Eine Pistole für Ringo

Una Pistola Per Ringo

★★★★

  • Jahr: 1965
  • Regie: Duccio Tessari
  • Darsteller: Giuliano Gemma, Fernando Sancho, Lorella De Luca, Antonio Casas, Nieves Navarro, George Martin, Manuel Muñiz...

Story

Eigentlich sitzt Ringo (Giuliano Gemma) mal wieder im Gefängnis. Als aber der Bandit Sancho (Fernando Sancho) mit seiner Bande die Bank des kleinen Städtchens Quemado überfällt und sich auf der Hacienda des alten Majors Clyde (Antonio Casas) verschanzt, verspricht man ihm die Freiheit, wenn er als der beste Pistolero der Gegend helfend einspringt. Ringo willigt ein und versucht für dreißig Prozent der Beute dem alten Gentlemen, dessen Tochter Ruby (Lorella De Luca) und den restlichen Bewohnern des Hofes das Leben zu retten. Er schleimt sich in das Vertrauen von Sancho ein und schlägt ihm einen Fluchtplan vor, der in Wirklichkeit aber natürlich eine mit Sheriff Ben (George Martin) abgesprochene Falle ist. Sancho hat zwar einige Bedenken, willigt dank Ringos Schlitzohrigkeit allerdings letztendlich ein. Und so gelingt es durch diesen Plan alle Geiseln bis auf Clyde und den Jungen Chico in Sicherheit zu bringen. Aber auch diese Beiden verteidigt Ringo noch gekonnt gegen die letzten verbliebenen Banditen. Zu guter Letzt legt er Sancho um. Dann dampft er schnell alleine mit seinem Anteil der Beute ab, bevor irgendjemand ihn daran hindern kann.

Worte zum Film

großartige Darsteller spielen toll ausgearbeitete Charaktere in einer wunderbar kurzweiligen, mitunter sehr lustigen Story; herausragende Regie; sehr gute Musik; trotz noch sichtbarer US-Anleihen ein wegweisender Italowestern; „Ringo“ rockt!

Bewertung

Zum Film:

Das Einzige, was ich an „Eine Pistole für Ringo“ vor und während des ersten Ansehens nicht so ganz verstanden hatte, war, warum gerade er ein Klassiker geworden ist. Schließlich ist er rein von der Optik her noch kein vollwertiger Italowestern. Hier sieht man die Einflüsse des US-Westerns noch ganz schön durchscheinen und bei einem Baujahr von 1965 verwundert das ja auch nicht weiter. Der Film ist eigentlich zu grün für einen Italo, die Stadt sieht sehr sauber aus, ihr Sheriff noch viel mehr und selbst Ringo ist glattrasiert. Darüberhinaus ist „Una Pistola Per Ringo“ noch ein Paradebeispiel für einen „Hacienda-Western“, wie ich sie nenne. Da gibt es ja, gerade aus den Anfangszeiten der europäischen Pferdeoper, einige Beispiele für Vertreter, die ihre Handlung zu mindestens fünfzig Prozent auf eine Hacienda irgendwo im Grenzgebiet verlegen und das ist normalerweise ja kein typischer Schauplatz für einen Italowestern (davon hatte man sich relativ fix wieder entfernt). Und auch sonst finden sich noch einige weitere Anleihen bei den guten, alten US-Pferdeopern; etwa, dass gerade Weihnachtszeit ist. Zwar wäre es natürlich völlig übertrieben Duccio Tessaris Genredebüt als klassischen Weihnachts-Western zu bezeichnen, aber diese „Jahreszeit“ erwartet man trotzdem eher in amerikanischen Beiträgen (auch wenn mir als solche jetzt ad hoc auch nicht mehr einfallen wollen als „Spuren im Sand“ und „Weihnachten im Wilden Westen“). Daher stellte sich für mich wie gesagt bereits vor der ersten Betrachtung die Frage, wieso ausgerechnet dieser Film nach Leones Startschuss ein Jahr zuvor der zweite Klassiker dieses Subgenres werden sollte. Denn eigentlich stört es im Nachhinein doch jeden Italo-Fan gewaltig, wenn ein Streifen so amerikanisch anmutet wie dieser hier (ich mein, hey, wir haben mit „Adiós Gringo“ und „Un Dollaro Bucato“ zuletzt gerade erst zwei dieser Vertreter gehabt und ich kann nicht gerade sagen, dass sie mich mit dieser Eigenschaft sonderlich aus dem Stuhl gehauen hätten).

