich brauchte damals zwei Anläufe, weil ich beim ersten tatsächlich nur die ersten zwei Stunden schaffte; der Rest lag dann für n halbes Jahr auf Eis, bis ich’s ganz durchzog), erlebte ich danach zwei Aha-Effekte. Zuerst traute ich meinen Augen kaum, als ich mir ein paar Jahre später „The Deer Hunter“ gönnte. Schließlich hatte ich nichts erwartet und bekam alles geliefert – ich war überwältigt! Und genauso enttäuscht war ich dann wieder von „Thunderbolt And Lightfoot“, der zwar lange nicht so schlecht ist wie dieser Vertreter hier, sich mit ihm aber immerhin die Eigenart teilt, dass auch er nie wirklich in Fahrt kommt. Daher gingen erneut Jahre ins Land, bis ich mir Ciminos Frühwerk mal wieder vorgenommen habe, um meine damaligen, jugendlichen Einschätzungen noch mal einer Probe im Erwachsenenalter zu unterziehen. Hat ja manchmal schon zu einer Meinungsänderung geführt. Angefangen habe ich dann allerdings, wie man das ja machen soll, mit dem Guten, also mit „Die durch die Hölle gehen“, gestern gefolgt vom „Tor zum Himmel“ und „Die Letzten beißen die Hunde“ werde ich mir daraufhin schenken. Noch so eine Ernüchterung kann ich gerade wirklich nicht gebrauchen. Denn diese beiden Streifen haben mir bereits alles bestätigt, was ich damals schon begriffen hatte (man sollte manchmal auch einfach auf sein eigenes Urteilsvermögen vertrauen): Während „The Deer Hunter“ ein absolutes Meisterwerk ist, ist „Heaven’s Gate“ leider nur ein hoffnungslos überladenes, an den nach den Sternen greifenden Ambitionen seines Regisseurs scheiterndes Monument menschlichen Größenwahns. So traurig das wie gesagt auch ist…

Dabei ist es mitnichten so, dass man sich – wie bei der Durchsicht des Oeuvres so manches anderen Filmemachers – verwundert die Augen reiben und sich fragen würde, ob für beide Ausstöße wirklich ein und dieselbe Person verantwortlich sein kann. Ganz im Gegenteil ist es sogar ganz offensichtlich, dass derselbe Kopf, der uns mit den Bildern der Fete zu Beginn von „Die durch die Hölle gehen“ verzückte (die wohl eindrucksvollste, mitreißendste, realistischste, interessanteste und damit beste Hochzeitsparty der Filmgeschichte), hier erneut die pompösen Feierlichkeiten, mit denen auch „Heaven’s Gate“ startet, inszenierte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Cimino, dessen Name im sehr klassisch gehaltenen Vorspann (den darf sich ein solch überlanger Streifen dann ja wohl auch mal gönnen) übrigens vor dem Titel geführt wird (also „Michael Cimino’s…“), was in der Regel ja Regisseuren vorbehalten ist, die sich bereits einen solchen gemacht haben, damit gleich mal ein Alleinstellungsmerkmal für seinen Abgesang kreiert (zumindest ist mir kein anderer Western bekannt, der an einer Universität (hier gleich gar in Havard) beginnt), gibt er damit auch gleich die weitere Marschrichtung vor: hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt! Die Millionen und Abermillionen, die der gebürtige New Yorker für den bekanntermaßen völlig aus dem Ruder gelaufenen Dreh verpulvert hat (am Ende stolze 44 Millionen Dollar, bei einem veranschlagten Budget von 20…), sind sofort zu sehen. Die Ausstattung ist herrlich verschwenderisch und bei den dargebotenen Tanzszenen wähnt man sich fast in einem Kostümfilm, der noch ein paar Jahrzehnte vor den Ereignissen dieser Geschichte (noch schreiben wir das Jahr 1870) spielt.

Auch des Spielleiters Vorliebe für Massenszenen kommt so sofort zum Ausdruck und damit ebenso seine Begabung für ebensolche. Denn eins sei gleich zu Beginn dieser Bewertung klargestellt: Dass „Heaven’s Gate“ seinerzeit scheitern musste und heutzutage weiterhin durchfällt, liegt ganz gewiss nicht an Ciminos inszenatorischen Fähigkeiten. Nein, diese stellt er vielmehr konstant unter Beweis. Sein Talent ist an allen Ecken und Enden zu merken, förmlich zu spüren und sein kreativer Geist daher quasi omnipräsent. Alles ist mit so viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt, dass man sich seinen sprichwörtlich gewordenen Perfektionismus während der Dreharbeiten nur allzu leicht vorstellen kann. Schaut euch nur diese Straßenschluchten von Casper an und wie er sie mit Leben gefüllt hat! Beeindruckend ist das. Und nicht nur das: Das sieht zusätzlich alles verflixt realistisch aus und war es zu einem Großteil sicherlich auch, da er im Gegensatz zu früheren Vertretern nichts mehr verherrlicht.

