Todesmelodie

Giù La Testa

★★★★★★

  • Jahr: 1971
  • Regie: Sergio Leone
  • Darsteller: Rod Steiger, James Coburn, Romolo Valli, Antoine Saint-John, Rik Battaglia...

Story

Als der Kleingauner Juan Miranda (Rod Steiger) zu Zeiten der Mexikanischen Revolution auf den Sprengstoffexperten John H. Mallory (James Coburn) trifft, will er diesen unbedingt dazu überreden, mit ihm die Bank von Mesa Verde auszurauben, um sich einen Kindestraum zu erfüllen. Und obwohl er ihn erst mit unlauteren Mitteln dazu bringen muss, macht Mallory plötzlich, nachdem er sich den Revolutionstruppen angeschlossen hat, scheinbar freiwillig mit. Was Juan mit seinem begrenzten Verstand vorher allerdings nicht begriffen hat, muss er beim folgenden Überfall dann schmerzlich feststellen: Die Bank enthält längst kein Geld oder gar Gold mehr, sondern wird seit geraumer Zeit nur noch als politisches Gefängnis genutzt. Und so befreit er hunderte Kriegsgefangene und wird mit Mallory ein gefeierter Held der Revolution.

Da die Regierungstruppen ihn nun natürlich auch auf dem Kieker haben, flieht er gemeinsam mit seinem Vater, seinen Söhnen, Mallory und den Revolutionären und muss fortan weitere Heldentaten im Namen der Revolution vollbringen. Als der Heerführer der Regierungstruppen, Colonel Gunther Reza (Antoine Saint-John), infolgedessen bei einem Gegenschlag auch seine komplette, restliche Familie töten lässt, übt Juan in einem Alleingang Vergeltung, wird gefasst und soll exekutiert werden. John, einst tätig bei der IRA und eigentlich nach Mexiko gekommen, weil er in seinem eigenen Land strafrechtlich verfolgt wird, der nun auch allmählich die Nase voll von der erneuten Revolution hat, befreit ihn im letzten Moment und stimmt zu, mit Juan in die USA zu reisen, um dort einige Banken hochzunehmen. Diese Zustimmung gilt solange, bis der amtierende Gouverneur Huerta (Franco Graziosi) den Zug, der die beiden rüberbringen soll, betritt. Aus diesem Grunde wird jener nämlich von den Revolutionstruppen überfallen und Juan tötet mehr oder weniger zufällig auch den Regierungschef, sodass die beiden erneut gefeiert werden und an einem weiteren Gegenschlag gegen Reza, der sich auf dem Weg zu ihnen befindet, teilnehmen müssen. Dieser wird zwar durch Mallorys großartigen Plan perfekt ausgeführt und führt auch zum Erfolg, aber in einem unachtsamen Moment, lässt sich der Ire von Reza erschießen, dem daraufhin von Juan der Gar ausgemacht wird. Völlig desillusioniert und alleine zurückgelassen, fragt dieser sich nun, wie es mit ihm weitergehen soll…

Worte zum Film

Für mich der beste Film aller Zeiten!

Bewertung

Zum Film:

Manchmal ist das Leben schon verrückt. Oder, um es mit meinem Lieblingszitat aus dem Nachfolger hierzu auszudrücken: „Das Leben ist noch verrückter als scheiße!“. Da gab es also einst diesen begnadeten Regisseur, der es wie kein zweiter vermochte, Western-Inhalte auf die große Leinwand zu bringen und damit Publikum wie Kritiker gleichermaßen zu überzeugen. Einen Regisseur, der heutzutage zumindest in Europa noch weitaus mehr verehrt wird als der große John Ford, der manch einem bei diesen Worten vielleicht auch in den Sinn gekommen sein mag (was zumindest, wenn man mich fragt, nicht gerade gerechtfertigt ist, aber egal) und der für mich generell der beste Regisseur war, den es je gegeben hat. Und mit dieser Meinung stehe ich ja nun wirklich nicht alleine da. Und nun hat eben jener Regisseur sehr zu meiner Freude wie gesagt gerade in meinem Lieblingsgenre Klassiker um Klassiker abgeliefert und ich habe mich daher in den vorangegangenen Bewertungen ja nun nicht umsonst das eine oder andere Mal gefragt, ob es meiner niedergeschriebenen Meinung dazu denn nun noch zusätzlich bedurft hätte – ist ja schließlich schönerweise keine ganz exklusive. Und selbstredend habe ich sie gerne nochmal niedergeschrieben und werde das auch zum genialen Nachfolger hierzu, „Es war einmal in Amerika“, in der Rubrik „Das Letzte“ sehr gerne noch einmal tun, aber die Herangehensweise an all diese Filme dürfte so oder so sein: „Egal, was der Mann schreibt, den muss ich auf jeden Fall gesehen haben, ist ja schließlich ein Klassiker.“.