Und auch wenn man sich während des ersten Durchlaufs diese Frage noch einmal öfter stellt, so fällt die Antwort darauf bereits am Ende desselben nicht schwer. Grund eins ist eigentlich selbsterklärend und hängt mit dem von mir soeben gewählten Ausdruck „im Nachhinein“ zusammen. Denn 1965 waren die Regeln des Genres eben noch nicht so klar definiert wie ein bis zwei Jahre später und das Publikum diesbezüglich sicherlich noch nicht so anspruchsvoll, wie man es heute ist. Da dürfte es noch ausgereicht haben, einen inhaltlich guten Film zu präsentieren. Womit wir bei Grund zwei wären und der ist so simpel wie hocherfreulich: Mag Tessaris Streifen auf der einen Seite vielleicht wie ein kleiner Rückschritt gegenüber „Per Un Pugno Di Dollari“ anmuten, so macht er das auf der anderen locker damit wieder wett, dass er einfach rockt! Es gibt kaum einen Italowestern, der von der ersten Minute an so viel Spaß macht und dabei so leichtfüßig und unbeschwert daherkommt wie dieser. Denn hier braucht man sich echt um nichts Gedanken zu machen und darf seine Sorgen wirklich mal für eine Weile vergessen. Alles ist irgendwie nicht ganz so ernst zu nehmen und trotz der mitunter doch recht harten Gangart geht es Tessari nur darum, seine Zuschauer leicht zu unterhalten, während man sich bei vergleichbar guten Italo-Klassikern wie „California“ oder „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ immer mit irgendwelchen Problemen auseinander setzen muss. Das tut man in dem Moment zwar sehr gerne, aber immer hat man da ja auch nicht Bock drauf. Ich zumindest nicht. Ich hab genug eigene Baustellen und so brauche ich selbst am Wochenende manchmal einfach nur eine Pferdeoper, die simpel gestrickt ist und mich mit keinen weiteren Fragestellungen oder Problemen konfrontiert, die ich in dem Zustand sowieso nicht gewillt bin zu analysieren oder zu beantworten. Und genau in diesem Zustand wähne ich mich dann des Öfteren genau richtig im Italowestern-Genre, denn da geht’s ja nun mal vorrangig um die Action und nicht um Problembewältigung. Diese Annahme ist ja auch grundsätzlich nicht völlig falsch, aber dann muss man sich auch damit abfinden, dass man dann wohl kaum etwas Besseres als einen Dreisterner mit zwei Plus zu sehen bekommt, da es unter diesen Actioner-Italos nun mal leider kaum einen gibt, dem man wirklich vier Sterne geben kann, weil dann immer irgendwo die Story (und die will ich trotz allem nicht missen) oder etwas anderes (in über 90 Prozent der Fälle dürfte es aber die Handlung sein) auf der Strecke bleibt. Das reicht dann eben für unter der Woche auch völlig aus; am Wochenende dürfte es dann aber gerne schon mal ein wirklich guter Vertreter sein – selbst im Italo-Bereich. Und diesbezüglich fallen mir da so aus’m Stehgreif gerade mal „Für eine Handvoll Dollar“ selbst, „Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“ und – mit leichten Abzügen in der B-Note – „Sabata“ ein, die in der Kategorie „Reichlich um sich ballern und trotzdem eine angemessene Story bzw. einen angemessenen Rest davon präsentieren“ ein ähnlich hohes Niveau erreichen wie „Eine Pistole für Ringo“. Aber dieser ist unter denen, die ich aus selbiger bislang kenne, eindeutig der Beste und tatsächlich wohl sogar der beste aller 4-Sterne-Italowestern. Für einen Streifen wie diesen wurde das Wort „kurzweilig“ erfunden!