Allerdings war Cimino eins nicht: ein Western-Regisseur. Zumindest war er nicht so, wie ein solcher meiner Meinung nach sein sollte. Denn sofort bei der ersten Handgreiflichkeit zwischen Protagonist James Averill (Kris Kristofferson) und einem Handlanger der Viehzüchtervereinigung von Wyoming offenbart er seine Schwäche für Action-Szenen, insbesondere Faustkämpfe. Das erklärt wohl auch, warum es selbige (und gerade Auseinandersetzungen, die mit der Faust geklärt werden) sowohl in „The Deer Hunter“ als auch hier so gut wie nicht gibt. Nun müsste das alleine und selbst in einem Vertreter eines Genres, das sich gerade auch über diese Art der Konfliktlösung definiert, ja noch kein Nachteil sein, aber wenn es dann doch mal auf die Mütze gibt und das – gerade im Vergleich zum über jeden Zweifel erhabenen Rest – so schwach aussieht, ist es mit Sicherheit auch kein Pluspunkt ((Spoiler) als Beispiel sei hierbei die ansonsten wirklich beeindruckende Vergewaltigungsszene von Isabelle Hupperts Ella Watson angeführt: das Verbrechen an sich ist äußerst beklemmend und damit gut dargestellt, der zugehörige „Shootout“ eher weniger gelungen (Spoilerende)). Zumal Cimino eben auch in „Heaven’s Gate“ keinen Hehl daraus macht, dass er lieber Innen- statt Außenszenen dreht, denn darin ist er ebenfalls spitze. So kommt es ihm also zugute, dass der amerikanische Spätwestern sich aufgrund seiner meist pessimistisch-nihilistischen Aussagen ja gerne mal nach „drinnen“ zurückzog und dunkle, karge Hütten und Räume als Schauplätze des Geschehens an Bedeutung gegenüber klassischen Vertretern gewannen, aber die Pferdeoper bleibt nun mal eine Spielart, die sich dort nicht über ihre gesamte Laufzeit aufhalten kann. Und so muss auch der New Yorker hier ab und an mal nach „draußen“ wechseln, was – gerade ob der traumhaften Kulissen, die man mit Sicherheit mit der größten Sorgfalt auswählte, aber eben auch seiner großen Fähigkeiten – keinen Qualitätsverlust bedeutet, aber mir persönlich einmal zu selten geschieht, um mich wirklich in einem vollwertigen Western zu fühlen. Cimino hingegen fühlte sich in seinen kostspielig erbauten Häusern und Hütten eben doch sichtlich wohler.

Aber auch das allein wäre ja noch keine Schande und „Heaven’s Gate“ bei entsprechend guter, sonstiger Umsetzung mit Sicherheit trotzdem ein sehr sehenswerter Beitrag geworden. Allerdings hatte dieser Michael Cimino während des Drehs ganz unabhängig von seiner generellen Befähigung für dieses Genre eine andere Sache absolut nicht im Griff und die bricht diesem Streifen das Genick, nämlich: Michael Cimino. So würde ich es jetzt zumindest beschreiben. Klar könnte ich jetzt auch einfach sagen, dass er einfach ein katastrophaler Drehbuchautor war und vielleicht stimmte das dann sogar, aber ich will es ehrlich gesagt nicht so ganz glauben. Denn ja, bei seinem Vorgängerfilm „Die durch die Hölle gehen“ war er laut Stabsangaben nur an der Idee zur Story beteiligt, während den Credit für das Script letztendlich Deric Washburn bekam, aber ich kann mir ganz einfach nicht vorstellen, dass ein Pedant wie Cimino, der zusätzlich genau damit (mit dem Drehbuchschreiben) in Hollywood großgeworden ist, da während der Umsetzung desselben nicht noch einige Änderungen dran vorgenommen hat. Und dem hat’s ja auch nicht geschadet. Aber wie dem auch sei, es steht jedenfalls fest: Bei „Heaven’s Gate“ ist man sich während der Betrachtung teilweise gar nicht mehr sicher, ob ihm überhaupt ein Drehbuch zugrunde lag oder ob vieles nicht einfach auch improvisiert ist. Denn seine Grundstory kann man höchstens als roten Faden bezeichnen, auf dem ihr Autor seine ausschweifenden Szenen aufreiht. Ansonsten aber verzettelt sich dieser ständig und verrennt sich in seinen eigenen Gedanken und Ansprüchen oder nennen wir es, wie es ist: in seinem eigenen Größenwahn. Schließlich sollte sein Film offensichtlich alles bisher Dagewesene an die Wand blasen.

Nehmen wir beispielsweise seine eben bereits genannten, „spektakulären“ Introszenen in Havard. Spektakulär ist an diesen nur die beschrieben aufwendige, großangelegte Hülle ihrer Inszenierung; inhaltlich hätte sie jeder normale Mensch aus dem Drehbuch gestrichen, weil sie null Aussagekraft für die kommenden Ereignisse haben (und einen als Ausländer oder wahrscheinlich schlicht Nicht-Absolventen zusätzlich dadurch nerven, dass man die dargestellten Gebräuche nicht kennt und diese daher nur schwer nachvollziehen geschweige denn verstehen kann). Sie dienen schlussendlich nur zur Visualisierung von Averills sozialem Hintergrund und sagen einem so, dass dieser von höherem Stande war und sich folglich mit den Problemen der kleinen Leute, um die es im Folgenden gehen soll, nicht befassen müsste (klar, die Szenen schlagen auch eine Brücke zum ebenso vollkommen überflüssigen „Ende nach dem Ende“, aber dazu kommen wir gleich nochmal). „Oh wow!“, denkt man sich, wenn man das irgendwann mal begriffen hat, „Dafür habe ich jetzt so lange still gesessen?“. Zwar fasst sich Cimino diesbezüglich für seine Verhältnisse ja noch relativ kurz, aber ein kurzer Satz des Bahnangestellten Cully (Richard Masur) beim anschließenden Gespräch mit Jim darüber und der Effekt wäre der gleiche gewesen. Und das Bild des in der Bahn aufwachenden, gealterten James Averill (dann eben nicht mehr mit diesem „20 Jahre später“-Schriftzug) zu Filmbeginn wäre für mich ebenso eine weitaus größere Wohltat gewesen als dem völlig sinnentleerten Geschwafel von John Hurts Charakter William C. Irvine lauschen zu müssen. Und dass Joseph Cotten, wenn man ihn schon hierfür gewinnen konnte, keine größere Rolle abgekriegt hat als die des genauso nervig vor sich her redenden Uni-Direktors, ist sowieso eine Unterlassungssünde. Da hätte man dann auch einen anderen Part für ihn finden müssen. Es wäre für alle Parteien besser gewesen.

