Auf der Kugel stand kein Name

No Name On The Bullet

★★★★★

  • Jahr: 1959
  • Regie: Jack Arnold
  • Darsteller: Audie Murphy, Charles Drake, Joan Evans, Warren Stevens, R. G. Armstrong, Willis Bouchey, Edgar Stehli...

Story

Als der Auftragskiller John Gant (Audie Murphy) nach Lordsburg kommt, versetzt allein das die Bewohner des Städtchens in Angst und Schrecken. Während die meisten von ihnen sich gute Chancen ausrechnen, sein nächstes Opfer zu werden, versucht der Arzt Luke Canfield (Charles Drake) zunächst, Gant über den Dialog zu erreichen. Doch je länger dieser mit der Ausführung seines Auftrages zögert, desto nervöser wird die Stadt. Und noch weiß niemand, wen Gant überhaupt auf dem Zettel hat…

Worte zum Film

großartige, nachvollziehbare, spannende Story; überragendes Kleinstadt-Psychogramm auf den Punkt gebracht; tolle Darsteller; sehr gute Inszenierung; für Genießer und Denker gleichermaßen

Bewertung

Zwar eilt Jack Arnolds Western ja ein gewisser Ruf voraus, aber dass diese dann auch mich – und zwar durch die Bank – so überzeugen würden, hätte ich dann doch nicht gedacht. Doch im Gegensatz zu seinen Science-Fiction- bzw. Creature-Feature-Filmen, die ja sogar noch ein Stückchen bekannter sein dürften, mit Ausnahme von „Tarantula“ für mich über das Prädikat schön oder nett jedoch nicht hinauskommen, lieferte der gebürtige New Havener in meinem Lieblingsgenre konsequent ab und steigerte sich unglaublicherweise mit jedem Beitrag merklich – und das selbst dann, wenn man „Des Teufels Lohn“ im Gegensatz zu mir als eine Pferdeoper betrachtet und in diese Reihe einfügen möchte. Und klar, diese Entwicklung war mit „Auf der Kugel stand kein Name“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Ende. Der Nachzügler „Boss Nigger“ von 1974 wird wohl kein 6-Sterne-Film sein (da ich diesen jedoch nicht besitze, muss eine Verifizierung dieser These warten und ist meine kleine, persönliche Jack-Arnold-Western-Retrospektive mit dem heutigen Beitrag abgeschlossen). Aber alleine diese stetige Steigerung (innerhalb eines Genres) hat, so weit ich mich erinnern kann, sonst niemand hingelegt. Dafür hege ich größte Bewunderung und daher kann die Empfehlung für diese drei (oder vier) Vertreter auch nur lauten: Tut es mir gleich und seht sie euch in Entstehungsreihenfolge an!

Speziell „No Name On The Bullet“ erweist sich dabei als überragender Abschlussfilm. Er kumuliert die Stärken seiner „Vorgänger“ und verbindet dabei die Ernsthaftigkeit sowie die Charakterstudien eines „Man In The Shadow“ mit dem Humor sowie vor allem dem Pragmatismus eines „Red Sundown“. Im Gegensatz zu „Des Teufels Lohn“ ist er jedoch weniger an Gesellschaftskritik, sondern noch stärker an seinen handelnden Figuren und dem Mikrokosmos Kleinstadt interessiert, wenn mit Audie Murphys John Gant ein Auftragskiller in das kleine Örtchen Lordsburg geritten kommt und anstatt seinen Job schnell zu erledigen und wieder zu verschwinden, erstmal abwartet.

Aus der Abwehrhaltung der Bewohner sowie ihrer zumeist sehr berechtigten Angst, sie könnten das anvisierte Opfer des vielfachen Mörders sein, extrahiert Drehbuchautor Gene L. Coon (nach einer Geschichte von Howard Amacker) eine unglaubliche Spannung. Wie schon in „Des Teufels Lohn“ entlädt sich diese jedoch nicht vornehmlich in Gewalt, sondern zieht eine Menge guter Dialoge nach sich, für die dieses Genre ja nun nicht in erster Linie bekannt ist (was sich wiederum auf die Menge der unten stehenden Zitate niedergeschlagen hat). Mit ihrer Hilfe filetiert Coon die bedrohliche Stimmung förmlich und zeichnet so ein regelrechtes, nachvollziehbares Kleinstadt-Psychogramm. Ob der erneut nur sehr kurzen Laufzeit von gerade einmal 77 Minuten mag der eine oder andere Moment darin zwar plakativ erscheinen, aber „Auf der Kugel stand kein Name“ bringt es einfach auf den Punkt und sagt in kurzen Szenen mehr aus als andere Streifen in halbstündigen Abhandlungen.