Und den Plot an sich finde ich hier auch wirklich nett. Eine Horde Banditen unter der Leitung von Fernando Sancho, der auch in seiner Rolle nur Sancho heißt, raubt eine Bank aus und verschanzt sich auf einer Hacienda vor ihren Verfolgern. Ein Mann wird eingeschleust und soll versuchen, die Geiseln zu retten. Klingt banal, ist es grundsätzlich auch und genauso soll es in der Ausgangsposition ja auch sein. Was Tessari und seine Co-Writer Alfonso Balcázar, Enzo Dell’Aquila und Fernando Di Leo daraus gemacht haben, ist das Entscheidende. Denn hier bekommen wir nicht einfach irgendwelche 08/15-Hohlköpfe vorgesetzt, sondern richtige Charaktere. Das hätten die folgenden Nachahmer gerne so übernehmen können. Titelheld Ringo z. B. ist eine völlig unorthodoxe Type, die mit dem Charakter, den John Wayne 1939 für John Ford spielte und den Namen damit berühmt machte, absolut nichts mehr zu tun hat. Ganz im Gegenteil ist dieser Ringo (ohne das nervige „Kid“ hintendran, obwohl es zu Gemmas „Engelsgesicht“ ja viel besser gepasst hätte ;)) bereits ein echter Antiheld, der seine außergewöhnlichen Fähigkeiten nur gegen außergewöhnliche Bezahlung einsetzt. Und der dabei einer Menge Prinzipien folgt, die ihm die Autoren auf den Leib geschrieben haben, was für den Zuschauer dann meist ziemlich komisch ist, wenn er darauf verweist (selten wurde eine solche Eigenart eines Protagnisten so konsequent weiterverfolgt wie hier). Dass er ein äußerst guter Schütze ist, versteht sich natürlich von selbst. Da er darüberhinaus aber auch noch ziemlich schlau und gewitzt ist, muss er diese Fähigkeit gar nicht so oft demonstrieren, wie man zuerst vielleicht glauben sollte. Stattdessen arbeitet dieser Ringo ein ums andere Mal nur mit seinem Verstand und hat dabei die Eigenart, seine Gegner mit einem Teil einer eigentlich geheim zu haltenden Wahrheit zu konfrontieren und diese dann so abzuwandeln, dass er selbst daraus Kapital schlagen kann ((Spoiler) z. B. wenn er Sancho einfach so ins Gesicht sagt, dass der Sheriff ihn zur Rettung der Geiseln geschickt hat und ihm dafür 30 Prozent der Beute versprochen hat, nur um dann vom Mexikaner 40 Prozent für einen Seitenwechsel zu verlangen (Spoilerende)). Dieses „das Herz auf der Zunge tragen“ ist ungemein erfrischend und im Kino generell viel zu selten zu sehen. So eine Hauptfigur kann einen Film dann eben auch locker tragen. Und dabei müsste sie das in diesem Fall noch gar nicht mal unbedingt alleine können. Denn mit der ebenso schlag- wie schießfertigen Miss Ruby (Lorella De Luca), dem Sheriff Ben (George Martin), der gerne ein guter Schwiegersohn sein möchte und nicht zuletzt dem drolligen Tim (Manuel Muñiz) hat man hier reichlich interessante Nebencharaktere an Bord. Und Antonio Casas Figur, der Haciendaro Major Clyde, gibt dem Ganzen zusätzlich eine interessante Note. (Spoiler) Ich wüsste jetzt zumindest auf Anhieb nicht, dass ich es in einem Western noch einmal gesehen hätte, dass sich ein solcher Mensch so in die Geschichte einmischt, dass er erst mit der Geliebten des Bandenchefs anbandelt, um sein Gefolge zu retten und sich dann in sie verliebt. Und sie hat für ihn ja nun auch nicht gerade nur Antipathie über. Eine spezielle Art des Stockholm-Syndroms quasi. Sehr interessant. (Spoilerende)

Aber nicht nur die gute Seite ist entsprechend ausgestattet. Hier hat auch jeder (wichtige) Bandit tatsächlich seinen eigenen Charakter. So haben wir hier den kühl kalkulierenden Boss Sancho, der absolut brutal, aber auch wirklich clever ist und sich daher nicht so leicht hinters Licht führen lässt, wie Ringo das gerne hätte ((Spoiler) sehr geil, wie er gegen Ende mit seinen Leuten doch ein anderes Zeichen ausgemacht hat, als das, das er Ringo mitteilte und ihn so auf Ehrlichkeit und Loyalität prüft; vor allem, weil bis dahin für Ringo alles glatt ging (Spoilerende)). Seine rechte Hand Pedro alias José Manuel Martín kennt zwar keine Furcht, aber auch keine Vorsicht, ist in seinen Methoden ebenso knallhart wie sein Chef, aber viel zu leicht reizbar, was ihn zu mehr als einem bloßen Sidekick macht, da Ringo dies durchaus für sich zu nutzen weiß. Und selbst der junge, hitzköpfige „Nachwuchsbandit“, den Nazzareno Zamperla hier zum Besten gibt, bleibt aufgrund seiner Unberechenbarkeit bei gleichzeitiger echter Loyalität im Gedächtnis hängen.