Und das ist ja erst der Auftakt zu dieser völlig überladenen Show. Wenn Cimino danach seine Story bringen und diese einfach so viel Raum brauchen würde, wie er ihr in den folgenden, ich schätze nochmal so bummelig drei Stunden gewährt, wäre ja alles in Ordnung. Aber dem ist nicht so. Zuerst einmal muss man dazu wissen, dass auch „Heaven’s Gate“, ähnlich wie etwa der vom selben Thema inspirierte „Shane“, fast seine komplette Laufzeit über nur vor dem Hintergrund des Johnson County War spielt. Denn nachdem Averill, der mittlerweile Sheriff ist, herausbekommen hat, dass die Viehzüchtervereinigung von Wyoming (englisch Wyoming Stock Growers Association, kurz W.S.G.A.) die osteuropäischen Einwanderer, die sich um 1890 auf den Flächen breitmachen, die sie als „ihre Weiden“ ansehen, damit vertreiben möchte, dass man auf einen Großteil von ihnen mit Hilfe einer eigens angefertigten Todesliste mit 125 Namen drauf und 50 Revolvermännern für deren Vollstreckung Jagd machen möchte, geht es erstmal stundenlang um eine ganz andere Geschichte, nämlich Jims persönliche. Dieser führt eine Beziehung mit der Bordellbetreiberin Ella Watson, die durch sein stoisches Gemüt sowie die Tatsache, dass er nicht der einzige Werber um ihre Gunst ist, nicht gerade einfach zu nennen ist. Ella liebt nämlich nicht nur ihn, sondern auch den Weidedetektiv Nathan D. Champion (Christopher Walken). Und als wäre das nicht alles schon kompliziert genug, ist James der Sheriff von genau dem Johnson County, das mit den osteuropäischen Migranten überflutet ist, in dem Ella ihren Puff betreibt und in dem Nate, für die Gegenseite der W.S.G.A. arbeitend, ihr mitteilen muss, dass sie in dem Verdacht steht, für ihre Dienstleistungen auch gestohlenes Vieh anzunehmen.

So weit, so gut, so verständnistechnisch doch ganz simpel ist das Ganze. Aber nur in der Theorie. In der Praxis hat Cimino, der eine Vorliebe für Dreiecksbeziehungen zu haben scheint (schließlich war eine solche schon ein Kernpunkt der Handlung von „The Deer Hunter“ und auch zu Beginn hat nicht nur Jim, sondern auch William ein Auge auf eine besonders hübsche Besucherin der Feierlichkeiten geworfen), mit dem bisschen, was ich eben flink zusammengefast habe, locker zwei Stunden gefüllt. Und das meine ich auch genau so, wie ich es sage, also anders ausgedrückt: Diese Infos, die normalerweise in die Exposition einer Filmstory gehören würden und aus denen sich dann normalerweise erst der eigentliche Plot entwickeln würde, werden einem nur ganz allmählich häppchenweise zugeworfen und bilden so mehr oder weniger den Plot. Und das ist genau so ernüchternd wie es klingt… Beziehungsweise kann es rein theoretisch natürlich auch sein, dass ich das nur so empfinde, weil ich mit Ciminos Erzählstil hier nicht klarkomme, aber das liefe im Endeffekt ja nur auf dasselbe hinaus. Denn seine vorhin bereits angerissene Eigenart, immer und immer wieder länger in eigentlich völlig unwichtigen, weil nebensächlichen Ereignissen zu verharren, gar darin zu schwelgen und sich zu baden, führt dazu, dass ich nie richtig in die Geschichte reingekommen bin. Immer dann, wenn diese sich dann doch mal ein Stück nach vorne zu bewegen scheint, baut Cimino eine Sequenz wie den unendlich langgezogenen Tanz auf Rollschuhen in diesem unfassbar großen Zelt ein und man ist wieder raus. Dann schaut man ein paar Minuten teilnahmslos bis gelangweilt auf den Bildschirm (und wenn man denkt, es geht wieder voran, tanzen James und Ella nochmal ne Runde alleine weiter), rafft sich irgendwann ob der wie gesagt nicht abzustreitenden Schönheit der Bilder wieder auf und kriegt das nächste Brett vor den Kopf geknallt. Denn wenn der Tanz dann endlich doch mal von allen Beteiligten ausgetanzt ist, stellen sich die beiden Protagonisten nur stumm an den See und schauen aufs Wasser. Bezüglich ihrer Beziehung kommen sie aber nicht weiter… Dieses Spiel in gefühlter Endlosschleife bedeutet einfach ausgedrückt, dass die Geschichte hier nur etwa alle zehn Minuten mal einen klitzekleinen Schritt nach vorne macht und ansonsten in sich selbst und ihrer stilvollen Bebilderung verharrt. Da kann mir dann doch wohl niemand böse sein, wenn mir das irgendwann zu viel geworden ist, oder?

Und bevor jetzt jemand einwirft „Das war doch aber in ,Die durch die Hölle gehen‘ nicht anders.“: Diese Aussage stimmt so nicht. Es ist zwar korrekt, dass sich Ciminos Regiestil in den zwei Jahren nicht großartig verändert hat und er auch seinen Oscarpreisträger stellenweise – konkret also gerade zu Beginn – ähnlich ausschweifend in Szene gesetzt hat. Aber da verfolgte er mit diesen Darstellungen ein höheres Ziel, nämlich die Portraitierung einer bestimmten Bevölkerungsschicht zum Zwecke des besseren Verständnisses und der richtigen Einordnung der folgenden Entwicklungen. Dieses Ziel kann ich hier nirgends erkennen. Die ganzen kleinen Höhepunkte, die er in „Heaven’s Gate“ aneinanderreiht und die für sich genommen formell wie gesagt spitzenmäßig gelungen sind, feiern einzig ihre Schönheit und damit sich selbst (und natürlich ihren Regisseur). Insgesamt gesehen sind sie aber viel zu zahlreich sowie viel zu lang geraten und entfalten darüberhinaus nie die Sogwirkung ihrer angeblich ähnlich geratenen Brüder und Schwestern aus „The Deer Hunter“. Auch die dort vorhandene Dreiteilung der Geschehnisse, die zu einer wesentlich besseren Einordnung des Gesehenen beiträgt, oder sagen wir besser überhaupt eine Unterteilung der Handlung hat man nicht mit über- bzw. vorgenommen (sehen wir von der überflüssigen Einleitung sowie  einer völlig uninspirierten und auf Teufel komm raus eingebauten Intermission mal ab). Hätte zwar nicht sein gemusst, bestimmt aber doch geholfen. Und so denkt man hier bereits nach der Szene mit den Hahnenkämpfen (die es aus anderem Grunde ja ebenfalls zu einiger Berühmtheit und vor allem Nachwirkung brachte), dass nun so langsam mal was passieren dürfte, damit man vom Kopf her nicht wegdriftet – und da ist bestimmt erst eine Stunde des Streifens vorbei… Wie lang einem der Rest dann irgendwann vorkommt, muss ich wohl nicht weiter ausführen, oder? Das „Tor zum Himmel“ blieb mir so jedenfalls verschlossen…