Etwas anders verhält es sich nun allerdings bei dem hier vorliegenden Werk, Leones zweitem Teil seiner sogenannten Amerika-Trilogie, der hier in den Deutschland auf den vergleichsweise eher schlichten Titel „Todesmelodie“ hört. Fragt mich jetzt bitte nicht, warum das so ist, aber Fakt ist doch, dass „Giù La Testa“ hierzulande zwar mittlerweile Klassiker-Status besitzt, aber wohl der einzige seiner fünf Western sein dürfte, den man nur kennt (oder einem zumindest der Name irgendwo schon mal über den Weg gelaufen ist), wenn man sich auch wirklich mit der Materie beschäftigt (die vier anderen sollten in der Regel wohl auch Leuten geläufig sein, die sich nicht unbedingt für Pferdeopern im Besonderen oder sogar den Film im Allgemeinen interessieren). Ich zumindest hatte, als ich ihn vor Jahren das erste Mal im Spätabend- (oder sagt man dazu eher Frühmorgen-?) Programm der ARD gesehen habe, noch nie etwas von ihm gehört und war daher komplett erstaunt, mit mal einen weiteren Leone zu Gesicht zu bekommen. Ich war damals zugegebenermaßen noch auf der Schule und nicht halb so weit wie heute, was mein gefährliches Halbwissen über Filme und Filmgeschichte anbelangt, aber Leone und seine Streifen waren mir durchaus schon ein Begriff. Ein paar weitere Klassiker hatte ich zu der Zeit auch schon konsumiert und so zumindest schon eine Grundahnung, was das Genre angeht. Und zu dieser Grundahnung gehörte etwa ein Film wie „Mein Name ist Nobody“ (von dem ich heute gar nicht mehr sagen könnte, ob ich ihn zu dieser Zeit bereits gesehen oder nur von ihm gehört hatte), aber eben keine „Todesmelodie“. Und das ist doch seltsam. Und klar, heute, mit ein wenig mehr Jahren Interesse und Erfahrung, ist mir auch klar, dass ich mit etwas mehr Recherche leicht auf diesen Streifen gestoßen wäre und dass das jeder andere, der diese Zeit investiert, auch tut und ebenso, dass „Giù La Testa“ natürlich nicht ganz so unbekannt ist, wie jeder 0815-Italowestern, aber das ist er eben auch nicht. Er ist ein Leone (und was für einer!) und dafür, dass er das ist, ist er doch relativ unbekannt, gerade wenn man mit Leuten redet, die jetzt nicht über die Grundkenntnisse verfügen, die man selber hat.

Aber das ist ja nicht mal das Schlimme. Das Schlimme ist, dass der Grund dafür derjenige ist, dass viel zu viele Leute, gerade auch Fans, dieses Werk eben nicht in einem Atemzug mit Leones anderen Epen nennen können. Und auch wenn „Todesmelodie“ (natürlich) nicht durch die Bank schlechte und bisweilen auch richtig gute Kritiken erfährt, so wird ihm meiner Meinung nach immer noch nicht oft genug gehuldigt und daher wird es in diesem Fall tatsächlich mal Zeit, dass ich dann doch nochmal die ultimative Lobhudelei anstimme, damit dieses Werk dann endlich mal die Einschätzung bekommt, die es verdient. Für mich ist Leones fünfter Western nämlich nichts anderes als der beste Film aller Zeiten! (Zusammen mit Michael Manns „Heat“, aber um den soll es hier nun wirklich nicht gehen.) Und von daher verzeiht mir bitte die lange Einleitung zu meiner persönlichen Einordnung und auch die überschwänglichen Zeilen, die nun folgen werden. Ihr dürft gerne eure, wegen mir auch wesentlich schlechtere Meinung behalten, aber ich muss jetzt wenigstens mal versuchen, den Film in ein etwas besseres Licht zu rücken. Und dass ich das gerade beim besten Streifen dieses begnadeten Regisseurs, ja sogar bei meinem Lieblingsfilm, darf, ist ob der sonstigen Ausnahmestellung dieses anerkannten Künstlers und seiner Werke doch wirklich erstaunlich – und schön natürlich zugleich.