Dass er seine Zuschauer dabei auch mal an die Hand nimmt und sie nicht alles komplett selber denken lässt, wie man es heutzutage wohl gemacht hätte, finde ich dabei sehr angenehm. Nicht, dass ich nicht in der Lage wäre mir eigene Gedanken zu machen, aber es ist einfach eine Wohltat, dass manche Filme nicht vollständig interpretiert werden wollen.

Ebenso dankbar darf man Coon und Co. dafür sein, dass man wie schon bei „Auf der Spur des Todes“ auf unrealistische Übertreibungen verzichtete. Wenn hier die Leute zu Beginn völlig aufgelöst zu ihrem Sheriff laufen und ihm sagen, dass er etwas gegen den gerade angekommenen Gant unternehmen solle, stellt dieser ganz eindeutig und richtig fest, dass er nichts gegen diesen in der Hand habe, solange der seine Gegner weiterhin in (erzwungener) Notwehr töte. Kein Aktionismus an dieser Stelle. (Spoiler) Zwar erliegt Sheriff Buck Hastings (Willis Bouchey) zu einem späteren Zeitpunkt doch noch der Versuchung, das Problem auf diese unrechtmäßige Art zu lösen, gibt seinen Fehler zwei Szenen später aber auch schon wieder zu und trägt Gant seinen angeschossenen Arm nicht nach. (Spoilerende)

So kann man es dann voll und ganz genießen, wenn dieser John Gant sich das von ihm ausgelöste Treiben in der Stadt die ganze Zeit über hoch befriedigt anguckt, als wäre er der Tod persönlich. Man kann nicht umhin, sich einzugestehen, dass dieser Typ echt Eier hat und Audie Murphy spielt ihn richtig gut. Im Rahmen seiner Möglichkeiten wohl sogar exzellent. Charles Drake, der ob seiner Größe (ob nun von Arnold gewollt oder nicht) einen interessanten Kontrast mitbringt, macht seine Sache ebenfalls sehr gut. Das Fehlen eines echten Stars macht sich so gar nicht bemerkbar. Diese beiden werden durch Joan Evans, Warren Stevens, R. G. Armstrong, Willis Bouchey, Simon Scott, Karl Swenson oder Edgar Stehli jedoch auch tatkräftig unterstützt.

Dass ein so kurzer Film überhaupt so viele Figuren verträgt, sagt weiterhin viel über sein Script aus. (Spoiler) Da fällt es dann auch gar nicht weiter ins Gewicht, dass einen das tatsächliche Opfer von Gant am Ende gar nicht mehr überraschen kann. Zu eindeutig wird von Coon und Arnold vorher darauf hingewiesen. Und auch wie Gant auch Benson dazu bringt, ihn töten zu wollen, ist sicherlich ein wenig billig. Dafür aber finde ich es richtig stark, dass der Auslöser von Gants Auftrag im Grunde ein MacGuffin bleibt. Noch stärker ist da nur das eigentliche Ende. Schließlich hätte man sich den Ausgang dieser Geschichte so rum und so rum vorstellen können (Canfields Tod zu einem solchen Zeitpunkt der Filmgeschichte jedoch weniger, zugegeben), aber so, wie es dann tatsächlich geschieht? Also ich nicht… (Spoilerende)

Und wenn so viele Faktoren zusammen kommen und das Ansehen dieses Genrebeitrages folglich ein reiner, wenn auch sehr kurzer Hochgenuss ist, was soll man dann anderes tun als die Höchstwertung zu vergeben (schließlich sind die sechs Sterne nur meinen ganz persönlichen Favoriten vorbehalten, ein Fünfer macht ja schon alles richtig)? Eben, dann bekommt dieser kleine, clevere Streifen die fünf Sterne, die er verdient. Schließlich haben wir über Jack Arnolds erneut über jeden Zweifel erhabene Regie noch gar nicht mal gesprochen. Diese in Verbindung mit Gene Coons Drehbuch, das sowohl diejenigen anspricht, die nur unterhalten werden wollen, als auch jene, die ein wenig mitdenken wollen, sowie den tollen Darstellerleistungen ermöglichte schlussendlich einen der besten Western aller Zeiten. Denn als nichts anderes kann man „No Name On The Bullet“ nur bezeichnen. Bleibt nur eine Frage offen: Wieso hat Arnold nicht bloß noch viel mehr Pferdeopern gedreht?