Und jetzt wird’s paradox: Obwohl Cimino sich so viel Zeit für sein bisschen Story nimmt und der Streifen dadurch so unfassbar lang geworden ist, lässt er sehr viele Fragen unbeantwortet. (Spoiler) Was ist zum Beispiel in der Zwischenzeit passiert, wenn Nate nach einem Szenenwechsel mit einem Male abends bei Ella auftaucht und deren Beziehung eingeführt wird? Da liegt James mit einem Male – ich schätze – besoffen auf dem Bett und wird vom Weidedetektiv in die Stadt gebracht? Averill macht sonst nicht den Eindruck eines Alkoholikers… Dass er überhaupt abtransportiert werden muss, sagt ja bereits viel über die „Liebe“ zwischen ihm und der Watson aus, oder? Warum reißt Cully, nachdem er den Zug mit den Revolvermännern der Vereinigung gesehen hat, so Hals über Kopf aus? Steht sein Name ebenfalls auf der Liste? Kann man sich zwar gut vorstellen, aber: Warum bleibt er dann denn nicht einfach da, wo er ist bzw. reitet in die andere Richtung weg? Der läuft denen ja genau in die Arme… Wie kommen diese Baseball spielenden Milizen eigentlich an die Todesliste und was haben die sonst für eine Funktion? Die tauchen nur dieses eine Mal auf (und sorgen ansonsten eben nur dafür, dass „Heaven’s Gate“ auch so ziemlich der einzige Western ist, der diese Sportart in ihrer frühen Form präsentiert). Was passiert, nachdem James die Liste den Siedlern vorgelesen hat? An dieser Stelle erfolgt ein harter Cut. Ganz nebenbei bemerkt: Muss er wirklich so viele der 125 Namen auf ihr vorlesen? Hätten es nicht auch die ersten drei getan? Wieso lässt es Frank Canton, der Anführer der von der W.S.G.A. angeworbenen Truppe, erst geschehen, dass Nathan einen seiner Leute aus nächster Nähe einfach so erschießt und tut nichts, nur um dann umständlich zu Champions Hütte zu reiten und das Ganze doch noch nachzuholen? Haben ja wohl viel Zeit die Jungs. Und woher war Nate, der von der ganzen Organisation ja nichts gewusst haben will, offensichtlich sofort klar war, wohin er bzgl. seiner kleinen Vendetta zu reiten hat? (Spoilerende) Oder wird das alles auf irgendeiner Metaebene geklärt und ich bin zu blöde das zu kapieren?

Vielleicht liegt es ja auch einfach daran, dass man in „Heaven’s Gate“ generell nicht so viel verstehen kann. Also rein akustisch jetzt. Denn erstens legt Michael Cimino ja so schon wenig Wert auf das gesprochene Wort und zweitens ist es selbst in Szenen mit wörtlicher Rede stellenweise sehr schwer dieser zu folgen. Das liegt daran, dass erstens die Abmischung wenigstens der deutschen Tonspur (ich schätze aber eher, dass wir uns das nicht ausgedacht haben) nicht stimmig ist (die Hintergrundgeräusche sind viel zu laut und nicht selten reden zwei und mehr Leute gleichzeitig), zweitens eine Figur wie die des völlig überflüssigen William C. Irvine angeblich ständig so sternhagelvoll ist, dass sie nur noch lallen kann und es drittens zwar eine Menge Dialog in irgendwelchen osteuropäischen Sprachen gibt, dieser aber nie untertitelt ist. Das alles sollte diesem Werk wohl zu mehr Authentizität verhelfen, aber mich nervt es einfach nur ab. Gerade mit zunehmender Spieldauer, gerade wenn die Migranten gegen Ende immer öfter und immer lauter durcheinander schreien. Da könnte ich bei durchdrehen…

Immerhin kann einem eines so schlecht passieren: dass man tatsächlich Mitleid mit diesen Siedlern entwickelt. Ja, das klingt jetzt hart und nein, natürlich sympathisiere ich im Gegenzug nicht mit den als vollkommen skrupellos dargestellten Viehzüchtern und ihren Leuten, aber jetzt stellt euch doch bloß mal vor, man würde tatsächlich richtig mit den armen Menschen da mitfiebern! Dann würde man ja komplett durchdrehen, weil niemand etwas tut, und sich im Nachhinein über die Qualität dieses Films ja nur noch mehr ärgern, weil man in ihm eine verpasste Chance sähe. Eine verpasste Chance der Beteiligten, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärungsarbeit bezüglich alter Hollywood-Wildwest-Mythen geleistet zu haben. Das ist „Heaven’s Gate“ meiner Meinung nach aber eindeutig nicht in Gänze. Und zwar wie man es dreht und wendet nicht. Ob man das nun abhängig oder unabhängig von seiner Länge und formellen Qualität her tut. Denn das liest man, gerade in neueren Kritiken hierzu, ja doch immer mal wieder: dass Cimino ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte behandle und dass er dabei nichts beschönige etc. Das ist so gesehen auch nicht falsch, verschweigt aber die andere Hälfte der Wahrheit, die ich bis heute noch nirgendwo gelesen habe (was allerdings daran liegen mag, dass ich mir auch nicht alles reinziehen kann).