Dabei ist allein schon Leones Beginn dieses wunderbaren Westerns denkwürdig. Wie viele Pferdeopern beginnen schon mit einem vorangestellten Zitat? Und dieses Zitat ist nicht nur großartig eingebaut (nämlich gleich am Anfang, in großen, gut leserlichen Blöcken, die tatsächlich schon so etwas wie Spannung auf das Zitatende erzeugen, wenn man es das erste Mal liest), es ist auch so passend wie mir jetzt kein zweites einfallen würde. Bereits hier teilt uns der Maestro mit, was er mit dem vorliegenden Werk neben der Geschichte, die er erzählen will, vor allem darstellen will: die Revolution als einen Akt der Gewalt! Und das Wort „Gewalt“ zieht schließlich immer. (Spoiler) Danach ein Schnitt und wir sehen ein Ameisenvolk, das durch einen in die Menge pissenden Mann ganz schön durcheinander gewirbelt wird. Und genauso irritierend und verstörend wie diese Bilder beim ersten Anblick auf mich gewirkt haben, so sollen sie auch wirken und so machen sie erst so richtig Sinn, wenn man den Film ein zweites Mal sieht. (Spoilerende) Besser kann man einen Streifen eigentlich gar nicht einleiten, oder?

Und wieder gefehlt – Leone kann! Im Folgenden variiert er nun schon zum fünften Mal seinen ab „Für eine Handvoll Dollar“ erprobten Filmeinstieg, der zwar theoretisch jedes Mal nach dem gleichen Schema abläuft (die Gewalt liegt ab der ersten Filmsekunde in der Luft und der Regisseur lässt uns bei berauschenden Bildern minutenlang auf ihren Ausbruch warten), einen praktisch aber jedes Mal wieder aus den Socken haut. Mich zumindest oder könnt und wollt ihr die Introszenen der vier Vorgänger irgendwie aus euren Köpfen bekommen? Sicherlich nicht und auch die ersten Sequenzen aus „Giù La Testa“ bilden da keine Ausnahme. (Spoiler) Die Einstellungen des von den Reichen ausgegrenzten Juan, die leonetypisch im Laufe der Zeit immer dichter an die jeweiligen Gesichter der Redenden heranfahren, bis schließlich nur noch die schmatzenden und lästernden Münder zu sehen sind, sind an (stilsicherer!) Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten und verfehlen ihre Wirkung nicht. Man schlägt sich sofort auf die Seite dieses kleinen mexikanischen Gauners, auch wenn dieser kurz danach frauenvergewaltigend ja eigentlich nicht viel besser ist.

Und das ist sehr wichtig, schließlich steht und fällt „Todesmelodie“ genau damit: Mit seiner Hauptfigur. Denn klar, streng genommen handelt es sich hierbei eigentlich um ein Buddy-Movie, wie man heute sagen würde, aber Mallory muss man tatsächlich nicht unbedingt mögen – von der Sympathie für Juan aber lebt dieser Film. Er ist genau die Figur, in die man sich hineindenken und auf die man sich selbst projizieren kann. Ein Bauer zwar, der nicht unendlich viel gelernt hat, aber einer, der sich durchzuschlagen weiß, das Herz auf der Zunge trägt und im Kern der liebenswerteste Mensch ist, den man sich vorstellen kann. Genau solch eine Person, an der man sich festhalten kann, braucht man auch in dieser ansonsten als nur grausam dargestellten Welt voll allgegenwärtiger Gewalt, List und Heimtücke. (Spoilerende)