Was Tessari und Co. weiterhin hervorragend gelungen ist, ist ihr Witz hier. Schon die Intro-Szene mit dem Weihnachtsgruß ist super. Zwar ist der Joke relativ vorhersehbar, aber die Idee ist einfach gut. Und auch im weiteren Verlauf des Streifens wird alles – wie gesagt – nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Tessari versteht es, jede noch so kleine Spannung, die sich aufbaut oder vielleicht aufbauen könnte, durch einen gut platzierten Spruch gleich wieder zu entschärfen und das ist bewundernswert, weil er es einem als Zuschauer so unheimlich leicht macht, seinen Streifen zu mögen ((Spoiler) einer der größten und besten Gags hier ist für mich übrigens der Prozess, den man Ringo im Kittchen macht; einfach göttlich dieser Humor – und ist euch eigentlich aufgefallen, dass Barboni den Gag mit dem Sektkorken gar nicht erfunden hat? ;) (Spoilerende)).

Und wenn ich so ein tolles Drehbuch erst mal geschrieben habe, brauche ich wohl auch keine große Motivation mehr, es auch angemessen zu verfilmen. Diesen Eindruck macht jedenfalls Tessaris Regie-Leistung hier, die ein „angemessen“ weit übersteigt und schlichtweg überragend ist. Durch sie beweist er auch, dass „Una Pistola Per Ringo“ eben doch kein US-Western-Abklatsch mehr ist, sondern nur noch ein wenig durch diese beeinflusst (was man nur merkt, einen aber nie stört) und im Grunde schon ein echter Italo. Denn bei all dem Witz und all den unterschiedlichen Charakteren, die hier ihren Raum bekommen, kommt die Action nie zu kurz. Mehr als das. Der Revolver ist ständig präsent (Wolfgang Luley spricht von einem Bodycount von 60 Personen), ständig prügelt sich wer oder machen sich wenigstens zwei Leute einfach nur auf höchstem Niveau an (ohne dass sie gleich aufeinander los gehen). Und das fetzt einfach, zumal Tessari das alles auch hervorragend in Szene gesetzt hat. Da gibt es gar nichts zu meckern, wenn ich jetzt Ringos Einführungsszene mal als Beispiel nehmen soll, die ich als besonders gelungen empfinde. Das sind Italo-Shootouts erster Kajüte. Und was besonders überrascht und gleichzeitig gefällt, ist die Kompromisslosigkeit, mit der Tessari seine Bad Guys hier ins Rennen schickt. (Spoiler) So erstaunten mich nicht nur die teilweise doch ziemlich makabren Tötungsmethoden der Hacienda-Geiseln (und hier vor allem, dass niemand – außer Ringo indirekt natürlich – auch nur versucht, in irgendeiner Form einzugreifen), sondern zum Beispiel auch der Banküberfall von Sanchos Bande, wo ja echt jeder Mensch, der den Banditen gerade über den Weg läuft, erschossen wird – egal, ob er eine Pistole dabei hat oder nicht, egal, ober er zu der Szenerie hin läuft oder von ihr weg, egal, ob er die Absicht hat einzugreifen oder nicht (besonders cool hierbei für mich übrigens die Szene in der Bank, in der der eine Angestellte hinterm Schalter losläuft, um irgendwen zu holen, nachdem die Banditen eigentlich schon draußen sind, Sancho in weiser Voraussicht aber nochmal zurückkommt und ihn über den Haufen ballert). (Spoilerende)