Von daher will ich mal versuchen, Ciminos Ansatz beim Drehbuchschreiben zu erläutern. Er bedient sich hier nämlich nicht des „Stilmittels“ der Beschönigung, sondern er streut ganz im Gegenteil ordentlich Salz in seine Suppe und stellt die Situation sogar noch schlimmer dar, als sie es in Wirklichkeit war. Ob das nun auch für die Ausgangsposition so gilt, weiß ich nicht genau (dafür müsste man dann aber auch wirklich noch ein wenig tiefer ins Thema einsteigen). Ich weiß nicht genau, ob das Land damals wirklich so dermaßen von Siedlern überlaufen war, aber das mag ja noch so sein und ist meines Erachtens auch nicht wichtig (und sonst könnte der Regisseur hier ja gar nicht seine Massenszenen an den Mann bringen, also nehmen wir das an). Dass das aber durch die Bank Osteuropäer waren, halte ich für ziemlichen Quatsch. Das liegt sicherlich nur an Ciminos offensichtlicher Sympathie für diese Bevölkerungsgruppe (denn wessen Nachfahren waren Michael, Nick, Steven, Stan und die anderen, Protagonisten aus „Die durch die Hölle gehen“, noch?). Die Namen der wirklichen Akteure von damals, also zumindest von den paar, die man regelmäßig im Zusammenhang mit dem Johnson County War liest, klingen jedenfalls alle nicht sonderlich danach. So wie die der echten Ellen Watson und Jim Averell (das dürften ihre richtigen Namen sein) zum Beispiel. Die gab’s nämlich wirklich und beide waren auch ein Pärchen, allerdings waren sie Homesteader (und wohl auch Geschäftsleute) und wurden genau deswegen bereits am 20. Juli 1889 (sprich eine ganze Weile vor den Geschehnissen in „Heaven’s Gate“) von sechs Cowboys gehängt. Aber das nur am Rande. Der echte Nate Champion und sein Schicksal sind da schon wesentlich interessanter. (Spoiler) Zwar war auch dieser natürlich mitnichten ein Weidedetektiv, der die Seiten gewechselt hat, sondern ein Kleinfarmer mit ca. 200 Rindern, aber immerhin hat sich sein Tod zumindest entfernt so abgespielt. Tatsächlich wurde er von der ca. 50 Mann starken Truppe, die die W.S.G.A. zur Durchsetzung ihrer tatsächlich existenten Todesliste (auf der in Wirklichkeit allerdings „nur“ etwas mehr als 70 Namen standen) im April 1892 von Cheyenne aus Richtung Johnson County schickte, auf der KC Ranch (die wohl zwei Häuser mehr gehabt haben wird als die Blockhütte, die im Film seine letzte Zuflucht ist, aber geschenkt) ermordet, aber ganz so wehrlos wie von Cimino dargestellt war er wohl nicht. Er war nämlich ein ziemlich guter Schütze und verteidigte sich stundenlang gegen die 50 Angreifer, von denen er drei verwundete, bevor diese dann tatsächlich auf die Idee kamen, ihm das Häuschen unter dem Hintern anzuzünden und ihn auf diese Weise aus selbigem zu locken.

Und genau darauf will ich hinaus. Ist es nicht erstaunlich, dass Cimino Stunden seiner Laufzeit auf eine Liebesgeschichte verwendet, die nie voranzuschreiten scheint, aber diese starke Leistung überhaupt nicht widergibt und Nates Ermordung stattdessen auf die paar Filmminuten runterkürzt (sowie ihn völlig realitätsfern in der flammenden Bude noch diesen ewig langen Text krickeln lässt (auch wenn es immerhin mal beeindruckend aussieht, wie Champion daraufhin stirbt))? Gut, natürlich ist das lange nicht mehr so erstaunlich, wenn man weiß, dass es ihm offensichtlich genau darum ging, den Guten in seinem Werk keine einzige Chance und vor allem keine Heldentat zuzugestehen. Selbst wenn eine solche der Wahrheit entsprechen sollte, passt sie offenbar nicht in sein Konzept, dass die armen kleinen Leute gegen die scheinbare Übermacht der vor nichts zurückschreckenden, komplett überlegenen Rinderbarone und ihrer bezahlten Killer gar nicht willens und in der Lage waren etwas auszurichten. Er wiederholt damit also quasi den einzigen Fehler, den er (oder eben Deric Washburn) bei der Anlage von „The Deer Hunter“ gemacht hat. Das Einzige, was man diesem nämlich wirklich vorwerfen kann, ist, dass er die Kriegsgräuel, die die Amerikaner im Vietnamkrieg begangen haben, quasi komplett außen vor lässt. Er sagt damit zwar nicht aus, dass es diese nicht gegeben hätte und meiner Meinung nach ebenso wenig, dass die Angreifer die Guten und die Verteidiger die Bösen gewesen wären, aber man kann das dann natürlich da hineininterpretieren (und wer als Kritiker diese Ansicht vertreten will, tut das selbstredend auch). Meines Erachtens blendet er damit nur einen Teil der Wahrheit aus, den er für seine Aussage über den kleinen Mann aus dem Volke, der durch den Dienst an seinem Vaterland schwerste psychologische Schäden davonträgt, nicht zwingend braucht. Und genauso macht er es hier mit Nate Champion, dessen Tod er wie oben beschrieben zusammenkürzt, weil er die damit verbundene Kampfesleistung desselben für seine genannte Aussage über die Ohnmacht des Volkes sowie die Allmacht des Geldes ebenso wenig gebrauchen kann. Ich empfinde diese Herangehensweise zwar auch nicht als die Beste, aufgrund des Ergebnisses zumindest in „Die durch die Hölle gehen“, der trotzdem ein astreiner Antikriegsfilm geworden ist, aber immerhin verschmerzbar. Trotzdem kann ich selbst bei diesem nachvollziehen, wenn jemand darin einen eindeutigen Kritikpunkt sieht. Dann würde ich mich aber fragen: Was soll dieser Jemand dann von „Heaven’s Gate“ halten? Hier lässt Cimino im weiteren Verlauf der Handlung nämlich nicht nur historische Tatsachen beiseite, sondern ändert diese tatsächlich auch noch so ab, wie er sie braucht.