Diese Figur gelingt es Leone und seinen Co-Autoren Luciano Vincenzoni und Sergio Donati hier zu kreieren und genau daher ist dieser Einstieg auch so wichtig und so gut. Besser hätte man es nicht machen können. Die Einführung Coburns gelingt auf ähnlich charmante Weise, wobei hier der humoristische Aspekt eindeutig überwiegt, was nach diesem Beginn nur gut tut. Und sobald diese beiden unterschiedlichen Charaktere sich zusammengerauft haben, befinden wir uns mitten im besten aller Revolutionswestern, der vor allem dieses, sein Kernthema, so perfekt in Szene zu setzen weiß, wie keine andere mir bekannte Pferdeoper. Das trifft vor allem meinen Geschmack deshalb genau, weil ich sowieso ein Riesen-Fan dieses Subgenres bin. Ein Revoluzzer, der die Revolution halbwegs vernünftig darzustellen weiß, hat bei mir schon mal einen Stein im Brett und Leone wusste sie nicht nur vernünftig darzustellen, er wusste sie zu ze-le-brie-ren. Und genau so makaber, wie dies jetzt klingt, ist es auch gemeint und hat es auch der Maestro im Sinn gehabt als er uns diese überwältigenden Bilder von (Massen-)Exekutionen, Scharmützeln, Maschinengewehrsalven, Explosionen, Ermordungen und der ständigen Gefahr des Todes geschenkt hat. Natürlich ist der Inhalt dieser Bilder kein schöner, aber diese sind himmlisch komponiert und gerade wie er seine Massenszenen arrangiert hat, ist Weltklasse! So etwas gab es davor und danach nie wieder, nicht in Corbuccis ebenfalls genialem „Lasst uns töten, Companeros“ und schon gar nicht in Sam Peckinpahs ähnlich angelegtem, aber immer überschätztem Opus Magnum „The Wild Bunch“. Und vor allem: Zumindest mir würde bei ihrem Anblick augenblicklich jede Lust auf Revolution vergehen, sofern ich denn welche gehabt hätte und ich kann mir dabei immer nur wünschen, dass ich und meine Kinder so etwas nie im Leben erfahren müssen. Das ist ganz weit weg vom Auskosten des Todesmoments eines Peckinpah damals oder auch vom Comic-Stil eines Quentin Tarantino heutzutage, das ist einfach nur lebensgetreu, tragisch, ergreifend und dadurch erhebend. Dabei kann man es wieder nur bedauern, dass Leone nicht noch seine Version des Zweiten Weltkriegs fertigstellen konnte, bevor er gestorben ist. Das hätte mich ja unglaublich interessiert.

Tja und in diese grandiose Revolutionsszenerie schaffen es Leone und Co. dann ganz nebenbei noch eine tragische Geschichte um Hauptheld Juan Miranda einzubauen, die zu jeder Zeit sowohl fesselt und unterhält als auch bis tief unter die Haut geht. Erneut schafft es der Altmeister spielerisch einen mit seinem gemächlichen Inszenierungs- wie Erzählstil in seinen Bann zu ziehen und die Welt um einen herum vergessen zu lassen. Auch dieser Western von ihm ist zu keiner Sekunde zu lang oder gar langweilig. (Spoiler) Ganz im Gegenteil jagt eher ein Höhepunkt den anderen. Nach dem großartigen Überfall mit fluchendem Ausgang für Juan auf die Bank von Mesa Verde, bleiben vor allem die Szenen hängen, in denen er und John mit zwei Maschinengewehren und ein paar Stangen Dynamit eine ganze Division aufhalten (oder vielleicht sind’s auch etwas weniger Soldaten, ich kenne mich da nicht so aus, berichtigt mich in diesem Punkt gerne!), er erkennt, dass seine komplette restliche Familie ausgelöscht wurde und er daraufhin Amok läuft, John Villega dabei beobachtet, wie er seine eigenen Männer verrät, John sich in Rückblenden an seine Vergangenheit erinnert (das ist einfach nur genial und noch einmal ein ganzes Stück besser als die Rückblenden in „Spiel mir das Lied vom Tod“ und dann natürlich erst die letzte Rückblende – ihr wisst schon) und natürlich wie die beiden im finalen Gefecht töten und getötet werden. Man flucht mit ihnen, wenn etwas nicht nach Plan läuft, lacht mit ihnen, wenn Juan mal wieder – freiwillig oder unfreiwillig – einen Witz gemacht hat oder weint mit ihnen, wenn mit ihren Lieben ein Teil von ihnen stirbt. (Spoilerende) So tragisch und nahegehend war der Western selten und dieses Talent für eine solch melancholische Inszenierung hatten auch nur die allerwenigsten. Dafür, dass er es hier zu seiner größten Blüte geführt hat, danke ich Leone zutiefst.