Zitate

„Ich beurteile Männer immer nach ihren Pferden.“(Luke Canfield outet sich)

„Ich hatte einen schweren Tag. Ein Mütterchen mit Rheuma, Bauchschmerzen bei einem kleinen Jungen, ein verstauchter Fuß, ein lahmendes Pferd und das macht einen Mann hungrig.“(Luke Canfield klingt, als müsste er bereits satt sein)

„Er soll hier irgendjemanden umbringen. Ist ja sein Beruf.“ – „Woher wollen Sie das wissen?“ – „Na, Sie müssen doch seinen  Ruf kennen.“ – „Ja, den Ruf kenn‘ ich schon, aber den Mann selbst kenn‘ ich nicht.“(Asa Canfield (R. G. Armstrong) macht sich gerne sein eigenes Bild)

„Die halbe Stadt zittert davor von Gant erschossen zu werden und Sie spielen Schach mit ihm.“(Sheriff Buck Hastings wundert sich über die ungeahnten Qualitäten des Auftragskillers)

„Es gibt wenig Männer, die sich niemals Feinde geschaffen haben.“ – „Jeder Mensch muss seine Rechnung begleichen. Das kann einem keiner abnehmen.“(Asa Canfield kennt sich in der Gastronomiebranche aus)

[Gant bekommt Geld dafür geboten, die Stadt ohne Erledigung seines Auftrages zu verlassen, weist die Anfragenden jedoch ab] „Sie machen einen Fehler, Gant.“ – „Das werden Sie nie erfahren. Es sei denn, ich bin Ihretwegen hier.“(John Gant versteht es, die Spannung hochzuhalten)

[Vater und Sohn Canfield unterhalten sich darüber, was man ob der Einschüchterung der Stadt mit Gant machen müsse] „Ach, wart einfach ab, was geschieht.“ – „Soll ich abwarten bis aus einem einfachen Schnupfen eine Lungenentzündung wird?“ – „Wieso nicht? Eine Lungenentzündung kannst du manchmal heilen, einen Schnupfen aber nie.“ – „Du wärst ein prächtiger Arzt.“(Luke Canfields Feststellung über seinen Vater Asa ist nichts hinzuzufügen)

„Mr. Gant, was wollen Sie eigentlich bei uns?“ – „Hab ich Sie vielleicht gefragt, wie viele Mandeln Sie heute rausgenommen haben?“(John Gant überschätzt die Größe von Luke Canfields Lazarett etwas)

[nachdem sich der erste Bürger der Stadt aus Angst vor einer möglichen Ermordung durch Gant selbst erschossen hat, stehen Gant und Luke Canfield zusammen an der Bar] „Sie haben ihn getötet.“ – „Das stimmt nicht, Doktor. Er hat angefangen sich zu töten, lange bevor ich hierher gekommen bin.“(John Gant sieht alles)

„Mein Preis ist hoch. Die Menschen, für die ich arbeite, investieren sehr viel. Es gibt wenig Männer, denen der Tod eines Unschuldigen so viel wert ist.“(John Gant könnte sich auch irren)

„Nehmen Sie zwei Männer! Sie haben geraubt und betrogen und wurden niemals bestraft. Ein Mann, der von einem der beiden ausgeraubt wurde, kommt zu mir und sagt ,Erschieß‘ den Mann, er hat mich beraubt.‘ und ich tu’s. Der andere Mann wird krank und wäre verloren, aber ein Arzt kommt und macht ihn wieder gesund, um weiter zu rauben und zu lügen. Wer ist der Schurke in diesem Stück? Der Mörder oder der Arzt?“(John Gant verteilt Denkaufgaben und wäre ein guter Krimiautor geworden)

„Warum haben Sie mich nicht umgebracht?“ – „Dafür werde ich nicht bezahlt.“(John Gant verkleinert gegenüber Sheriff Hastings den Kreis der potentiellen Auftragsmordopfer)

★★★★★

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