Und so ein Regisseur kann natürlich auch mit seinen Darstellern umgehen. Folglich sind auch diese alle super aufgelegt und können einen von der ersten Minute an überzeugen. Das geht sogar schon bei George Martin los, den ich sonst ja eigentlich so überhaupt nicht verknusen kann, der aber hier – frisch rasiert und angenehm zurückhaltend (weil von Tessari mit einer etwas kleineren Rolle bedacht) – absolut in Ordnung geht. Mehr als in Ordnung geht Fernando Sancho. Der ist ja eine von diesen Personen, die man am besten in einer Hauptrolle erlebt, weil sie sich sonst nicht so richtig entfalten können. Leider aber wurde er ja so selten mit einer wirklichen Hauptrolle in einem ähnlich guten Streifen bedacht und so frage ich mich, ob er in „Eine Pistole für Ringo“ nicht vielleicht sogar seine beste Performance in diesem Genre an den Tag legt, aber da will ich mich ob der Fülle seiner Auftritte in Selbigem (und gerade derer, die ich noch nicht gesehen habe) lieber nicht festlegen. Fest steht nur, dass dieser durchtriebene Bandenchef auf jeden Fall eine seiner besten Darbietungen ist (und selbstredend der Grund dafür, warum er diese Rolle hiernach noch so oft spielen sollte). Das ist die seines Stellvertreters auch für José Manuel Martín, bei dem ich mich jetzt so spontan auch an keine größere Rolle erinnere, bei dem ich mir aber eigentlich sicher bin, dass er nie besser war, weil er hier einfach nur den Bad Guy raushängen lässt, wie es seine Rolle von ihm erfordert und er zusätzlich das Riesenglück hat, in der deutschen Synchronfassung von Arnold Marquis gesprochen zu werden (das passt wunderbar zusammen und ist einfach cool). Die beiden Frauen hier machen ihre Sache auch wirklich perfekt, was im Italowestern-Bereich eine ziemliche Einmaligkeit sein dürfte. Dies überraschte mich vor allem bei Nieves Navarro, die ich sonst auch nicht so stark finde und die hier zusätzlich mit ihrer sehr ungewohnten, schwarzen Haarpracht zu kämpfen hat (die vielleicht sogar eine Perücke sein könnte). Deswegen sieht Lorella De Luca hier nicht nur besser aus, auch schauspielerisch hat sie die Nase vorn. Insgesamt aber tut es sehr gut, zur Abwechslung mal nicht Evelyn Stewart mit ansehen zu müssen…

Antonio Casas ist auch mal wieder unvergleichlich in seiner Darstellung des liebeskranken Majors Clyde, aber am allerbesten ist tatsächlich „Ringo“ Giuliano Gemma. Der spielt hier auch eine der Rollen seines Lebens (von der Bedeutung her wahrscheinlich sogar wirklich die Rolle seines Lebens, denn „Ringo“ hat ihn ja berühmt gemacht) und ist ganz groß. Völlig perfekt mimt er Ringos Überlegenheit und Schläue und hat dabei immer noch einen Gag parat (so läuft Ringo etwa zur Begrüßung der Banditen auf der Hacienda auf deren Mauer entlang und fuchtelt mit dem Finger). Bei ihm ist es mir zwar wirklich unmöglich zu sagen, ob er noch mal besser war als hier, denn ich habe es mittlerweile aufgegeben seine ganzen hervorragenden Auftritte in italienischen Genre-Filmen gegeneinander aufzuwiegen (dafür hat er davon über die Jahre einfach zu viele abgeliefert), aber ich kann sagen, dass man einen besseren Ringo nicht hätte finden können. Und das sage ich, der ich ihn früher, als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, noch für einen Milchbubi gehalten und ihm diese Rolle daher noch gar nicht abgekauft habe (und das lag damals nicht nur an den ungewohnt hell gefärbten Haaren)… Heute finde ich ihn perfekt. So ändert man sich.

Und was den sonstigen Produktionsrahmen dieses Frühzeit-Klassikers angeht, so ist auch diesbezüglich alles im grünen Bereich. Ennio Morricone liefert einen seiner gewohnt großartigen Scores ab, der höchsten mit seinen größten Werken für die beiden Sergios nicht mithalten kann, ansonsten aber einfach jede Erwartung übertrifft. Sein Titellied finde dabei besonders klasse – ein echter Ohrwurm und für mich ein grandioser Song (warum mein Bruder ihn grauenvoll findet – das verstehe, wer will). Aber auch wie er die Musik vor dem Banküberfall steigert oder tatsächlich sogar ein Weihnachtslied in seine Melodien verwebt, ist großartig und immer wieder schön zu hören. Ein Sonderlob gebührt ebenso Kameramann Francisco Marín, der tolle Bilder schießt und Tessaris Regiekunst damit gebührend einfängt.