Das ist die eine Seite. Das ist der Leone-Fan im Generellen und der „Todesmelodie“-Fan im Besonderen in mir, der überhaupt nicht verstehen kann, warum sein Lieblingsfilm nicht immer die Wertschätzung erfährt, die ihm gebührt. Die andere Seite ist der Western-Fan im Generellen in mir, der gerne verstehen würde, woran dies liegt. Und ich könnte mir einen Grund vorstellen. Denn obwohl dies für mich nun absolut kein Fakt ist, der mir den Film versauen würde (ganz im Gegenteil), so ist es doch auf jeden Fall so, dass Leone hier stets und ständig „auf der Kante“ inszeniert. (Spoiler) Nehmen wir beispielsweise die bereits angesprochene Einführung mit dem ganzen Gezoome auf die schmatzenden Münder: Noch im Rahmen des Vorzeigbaren oder schon nur noch eklig? Für mich wie gesagt genial, für andere? Oder sein Humor, gerade der von Juan Miranda. Der ist auch sehr oft grenzwertig und evtl. nicht immer jedermanns Sache. Ich z. B. halte die Szene, bevor Juan und John die Brücke verteidigen und Ersterer Letzteren dabei beobachtet, wie er sich kurz zuvor nochmal genüsslich auf’s Ohr haut und das mit einem inneren Monolog voller Schimpftiraden gegen den Iren begleitet, absolut großartig und sage „Das muss man sich erstmal trauen!“, ein anderer empfindet das vielleicht schon als zu viel Vertrauen in das gewonnene Stammpublikum. Und nicht zuletzt birgt ja dieser balladeske Erzählstil, dem auch Leone sich verschrieben hat, immer die Gefahr, damit irgendwann mal ein wenig zu übertreiben und seine Zuschauer daher auf halber Strecke zu verlieren. Vielleicht geht es dem einen oder anderen hier so, ich jedenfalls kann wie gesagt keine Längen erkennen. Aber vielleicht ist dieses stetige „Sich-auf-der-Kante-Bewegen“ ja genau das, was diesen Streifen in einigermanns Augen nicht so gut erscheinen lässt wie andere Leones. Für mich hingegen macht genau dieses Abschreckende, das ich zu Anfang beim ersten Mal Schauen wie gesagt auch empfunden habe und das sich im Laufe des Films immer mehr in Bewunderung gewandelt hat, die sich während des zweiten Durchlaufs zur Gewissheit manifestierte, dann eben auch einen guten Teil meiner Liebe zu diesem Film aus. Man hat das Gefühl, gemeinsam etwas erlebt und geschafft zu haben. Einmal Hölle und zurück sozusagen. Und dieses Gefühl kann nun lange nicht jeder Film erschaffen. In diesem Punkt ist „Giù La Testa“ auch ziemlich einzigartig. (Spoilerende)

Einzigartig hieran, wie ja eigentlich an allen Leone-Werken, aber natürlich auch die Schauspieler. Es ist jedes Mal auf’s Neue wieder erstaunlich, was für ein Gespür der Maestro für seine Darsteller hatte und wie er immer wieder Weltklasse-Leistungen aus ihnen herauskitzeln konnte. Und besonders schön an seinen letzten drei Epen ist ja, dass er für die Hauptrollen hier immer wieder verschiedene Leute besetzte (ich meine, in einer der Dokumentationen auf der DVD von Metro-Goldwyn-Mayer erfährt man zwar, das für die Rollen des John und des Juan wieder Clint Eastwood und Eli Wallach „nominiert“ waren, aber nun ist es halt so gekommen und was sein sollte ist egal). So darf man dann immer wieder „neuen“ Mimen dabei zusehen, wie sie sich gegenseitig übertreffen. Wann z. B. war Romolo Valli je besser? Ein begnadeter Schauspieler, aber nur bei Leone und Visconti konnte er sich so entfalten und was er hier abliefert, ist einfach nur perfekt. Und dann natürlich James Coburn! Der spielt hier tatsächlich die Rolle seines Lebens. Wie er den Spagat zwischen dem weiterhin lebensfrohen Zyniker und dem vom Leben gezeichneten Terroristen hinbekommt, ist sagenhaft. Und sein ekelhaftes Grinsen scheint einfach wie für diesen Streifen gemacht.

Und natürlich sind auch in diesem Leone ebenso alle weiteren Rollen – und seien es auch noch so kleine – erneut mit großartigen Leuten besetzt. Das geht dann sogar so weit, dass Aldo Sambrell, Leones Entdeckung und Hofschauspieler Nr. 1, hier dann doch tatsächlich keine andere Rolle mehr bleibt, als die eines kleinen Captains der Regierungstruppen, der ein Mussolini-Double erschießen lässt. Eine kleine Ausnahme bildet da Antoine Saint-John, der uns hier den fiesen Colonel Reza gibt. Ihm könnte man tatsächlich leichtes Overacting vorwerfen, so genüsslich wie er sein Ekel zelebriert. Ich würde sagen, er spielt „auf der Kante“. Andererseits dürfen wir hier endlich auch Rik Battaglia mal in einem Leone-Western bewundern, auch wenn seine Rolle leider kaum größer ist als die von Sambrell.

