Die Nacht der Abrechnung

The Stand At Apache River

★★★ +++

  • Jahr: 1953
  • Regie: Lee Sholem
  • Darsteller: Stephen McNally, Julie Adams, Jaclynne Greene, Hugh Marlowe, Edgar Barrier, Hugh O’Brian...

Story

Eine Gruppe höchst unterschiedlicher Reisender wird in einer abgelegenen Postkutschenstation im Westen von einer Gruppe aus dem Reservat entflohener Apache unter der Führung von Cara Blanca (Edgar Barrier) belagert, um Lebensmittel und freien Abzug zu erpressen. Da sich die beiden Parteien jedoch nicht einigen können, kommt es schließlich zur Nacht der Abrechnung…

Worte zum Film

seiner Zeit trotz stereotypischer männlicher Figuren weit voraus; klarer Pro-Indianer-Western; ein kleiner Geheimtipp

Bewertung

Würde der klassische US-Western noch einmal ein Revival erfahren und würden die ganzen, alten Werke – aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer – heute plötzlich wieder von einer größeren Anzahl von Menschen geschaut werden, könnte ich mir gut vorstellen, dass der hierzulande ziemlich unbekannte „Die Nacht der Abrechnung“ gute Chancen hätte, aus seinem Schattendasein herauszutreten. Vielleicht könnte er bei entsprechender Mundpropaganda sogar zu einem kleinen Klassiker aufsteigen.

Und das obwohl „The Stand At Apache River“ viele Zutaten vereint, die ihn eben nicht aus dem Einheitsbrei damaliger B-Western herausheben, wie etwa eine sehr kurze Laufzeit, eine Handvoll Stereotypen in einem altbekannten Setting (heute: die Belagerung durch eine Gruppe Indianer) oder einen in seiner Chefureinwohner-Rolle leider sehr unglaubwürdigen „Weißen“ (Edgar Barrier als Cara Blanca). Wie ich also auf meine oben geäußerte Einschätzung komme?

Nun, ganz einfach: „Die Nacht der Abrechnung“ war seiner Zeit in zwei anderen wesentlichen Punkten einfach weit bis sehr weit voraus! Denn hier wird drei Jahre nach „Der gebrochene Pfeil“, der ja gemeinhin als der erste Western gilt, der Partei für die Indianer ergriff, nicht nur das Wort für die Sache der amerikanischen Ureinwohner erhoben, sondern werden diese von Protagonist Lane Dakota (Stephen McNally) (mit Worten vor seinen Mitstreitern) bis aufs Äußerste verteidigt und in ihren Ansprüchen berechtigterweise fast schon über die Belange der „Weißen“ gestellt. So, wie man das wohl heutzutage machen würde, weswegen einem die Dialoge teilweise so vorkommen als wären sie Jahrzehnte später geschrieben worden. (Um Drehbuchautor Arthur A. Ross, der hierfür einen Roman von Robert J. Hogan bearbeitete, jetzt nicht allzu sehr in den Himmel zu heben, sei dazugesagt, dass so einiges von dem restlichen Geschwurbel der weißen Protagonisten eindeutig in den 1950er Jahren geschrieben sein muss.)

Vor allem aber ist es die Darstellung der Frauen in „The Stand At Apache River“, die einen beeindruckt. Nicht nur, dass Julie Adams Valerie Kendrick und Jaclynne Greenes Ann Kenyon hier gefühlt die gleiche Screentime zugestanden wird wie ihren männlichen Pendants, sie müssen vom Rest der belagerten Gruppe auch als vollwertige Mitglieder anerkannt werden und folglich in die Entscheidungen dieser zumindest miteinbezogen werden. Und weil diese ihre Waffen im Zweifel auch durchaus einzusetzen wissen, haben sie im Verlauf der Geschichte auch durchaus ein Wörtchen mitzureden. Ebenso imponieren einem die Gründe für das weibliche Verhalten. Die damaligen Lebensumstände (ohne Indianerangriff) werden hier nämlich in keinster Weise romantisiert, sondern die Frauen als leidende Figuren dargestellt, die das auch zu argumentieren wissen und somit viel von ihrer Psyche freilegen. Ganz im Gegensatz zu den holzschnittartigen Männern. Und wer es bis dahin noch nicht begriffen hatte, dem dürfte am Ende fast der Mund offen stehen bleiben: (Spoiler) Da wagt es Valerie Kendrick, die sich dem Helden hier trotz ihrer zur Schau gestellten Willensstärke in einem kurzen Moment hingegeben hat als der sich ein einziges Mal auch ganz kurz verletzlich gezeigt hat, doch tatsächlich, selbigem einen Korb zu geben! In der allerletzten Szene, in der sie mit ihm eigentlich glücklich in den Sonnenuntergang zu reiten hätte! Leider folgt darauf die große Ernüchterung: Mit nur einer schnell dahingesagten Beteuerung, dass er sich von jetzt an bessern werde, schafft es Lane Dakota schon im selben Moment wieder, sie auf seine Seite zu ziehen. Was für eine vertane Chance, würde man heute denken. (Spoilerende) Für einen kleinen Western von 1953 halte ich das jedoch für sehr fortschrittlich.