Denn selbst wenn die ganzen armen Migranten dann endlich doch noch beschließen, sich gegen die Angreifer zu stellen, führt ihre planlose, unkoordinierte und ungeübte Vorgehensweise dazu, dass viele von ihnen sogleich ihr Leben lassen müssen. Und selbst als Jim dann endlich helfen kommt und mit Hilfe seines alten Geschichtswissens die – historisch belegten – „Go-Devils“ bauen lässt, von denen geschützt man dann noch einmal zum Angriff schreitet, stirbt kaum einer der Angreifer, aber diese töten mit ihren präzisen Schüssen einen der Verteidiger nach dem anderen. Dabei lief die ganze Chose in echt damals ganz anders ab. Und dazu auch noch viel interessanter als in Ciminos zurechtgebogener Version. Seinerzeit wäre der Mördertruppe ihr Ausflug zur KC Ranch nämlich fast teuer zu stehen gekommen. Denn wo die Siedler im Film an der Stelle wild gestikulierend durch die Gegend krakeelen und zu keiner Einigung kommen können, haben die Leute in Wirklichkeit gehandelt. Und zwar so richtig! Ganz flink hatten die offensichtlich einen Verteidigungstrupp zusammen, der am Ende auf über 400 Leute anwachsen sollte! So viel zur Übermacht des Gegners… Und das haben die gekauften Pistoleros in echt natürlich lange nicht so cool aufgenommen und die etwa einen nach dem anderen weggeballert (was logischerweise absolut unrealistisch wäre), sondern Schiss haben se gekriegt und sich sodann auf die nahegelegene, mit ihnen sympathisierende TA Ranch zurückgezogen. Und wisst ihr, was dann passiert ist? Dann wurden die nämlich belagert, so sieht’s aus! Die Verteidiger drehten den Spieß damals einfach um und machten aus Jägern Gejagte. Über drei Tage lang ging den Eingekesselten mit Sicherheit ordentlich die Muffe, da die Bürger von Johnson County immer dichter an sie herankamen und am letzten Tag tatsächlich von den „Go-Devils“ geschützt angreifen und Dynamit schmeißen wollten, wie im Film. Nur saßen die eben nicht auf freiem Felde rum, wo jeder jeden theoretisch hätte abknallen können (theoretisch, denn was die Präzision der damaligen Waffen angeht, ist Cimino ebenfalls nicht besonders realistisch). Ganz im Gegenteil schätze ich eher, dass bei der Belagerung bestimmt niemand der fast 500 Beteiligten sein Leben lassen musste. Die Auflösung des Konflikts erfolgte dann allerdings auch in der Realität genauso ernüchternd wie im Film: Den Eingekreisten gelang es tatsächlich einen Boten rauszuschmuggeln. Dieser benachrichtigte den Gouverneur von Wyoming und die ganze Sache gelangte bis zum damaligen Präsidenten Benjamin Harrison, sodass das Militär eingeschaltet wurde, welches gerade noch rechtzeitig eingriff, die Parteien auseinanderbrachte und die ehemaligen Angreifer in Schutzhaft nahm. Ja, tatsächlich wurden diese auch später nicht zur Rechenschaft gezogen, da die Rinderbarone es mit ihren Beziehungen geschickt verstanden den Fall vor einem Gericht verhandeln zu lassen, das ihnen wohlgesonnen war, wodurch die Anklage letztendlich fallengelassen wurde. Man hätte also durchaus noch einen Aufhänger für ein unschönes Ende gehabt, wenn man es denn – so wie Cimino hier – auf Teufel komm raus einbauen wollte.

Aber darum ging es dem Regisseur wie gesagt nicht. Er wollte es lieber auf die ganz harte, für den Zuschauer schlussendlich weiterhin ermüdende Tour darstellen. Und da ich mir in diesem Ausnahmefall die tatsächlichen historischen Begebenheiten, die der Story zugrundeliegen, bereits vor der Sichtung durchgelesen habe (weil ich vorher ja gerade erst „Mein großer Freund Shane“ geguckt habe und es mich folglich interessiert hat; gerade dadurch wuchs ja meine Lust auf diesen Streifen) und entsprechend gespannt war (denn dieser Verlauf ist doch eine Einladung für jeden Filmemacher, oder nicht?), war ich eben auch sehr enttäuscht über die getätigten Abwandlungen. Natürlich machen diese innerhalb von Ciminos hier geschaffenem, zutiefst pessimistischem Mikrokosmos Sinn und natürlich ist auch der hier dargestellte, der Filmlogik entsprechende Endkampf beeindruckend, aber erstens habe ich meine Aufmerksamkeit nach so viel Leerlauf vorher schon fast nicht mehr hochfahren können und zweitens gibt es auch bei diesem Abzüge in der B-Note für seine völlig unübersichtliche Inszenierung, die der New Yorker wohl auch als realistischer empfand. Das mag ja auch durchaus so sein, aber als Zuschauer fühlt man sich dann leider genauso verloren wie im Rest dieses Dreieinhalb-Stunden-Kolosses.