So weit, so gut, aber der Mann, der diese „Todesmelodie“ zu dem macht, was sie ist, ist Rod Steiger. Er überragt alle anderen, einschließlich Coburn, hier noch einmal um Welten! Was er abliefert, ist mit Worten fast nicht mehr zu beschreiben. Eli Wallach war ein großartiger Schauspieler, aber das hier hätte er nie mit der gleichen Hingabe und Intensität spielen können wie Steiger. Diesem sieht man sein Method Acting jederzeit an, denn an diesem Set war er Juan Miranda. Wie er Grimassen schneiden und Gestikulieren kann, wie er zu jeder Gefühlsregung des Herzmenschen Miranda das passende Gesicht parat hat und wie er selbst schwerste Passagen wie das Finale mit einer Leichtigkeit meistert, ist unerreicht. Und Martin Hirthe passt als Stimme dazu ebenfalls wie die Faust auf’s Auge. Zusammen werden Szenen wie der angesprochene Monolog oder generell all jene, in denen Juan über dieses und jenes vom Leder zieht, zu einem absoluten Hochgenuss und machen sie „Giù La Testa“ zu etwas Vollkommenen.

Vollkommen; ja das ist das Wort. Das einzige Wort, was diesen Film wirklich beschreibt und womit man ihm wirklich gerecht wird und werden kann. Es gibt viele, viele Western auf der Welt und jedes Jahr werden es mehr. So viele, dass ich sie gar nicht alle in diesem Lexikon unterbringen kann. Leider. Nicht mal alle Italowestern, von denen es zwar lange nicht ganz so viele, aber immer noch mehr als genug gibt, kriege ich hier unter. Muss ich auch gar nicht, denn diejenigen, die ich in meinem Leben schaffen werde, sollen mir am Ende dann auch reichen. Aber unter diesen soundsoviel Western gibt es nur fünf Leones und unter diesen gibt es nur eine „Todesmelodie“ – der beste Film, den ich in diesem Lexikon besprechen werde.

Ich muss mich also wiederholen: Manchmal ist das Leben schon verrückt. Da sitzt man und schaut einen Film nach dem anderen und will von diesen eigentlich nur ein wenig unterhalten werden und dann kommt dieser Leone daher und zeigt einem, dass Kino auch so viel mehr sein kann als bloße Unterhaltung; dass Kino wirklich Kunst sein kann. Und wenn man das dann erstmal begriffen hat und plötzlich, gefangen von diesem Fieber, das einen wohl nie wieder loslassen wird, nur noch auf der Suche nach diesen Filmen ist, die einem MEHR geben (zumindest grundsätzlich, schließlich darf’s unter der Woche und am Sonntag auch mal leichtere Kost sein, oder?) und einem eben jener Leone mit „C’era Una Volta Il West“ gerade scheinbar den besten all dieser Streifen vorgesetzt hat, dann legt man ein seltsames Werk mit dem schlichten Titel „Todesmelodie“ in den Player und weiß erst gar nicht so recht etwas damit anzufangen, nur um hinterher festzustellen, dass genau das das Beste war, was man jemals gesehen hat und wohl auch sehen wird. Denn ich glaube nicht daran, dass ich nochmal einen Film wie „Heat“ finden werde, der meiner Meinung nach wie gesagt der einzige ist, der „Giù La Testa“ das Wasser reichen kann. Dies beides sind meine Lieblingsfilme und im Fall von Letzterem (den ich allerdings zuerst sah), war es tatsächlich so, dass ich zwei Anläufe gebraucht habe, um ihn in Gänze zu erfassen, zu verstehen und lieben zu lernen. Und vielleicht ist das genau das, was einige diesem alles in den Schatten stellenden Werk gewähren müssten, um es vielleicht auch für sich neu zu entdecken und besser bewerten zu können: einen zweiten Durchlauf.

Zur DVD:

Ich besitze meinen Liebling ebenso wie „Zwei glorreiche Halunken“ als Gold Edition von Metro-Goldwyn-Mayer – eine wunderschöne Huldigung dieses Films (wie wohl bekannt identisch mit dem Steelbook und den folgenden Neuauflagen). Bild und Ton hierauf sind für meine Begriffe sehr gut. Besser muss die Filmqualität auch heute meiner Meinung nach gar nicht sein. Klar, vielleicht kann man auch noch ein wenig mehr herauskitzeln, wenn man den Film immer weiter künstlich an noch mehr Pixel mal noch mehr Pixel anpasst, aber so sieht der auch im Upscale noch klasse aus, dieser Klassiker.