Und so lautet mein Fazit: „Una Pistola Per Ringo“ fetzt einfach von der ersten bis letzten Minute, hängt echt nie durch und vergisst dabei weder an die Geschichte zu denken, die er eigentlich erzählen will, noch an die für die einen Italo unerlässlichen Shootouts und anderen Action-Szenen. Duccio Tessari beweist hier, dass er ein klasse Regisseur als auch Drehbuchautor war und besonders der Fakt, dass wir es hier eben nicht mit irgendwelchen schablonenhaften Charakteren zu tun haben, gefällt mir an seiner ersten Pferdeoper. Wie gesagt schafft er einen der besten kurzweiligen Italowestern (und zumindest den besten mit vier Sternen), in den man sich überhaupt nicht weiter eindenken muss, der einem keinerlei Probleme vorsetzt, seine Story trotzdem nie vergisst und einen damit bombig unterhält. Genau so wie fast jeder andere Italo eben gerne sein würde. Da ist es auch völlig egal, dass er von den Schussentfernungen (Revolver tragen hier bestimmt gut nen Kilometer) und -genauigkeiten (jeder x-beliebige Bandit schießt hier wie ein Schützenkönig) natürlich völliger Schwachsinn ist. Es muss sogar so sein. Denn am Ende beweist auch das bloß: Obwohl „Eine Pistole für Ringo“ noch sichtbar vom US-Western beeinflusst ist (das wird niemand leugnen können), ist er im Gegensatz zu den tatsächlich hiernach erst in den Kinos angelaufenen (und daher mutmaßlich auch erst später gedrehten) Gemma-Western „Adiós Gringo“, „Un Dollaro Bucato“ und „Per Pochi Dollari Ancora“ kein billiger Abklatsch der amerikanischen Vorbilder und damit eben kein Rückschritt gegenüber „Per Un Pugno Di Dollari“, sondern bereits ein waschechter Italowestern mit Antiheld, jeder Menge Shootouts und den unumgänglichen Gimmicks. Nur den Bart schenkt sich Ringo eben. Aber das darf Gemma auch, da gerade eben genannte auch abschreckende Bauspiele dafür sind, wie er mit Gesichtspullover aussieht – und weil ja auch Weihnachten ist; da darf man sich schließlich was wünschen. Und somit trägt „Una Pistola Per Ringo“ seinen Klassikerstatus einfach völlig zu Recht (nur, falls das jetzt wirklich noch nicht klar geworden sein sollte). Damit dürfte es sich bei Ringo um den einzigen Titelhelden handeln, der sowohl im US- als auch im Italowestern große Publikumserfolge verbuchen konnte. Und den kann man dann auch an Weihnachten gucken. Oder eben jedes Wochenende…

Übrigens: Nach dieser Wohltat erschließt sich mir der Sinn von Giulio Petronis schwacher Nummernrevue „…E Per Tetto Un Cielo Di Stelle“ noch viel weniger. Einen nicht nur ziemlich unterhaltsamen, sondern sogar ziemlich lustigen Western mit einigen wirklich harten Elementen und Giuliano Gemma in der Hauptrolle gab es seit „Eine Pistole für Ringo“ doch bereits. Nur, dass Tessari eben wusste, was er wollte und so keine Klamauk-Szenen einbaute, die seinen Streifen in die Komödien-Ecke geschoben hätten, aus der er nicht wieder herausgekommen wäre. Für alle also, die sich nach der Bewertung dort gefragt haben, wie man mit ein wenig mehr Konzept einen viel besseren Film auf die Beine hätte stellen können als „Amigos“: Genau so wie hier geht es. Dass die ansonsten sehr gute deutsche Synchronisation an einigen Stellen mit ungewollter Komik sogar noch ein wenig nachhilft, hatte Tessari zwar sicherlich nicht eingeplant, es entlockt dem Zuschauer aus teutonischen Landen aber doch noch das eine oder andere Grinsen mehr. So bittet George Martin Nieves Navarro erstmal in sein „Office“ und reden alle hier immer von „Kreistel City“ – da würde ich doch mal gerne wissen, wo diese Stadt liegen soll. :D