Und so lässt sich dieser Beitrag am Ende sogar als eine Anprangerung von toxischer Männlichkeit deuten. Tatsächlich kann man sich bis kurz vor Schluss mal wieder die Frage stellen, warum es eigentlich zur titelgebenden „Nacht der Abrechnung“ kommen musste. Dann jedoch führt einem Ross den übermenschlichen Hass und Stolz der Männer eindrucksvoll vor Augen und man sieht den Streifen plötzlich mit ganz anderen Augen.

Dass es so weit kommen durfte, könnte vielleicht daran liegen, dass Regisseur Lee Sholem sich erst ein paar Jahre später, als er vermehrt auf Fernsehserien umsattelte, zum Genrespezialisten entwickeln sollte. Hiervor hatte er mit „Feuerkopf von Wyoming“ erst eine Pferdeoper inszeniert, wenn ich das richtig sehe. An der Qualität seiner Arbeit gibt es jedenfalls nichts großartig zu meckern. Das sieht alles vernünftig aus und hat sogar einen unerwartet hohen Actionanteil (ich erinnere mich gerade an den Pfeil, der in Julie Adams Blusenarm steckenbleibt; das beeindruckt durchaus).

Auch darstellerisch überzeugen in diesem Fall überwiegend die Frauen. Oder hatten sie es ob ihrer differenzierteren Figuren auch ein wenig einfacher? Na, das wollen wir Julie Adams und vor allem Jaclynne Greene nicht unterstellen, die sichtlichen Spaß daran hatten, hier mal ein wenig mehr als nur das Love Interest zu porträtieren. Hugh Marlowe geht mit seinem beschränkten Colonel dagegen glatt unter und auch Stephen McNally hat nicht genügend Charisma anzubieten, um dagegen anzuspielen.

Aber in diesem Spezialfall von einem Western ist es wie gesagt auch so, dass ausnahmsweise die Kerle eigentlich nur dafür da sind, in ihrer Holzschnittartigkeit die Aussage des Streifens zu unterstreichen. Ob das von Ross und Sholem wirklich so beabsichtigt war? Nun, man kann „The Stand At Apache River“ eindeutig so lesen und wenn man das tut, hat man hiermit einen Vertreter vor sich, der nicht nur ansprechend umgesetzt, sondern seiner Zeit inhaltlich auch weit voraus war. Und als solcher dürfte er sich, wenn es nach mir geht, wenigstens in Genrekreisen als Geheimtipp etablieren.

Zitate

„Manchmal ist jemand durch die Umstände schuldig, bis er einem das Gegenteil beweist.“(Colonel Morsby (Hugh Marlowe) liebt es einfach)

„Glaubst du, dass ein Indianer sein Wort hält?“ – „So wie jeder andere Mann, wenn er kein Lügner und Verräter ist.“(Lane Dakota ist eher in der Lage zu abstrahieren)

„Als ich vor zwölf Jahren hier rauskam, waren schon zahllose Siedler ermordet worden.“ – „Kein Wunder, die Apachen waren auch schon betrogen worden.“(Lane Dakota sieht auch die andere Seite)

„Es wird nie gelingen, den Wolf mit den Kojoten zusammenzubringen.“(Cara Blanca war früher mal Zoowärter)

„Natürlich habe ich Angst. Vielleicht, wenn man etwas länger hier draußen ist, dann…“ – „Ann Kenyon lebt schon lange hier, aber sie hat auch Angst.“ – „Sie ist eben anders.“ – „Nein, darin sind wir alle gleich: Wenn die Indianer angreifen, ist keiner ein Held.“(Lane Dakota schließt als Sheriff gerne mit ein, in diesem Fall sich)

„Nur geliebt zu werden, ist zu wenig.“(Valerie Kendrick will mehr)

„Es gibt nichts Schlimmeres als jemand bloß aus Mitleid zum Mann zu nehmen.“(Valerie Kendrick leidet mit)

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