Was einem an der Scheibe zuerst auffällt, ist natürlich das „interaktive Menü“ (wie es uns ein nach dem Einlegen der Filmdisc platzierter Werbetrailer zur Gold Edition von MGM allgemein weismachen will, der in einer Flut von weiteren, zu meinem Entsetzen zumindest auf der PS nicht zu überspringenden Trailern eingebettet ist) mit dieser absolut echten Feuersbrunst am unteren Bildschirmrand. Das ist echt schon ganz hohe Kunst. ;D Aber ansonsten hat sich MGM hiermit wirklich richtige Mühe gegeben, gerade was natürlich die Erstellung der hier vorliegenden Fassung an sich betrifft, die man nun als außergewöhnliche Langfassung bezeichnen kann oder nicht, die aber auf jeden Fall endlich einen vernünftigen Blick auf den Film ermöglicht, der ohne das vorangestellte Zitat sowie die letzte Rückblende schlicht nicht geguckt werden braucht. So haben wir zwar immer noch den Anschlussfehler mit Johns Fieberattacken, nachdem Juan ihn hier eben nicht durch die Wüste gejagt hat, aber das wird ja im Bonusmaterial aufgegriffen und reicht für mich in dieser Form dann auch vollkommen aus.

Auf der Filmdisc befindet sich als Extra auch hier wieder ein Audiokommentar. Hier spricht ihn Christopher Frayling und allein deshalb hatte ich immer schon mal vor, mir den Film auch so mal anzuschauen, aber man kommt ja nicht dazu. Es bleibt spannend. Ist aber bestimmt gut zu lauschen, der alte Sir, wie immer. Das beigelegte Booklet kann man auch hier vergessen, aber geschenkt. An Bonus auf der Bonusdisc gibt es:

  1. „Der Mythos der Revolution“: Eine sehr, sehr interessante Dokumentation über die Dreharbeiten zu „Duck You Sucker“, den Beweggründen Leones und anderen Hintergrundinformationen. Absolut hervorzuheben, dass es hier im Gegensatz zu den Dokus auf der Gold Edition zu „Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo“ tatsächlich ausschließlich um „Todesmelodie“ geht. Leider nur 21 Minuten lang, das Teil.
  2. „Sergio Donati erinnert sich an ,Duck You Sucker‘“: Auch eine Doku., die zwar nur sieben Minuten dauert, aber trotzdem eine tolle Ergänzung zu „Der Mythos der Revolution“ darstellt.
  3. „Die verschiedenen Versionen“: In meinen Augen auch eine Dokumentation, bei der man denkt „Ein Glück, dass ich den ganzen Film auf DVD habe.“, wenn man sieht, wie viele Szenen bei der amerikanischen Fassung heraus geschnitten worden sind. Und im Vergleich zu den Vorgängern hierzu ist der Versionen-Vergleich bei „Giù La Testa“ auch tatsächlich super interessant und notwendig, um einige Zusammenhänge zu verstehen.
  4. „Es war einmal in Italien“: Kurzer Einblick in die Ausstellung „Once upon a time in Italy … The Western of Sergio Leone“, die aber schon im Januar 2006 ausgelaufen ist und daher ist dieser Beitrag völlig ohne Bedeutung. Keine Ahnung, wie man so was auf eine DVD packen kann.
  5. „Restauration im italienischen Stil“: Da die Restauration anscheinend keine großen Schwierigkeiten bereitet hat, nicht halb so interessant, wie zum Beispiel bei der „Zwei glorreiche Halunken“-DVD und außerdem nichts anderes als „Die verschiedenen Versionen“ in Kurzform. Braucht kein Mensch!
  6. „Drehort-Vergleich“: Erneut kein Lieblings-Drehortvergleich von mir. Auch nur ein kurzes Filmbild und dann ein Schnitt zum Aussehen in 2004, aber ohne weitere Erläuterung oder nochmal zum Filmbild zurückzuschneiden und so. Dazu ganze neun Minuten lang! Nicht mein Ding, aber wem’s gefällt…
  7. „Original-Trailer“
  8. „Radiospots“
  9. „Fotogalerie“: Mal etwas anderes im Vergleich zu den restlichen Leone-DVDs. Hier stören einen keine unnötigen Pfeile, Rahmen oder Ähnliches – man bewegt sich mit der Fernbedienung durch die Galerie, kann alle Bilder in voller Pracht bestaunen und sein eigenes Tempo bestimmen. Viele Bilder sind es allerdings nicht.