Und das Schlimmste ist: Dann ist der ganze Spuk noch nicht mal vorbei! Denn Ella und Jim überleben das Gefecht, warum auch immer, beide völlig unbeschadet. Und da man sich ja denken kann, dass das hier nicht gut ausgehen darf, kommt da noch was. Wenn die beiden sich nämlich endlich dazu entschlossen haben zusammen fortzugehen, kommt plötzlich noch mal der sich gehörnt fühlende Frank Canton, natürlich wieder unterstützt von was weiß ich wie vielen seiner Männer, aus dem Gebüsch und schießt sowohl Ella als auch Jeff Bridges‘ John H. Bridges über den Haufen. Dabei müssten diese Leute zu dem Zeitpunkt eigentlich noch im Gefängnis sitzen. Aber klar, nach Ciminos Logik haben ihre Auftraggeber sie offensichtlich sofort befreit, damit sie sich an diesem einen Mann rächen können. Also sorry, aber wo das Unhappy Ending in „The Deer Hunter“ noch wirklich nah ging, weil es zwar leider ebenso logisch, aber eben nicht unvermeidlich gewesen wäre, wirkt dieses hier ob der Art und Weise, wie lustlos und auf Krampf es noch hinten rangeklatscht wurde, überhaupt nicht nach (und Stichwort Inszenierung: Bridges atmet neben der das superb machenden Huppert immer noch munter weiter vor sich hin…). Von dem anschließenden „Ende nach dem Ende“ ganz zu schweigen, das Averill plötzlich im Jahr 1903 als alten Mann zeigt, der mit einer Frau zusammen auf einem Boot sitzt (war dann wohl wieder die vom Beginn an der Uni, oder? – sicher bin ich mir diesbezüglich nicht gewesen). Alles wieder ganz bedeutungsschwer, alles wieder ganz melancholisch inszeniert und alles wieder völlig ohne jegliche Auflösung, Bedeutung oder Sinn. (Spoilerende) Halten wir also fest: Die Geschichte von „Heaven’s Gate“ ist ein einziges, dreieinhalbstündiges Ärgernis, das zumindest mich nie an sich herangelassen hat.

Wer mich kennt, weiß also, dass der Rest des Streifens das dann auch nicht mehr geradebiegen kann. Welch eine Verschwendung von Zeit, Geld und Talent also die großartigen Bilder von Regisseur Cimino sowie seinem Kameramann Vilmos Zsigmond darstellen, vermag ich ob dieser Lauflängen-Übertreibung gar nicht weiter in Worte zu fassen. Da darf man dann besser nicht darüber nachdenken, dass die ursprüngliche Schnittfassung des Spielleiters fast fünfeinhalb Stunden lang gewesen sein soll… Wenigstens ist es um die Musik nicht schade. Denn ich weiß nicht, was diese darstellen will, aber David Mansfields ungewöhnliches, stellenweise regelrecht nerviges Gedudel klingt nicht nach Balkan und nicht nach Osteuropa, sondern irgendwie nach meinem letzten Besuch beim Griechen… Ganz seltsame Kiste und mit Sicherheit ganz weit von einem klassischen Western-Score entfernt. Aber was an „Heaven’s Gate“ ist schon klassisch?

Nun ja, die schauspielerischen Leistungen vielleicht. Denn die passen durchaus in dieses Genre bzw. in die Welt. Allen voran der stets kritisierte Kris Kristofferson. Der macht seine Sache nämlich ganz ausgezeichnet. Nun gut, klar, er ist ein mürrischer, stoischer, alter Muffelkopf, aber das ist nun mal leider die Rolle, die Cimino für ihn vorgesehen hat – leiden kann ich seinen Charakter auch nicht… Nein für die Zuschauer-Sympathien ist hier tatsächlich eher der sich immer weiter öffnende Nate Champion zuständig. Vielleicht liegt es daran, dass Christopher Walkens Darstellung daher meist eher gelobt wird als die seines Protagonisten-Kollegen. Wie dem auch sei, ich kann es jedenfalls nur so unterschreiben. Er zeigt, wie auch schon in „Die durch die Hölle gehen“, dass er seinen Regisseur bestens verstanden hat. Isabelle Huppert bei der Arbeit zuzuschauen, ist ebenso eine große Freude. Ihr gelingt es hervorragend die jugendlich-frische, unverbrauchte (man möchte ja sagen unschuldige, aber das darf man bei einer Hure ja nicht, oder?) Art ihres Charakters rüberzubringen und dem Zuschauer damit klarzumachen, warum die Männer so hinter ihr her sind. Sam Waterston dagegen spielt seinen Schurken schon fast ein wenig zu lehrbuchmäßig, um es als seine eigene Interpretation der Rolle durchgehen zu lassen und John Hurt geht leider voll auf in seiner unglaublich nervtötenden, ständig besoffenen Figur. Bei Brad Dourif weiß ich gar nicht, warum der in den Credits immer so weit oben gelistet wird; der hat doch nun wirklich keine so große Aufgabe hier. Tatsächlich ist er mir erst im Finale so richtig aufgefallen… Ähnliches gilt für Joseph Cotten, dessen Part wie gesagt eigentlich der Schere hätte zum Opfer fallen müssen. Und Jeff Bridges ist hier an normalen Maßstäben gemessen kaum zu bewerten. Auch er torkelt (im Wortsinn) in der Regel betrunken durchs Bild und man kann dabei nur hoffen, er war’s während der Dreharbeiten wirklich. Aber er setzt dann diesen unwiderstehlichen Jeff-Bridges-Blick auf, dem zumindest ich mich nur sehr schwer entziehen kann und der mich ihn dann trotzdem sehr ordentlich finden lässt. Da seine Rolle am Ende aber für nicht mehr da ist, als die aufgebrachten Migranten ein ums andere mal zu beruhigen, hat das daher wieder kaum eine Bewandtnis… Ansonsten ist man ebenso erstaunt wie erfreut ein paar weitere bekannte Gesichter wie eben das von Richard Masur oder auch die von Geoffrey Lewis oder tatsächlich sogar Mickey Rourke zu erblicken (die IMDb gibt darüberhinaus Willem Dafoe an, den ich dann allerdings nicht erkannt habe), aber das bezieht sich nur darauf, dass der Kopf dann kurzzeitig wieder was zu tun bekommt. Im wahrsten Sinne des Wortes groß was darstellen können die ob ihrer winzigen Rollen ja nicht.