Zur DVD:

Und mit dieser Nummer 12 ihrer mittlerweile ja leider längst wieder eingestellten „Western Collection“ (eigentlich ja Italowestern Collection, wurde aber warum auch immer damals nicht so benannt) als auch mit der hierauf folgenden Veröffentlichung Nummer 13 zu „Ringo kommt zurück“ haben uns die Jungs von Koch Media (damals noch um Ulrich P. Bruckner) mal wieder eine Riesenfreude gemacht, würde ich sagen. Und das betrifft bei mir vor allem diese Veröffentlichung, da im oben stehenden Text ja rausgekommen sein dürfte, dass „Eine Pistole für Ringo“ für mich eine der besten italienischen Pferdeopern überhaupt ist. Und das Allerbeste ist: Die Bildqualität ist einfach nur ein Traum. Sieht aus wie eben erst gedreht, das Ding und dabei ist er ja von 1965. Gut, ok, gemessen an heutigen BD-Standards kann man da natürlich noch was zu meckern finden und ich verstehe auch absolut nicht, warum Koch bei diesem offensichtlich ziemlich guten Ausgangsmaterial keine HD-Abtastung machen will oder kann, aber solange es eine deutsche BD hierzu noch nicht gibt, bin ich mit dieser Scheibe mehr als zufrieden. Die Ton-Quali ist auch super, hat ein, zwei Schwächen (z. B. einen etwas blechernen Klang direkt zu Beginn), aber das kratzt mich nicht die Bohne. Und als Bonus haben wir hier:

  1. Featurette „They Called Him Ringo“: Und ich hatte doch recht, denn da ist es schon wieder! Schon wieder das gleiche Interview-Material mit Giuliano Gemma in seiner Bude von vor bestimmt bald 20 Jahren. Das hat Koch im Feature zu „…E Per Tetto Un Cielo Di Stelle“ also doch einfach nur noch mal neu aufgesetzt… Hier haben sie es mit einem Interview mit Lorella De Luca zu einer zwanzigminütigen und an sich sehr interessanten Dokumentation zusammengeschnitten. Nur nerven einen die ewig gleichen Sätze, die ich bald mitsprechen kann, natürlich auf die Dauer. Aber dafür ist immerhin das Gesagte der sympathisch wirkenden Signora De Luca, die offensichtlich mit allen am Set gut konnte, nett mitanzuhören. Und seinerzeit war’s ja auch noch lange nicht so ausgelutscht wie heute.
  2. Deutscher und Englischer Trailer: Beiden Trailern unterliegt hier völlig unverständlicherweise die Musik von „Preparati La Bara!“, wenn ich mich nicht verhört habe…
  3. Bildergalerie: Zum Durchklicken.
  4. dreiseitiger Inlay-Text von Wolfgang Luley: Also an dieser Stelle muss ich dann wohl mal zugeben, dass ich kein großer Freund von dieser Art Texten bin. Erstens steht da in der Regel nicht wirklich was drin, was man nicht auch im Internet nachlesen könnte und zweitens haben die Autoren oft eine Meinung, der ich nicht zustimmen kann. Im Fall von Wolfgang Luley ist das sogar ganz besonders häufig so. Der bezeichnet Gemma doch glatt als italienischen Burt Lancaster. Also das kann man so ja wohl überhaupt nicht sehen. Unabhängig davon, dass Gemma aus meiner Sicht der wesentlich bessere Schauspieler war, war Lancaster zwar sportlich, aber lange nicht so athletisch wie der Italiener und er hat auch lange nicht so eine Karriere in Komödien hingelegt (ganz im Gegenteil waren seine Komödien in der Regel absolute Rohrkrepierer). Und das mit den religiösen Motiven, die Luley hier überall entdeckt, ist ja wohl maßlos übertrieben. Würden Tessari und Di Leo, die beide bestimmt gläubig gewesen sind, das lesen, würden sie wohl selbst schmunzeln. Einige Anspielungen mögen ja stimmen, aber das alles haben sie sich dabei bestimmt nicht gedacht. Und auch die sonstigen Auflistungen von Gemmas „Errungenschaften“ im Italowestern- bzw. generell Film-Bereich hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht. Aber lesen kann man das ja ruhig mal. Blöder wird man davon jedenfalls nicht. Nur nicht einfach so alles glauben, was einem vorgesetzt wird. ;)