Und auch wenn die Akzeptanz des Filmes an sich weiterhin bestimmt noch nicht so hoch ist, wie sie meiner Meinung nach sein sollte, so dürfte es mittlerweile doch immerhin unstrittig sein, dass dieser Streifen (alleine schon, weil er von Leone ist), in irgendeiner Form in jede vernünftige Sammlung gehört.

Zitate

„Die Revolution ist kein geselliges Dinner, kein literarisches Ereignis, keine Zeichnung oder Stickerei. Sie kann nicht mit Eleganz und Höflichkeit durchgeführt werden. Die Revolution ist ein Akt der Gewalt…“(Zitat von Mao Tse-Tung, mit dem der Film eingeleitet wird)

„Wenn ich falle, müssen sie hier alle Landkarten noch mal machen.“(John ist gegen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen)

„In Mesa Verde gibt’s Gold.“ – „Mesa Verde – ist das ne Stadt?“ – „Sicher ist das ne Stadt oder stehen bei dir zu Hause die Banken vielleicht im Wald?“(Juan weiht John nach und nach in die Eigentümlichkeiten seines Landes und seines Geschäftes ein)

[John will wissen, woher Juan wusste, dass er von der Polizei gesucht wird] „Kannst du lesen?“ – „Na wenn ich das könnte, stünde ich jetzt nicht hier, aber wenn ich einen in der Zeitung sehe, mit Zahlen drunter, dann ist es ein Kopfgeld.“(Juan weiß sich zu helfen)

„Du solltest mal einen einzigen Augenblick an die Zukunft denken, die wir beide vor uns haben!“ – „Im Moment denke ich an den Zug, den wir hinter uns haben.“(John lässt sich von Juans Geschäftssinn noch nicht ganz anstecken)

„Dort, wo Revolution ist, ist auch Konfusion. […] Ein Mann, der weiß, was er will, kann dort, wo Konfusion herrscht, nur alles gewinnen.“(John versucht Juan die Vorteile der laufenden Revolution zu erläutern)

„Revolution, Revolution… Sei so gut und rede nicht von Revolution! Ich weiß genau Bescheid, wie diese Scheiße immer anfängt. Da kommt wer, der Bücher lesen kann, zu den armen Teufeln, die weder lesen noch schreiben können und sagt zu ihnen „Der Moment ist gekommen, wo alles geändert wird, Leute!“. Scheiße, scheiße… Ich weiß Bescheid, ich bin inmitten von Revolution aufgewachsen. Die, die Bücher lesen, gehen zu denen, die keine Bücher lesen und verkünden, es muss was verändert werden. Und die armen Teufel, die machen dann brav die Veränderung. Und dann setzen sich die schlauesten von den Bücherlesern um einen Tisch und reden und reden und fressen und saufen und reden. Und was bitte ist inzwischen aus den armen Leuten geworden? – Verreckt sind sie alle! So sieht deine Revolution aus! Sei bitte so gut, kein Wort mehr von Revolution! [hält kurz inne und dreht sich eigentlich schon weg, dreht sich dann aber wieder um und fährt fort] Und verflucht noch mal, weißt du, was danach kommt? – Die ganze Scheiße fängt wieder von vorne an!“(Juan hat allerdings bereits seine Erfahrungen mit der Revolution gemacht)

„Wir können jetzt unmöglich weglaufen. Vergiss bitte nicht, dass du ein gefeierter Held der Revolution bist – wie Pancho Villa!“ – „Hey, soll ich dir mal was sagen?“ – „Was?“ – „Fick dich in‘ Arsch!“(Juan fühlt sich für höhere Revolutionsaufgaben noch nicht gewachsen und möchte am liebsten fliehen)

„Als ich anfing mit Dynamit zu arbeiten, da habe ich auch an so manches geglaubt, an Vieles. Und jetzt glaube ich nur noch an das Dynamit. Und darum verurteile ich dich auch nicht. Das habe ich in meinem Leben nur einmal gemacht.“(John klärt Doktor Villega (Romolo Valli) über sein bisheriges Leben als Revolutionär auf)

★★★★★★

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