Und a pro pos „groß was darstellen“: Das wollte wie gesagt auch Michael Cimino mit seinem Mammut-Werk „Heaven’s Gate“ an sich. Aber er scheitert an seinen eigenen, überdimensionalen Ansprüchen. Er wollte ein monumentales Epos über den Johnson County War schaffen, verzettelte sich dabei allerdings immer weiter und lieferte am Ende ein großes Drama über eine kleine Dreiecksbeziehung vor dem Hintergrund dieser historischen Begebenheit ab, das sich so langsam entwickelt, dass ich es in diesem Ausnahmefall wirklich verstehen würde, wenn jemand beim Konsum dieser unendlichen Geschichte einschlafen sollte. Mich persönlich hielt Ciminos dagegen erneut über jeden Zweifel erhabene Inszenierungskunst stets und ständig davon ab, ins Reich der Träume zu entgleiten, aber das ist, wenn die Schönheit der Bilder auf der Leinwand reiner Selbstzweck sind, leider trotzdem das Gegenteil von filmischer Erfüllung. Aber schade ist es, verdammt noch mal! Denn ein wenig was hätte er damit – gerade auch in Anbetracht seiner guten Schauspieler sowie Kameracrew, die seine Vision mittrugen – unter normalen Umständen ja kaschieren können. Normalerweise und rein von der formellen Seite her betrachtet hätte ich „Heaven’s Gate“ wohl immerhin noch wenigstens drei glatte Sterne geben können. Bei einer normalen Laufzeit von wegen mir auch zwei Stunden zum Beispiel. Ein Werk aber, das einem über die gesamte Über-Überlänge von dreieinhalb Stunden einen Zugang zu seiner Handlung verweigert und obendrein am Ende, wenn es doch noch einmal zum Kasus Knaktus zurückkehrt, so gewollt-pessimistisch die historischen Fakten ignoriert und damit seinen zuvor so vehement proklamierten Realismus aufgibt, kann so toll in Szene gesetzt sein, wie es will; das fällt dann mit jeder weiteren halben Stunde „Extratime“ weiter ab. Dadurch ist er zwar kein Film, den man schnell wieder vergisst, aber leider einer, den man schnell wieder vergessen will… Ich mein, es gibt ja tatsächlich Leute, denen reicht eine sehr gute Inszenierung aus. Bei denen setzt dann im Kopf irgendwas aus und die lassen sich davon einfach tragen. Egal wie viel Zeit ein Streifen in Anspruch nimmt (das sind bestimmt dieselben, die sich auch ellenlange Stummfilme ansehen). Diese Menschen haben eine Gabe und wenn sie diese nutzen und Beiträge wie „Heaven’s Gate“ dann trotzdem gut finden können, sind sie darum zu beneiden, aber ich kann leider genauso wenig aus meiner Haut. Ich kann hiermit nichts anfangen. Denn auf der anderen Seite muss man auch ganz klar festhalten: Ohne Ciminos überragende visuelle Technik würde dieser Reinfall von mir eindeutig nur einen einzigen Stern erhalten!

Zur DVD:

Was Besonderes stellt diese uralte DVD aus dem Hause MGM nun nicht dar. Das Bild empfand ich zu Anfang als richtig schwach, dann wurde es mal besser und mal wieder schlechter. Da würde ich tatsächlich gerne mal die BD zu sehen. Aber nur zum Vergleich, nicht um den Streifen nochmal in Gänze anzuschauen. ;) Ton ist soweit ok, es sei denn im Review geschilderte „Spurprobleme“ der deutschen Fassung waren tatsächlich nicht gewollt, sondern entspringen tatsächlich einer schlechten Abmischung. Dann gäbe es Grund zur Kritik. Als Bonusmaterial ist immerhin der Trailer noch mit drauf, aber mehr hätte bei der Laufzeit ja wohl auch schlecht gepasst. Dabei gibt’s ja gerade zu „Heaven’s Gate“ einige wohl doch sehr interessante Dokumentationen, die im Laufe der Jahre entstanden sind. Und auch die BD bietet diesbezüglich ja schon einiges mehr. Also ich werde ob meiner Abneigung gegenüber dem Hauptfilm nun nicht upgraden (außer für ganz billiges Geld), aber wer ihn noch nicht besitzen sollte, greift wohl eher zur Blu-ray-Variante.

Zitate

„Ein Gesetz, das nicht durchgeführt wird, ist eine Aufforderung zur Anarchie.“(Frank Canton malt den Teufel an die Wand)

„Du bist der einzige Hurensohn, Billy, den ich kenne, mit dem es sich lohnt, sich ernsthaft zu besaufen.“(James Averill besäuft sich sonst offensichtlich nur aus Spaß)

„Sie sind nicht meine Klasse, Canton! Das werden Sie auch nie sein. Da müssten Sie erst sterben, um wiedergeboren zu werden.“(James Averill glaubt daran, dass Frank Canton zu Höherem berufen sein könnte)

„Das ganze verdammte Land besteht bald nur noch aus Witwen und Waisen.“(James Averill stellt bei seiner Durchfahrt fest)

„Wie ein Mensch so viel nachdenken kann, werde ich nie begreifen.“(Ella Watson hat offensichtlich nie studiert)

„Man fängt nicht an, was man nicht zu Ende führen kann.“(Nathan D. Champion will auch mal eine Lebensweisheit preisgeben)

„Weißt du, was ich an dir wirklich mag, Jim? Du bist wohlhabend, führst nen guten Namen und willst so tun als seist du arm.“(der Anführer einer Bürgermiliz schleimt sich bei James ein)

„Du kaufst mir was und er bittet mich, ihn zu heiraten.“ – „Vielleicht hatte ich das auch im Sinn.“ – „Das reicht nicht.“(Ella Watson weißt James darauf hin, dass man nicht alles immer nur mit Blicken klären kann)

„Hurensohn war immer schon der absolute Lieblingsausdruck hierzulande.“(William C. Irvine ist ein waschechter Amerikaner – und das schon lange)

„Denkst du eine Frau kann nicht zwei Männer lieben?“ – „Sicher kannst du das, warum nicht? Oder drei… Aber sinnvoll ist es nicht, zum Teufel!“(James Averill ist auch ein waschechter Amerikaner und findet als solcher, dass Polygamie den Männern vorbehalten sein sollte)

„Ich hab dich nie betrogen. Nate hat immer bezahlen müssen.“(Ella Watson muss Treue ob ihres Berufs etwas anders definieren als gewöhnliche Freundinnen)

★★★ —

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