Und hier gibt es gar keine zwei Meinungen: Selbst wenn das hier keine Koch-DVD wäre, müsste man sie sich kaufen. Dabei ist es am Ende auch völlig egal, ob man diese Version oder die fünf Jahre später erschienene Neuauflage der „Western Unchained“ Collection sein Eigen nennt. Diese hier sieht allerdings natürlich wesentlich netter aus. Nur schade, dass die Reihe im Gegensatz zu den „Western Legenden“ nicht mehr fortgesetzt wurde…

Zitat

[Ringo hat eben die 4 Benson-Brüder in Notwehr erschossen und erklärt dies Sheriff Ben] „Die vier Bensons suchten mich auch und hatten das Unglück, Glück zu haben.“(Ringo ist kein Schornsteinfeger)

„Nur zu Weihnachten wünscht man sich Gutes. Sonst, wenn man Glück braucht, wünscht man sich die Pest an den Hals.“(Hilfssheriff Tim (Manuel Muñiz) hinterfragt kurz vor dem Jahreswechsel alte Gewohnheiten)

„Ich meine Geschenke sind immer Geschenke – auch wenn es keine Überraschungen mehr sind. Ich habe das Gefühl die hübschesten Präsente sind immer die, die man sich selber macht – vor allem, wenn man Dinge schenkt, die überflüssig sind.“(Major Clyde macht sich selbst den Weihnachtsmann und redet dabei Überflüssiges)

„Selbst wenn ich dich schon satt hätte, würde ich dich heiraten, nur um deinen bezaubernden Vater als Schwiegervater zu kriegen!“(Sheriff Ben ist zu Weihnachten zu Komplimenten aufgelegt)

„Du Bursche redest mir zu schlau, um länger zu mir zu gehören.“(Sancho verkleinert seinen Stab per Bleipräsent)

„Ich habe nie etwas gegen einen Mann, der ein Messer in der Faust hat.“(Major Clyde zeigt sich gastfreundlich)

„Man soll in keine Sache einsteigen unter 30 Prozent!“(Ringo hat Prinzipien)

„Du warst eingesperrt? Das ist mir immer sympathisch, mein Junge.“(Sancho entdeckt sofort die Vorzüge seines Gegenübers)

„Möchten Sie etwas haben?“ – „Ja, eine Flasche Whiskey – eine gute Marke.“ – „Wir haben auch Tequila. Den mischen wir den Schweinen ins Futter. Ich glaube, der passt hier.“(Miss Ruby zeigt sich ebenfalls gastfreundlich)

„Wenn du Schwein mich umbringst, mach‘ ich Hackfleisch aus dir!“(Sancho gibt Ringo, der ihm eine Kugel rausholen soll, klare Anweisungen)

„Eine schöne Frau sollte sich immer bewundern lassen.“(Major Clyde gibt Gangsterbraut Dolores (Nieves Navarro) Lifestyle-Ratschläge)

„Zu früh aufstehen, ist der Gesundheit schädlich.“(Ringo ist ein Morgenmuffel)

„Nicht um Tote weinen! Das nützt nichts.“(Ringo hat’s wohl schon ausprobiert)

„Verrückt ist man, wenn man verliebt ist!“(Ringo weiß in jeder Lebenslage Bescheid)

„Ich fühle mich ohne Colt nackter als ohne Kleider.“(Ringo lebt gern in den USA)

„Nur wer zu hassen versteht, versteht zu töten. Und nur eine echte Frau versteht zu hassen.“(Dolores spricht den Männern für einen Western grundlegenden Eigenschaften ab)

[Sheriff Ben reitet seine Wachposten ab und erzählt die Neuigkeiten aus der Stadt] „Die Frau von Steve hat ein Kind gekriegt.“ – „Die kriegt immer n Kind.“(ein Wachposten kennt die Geschichte schon)

„Ich bleib‘ nie auf der Seite, die verliert.“(Ringo erklärt, warum er im Bürgerkrieg erst für die Süd- und dann für die Nordstaaten gekämpft hat)

„Von Geburt sind alle Menschen gleich; nur der Colt, der macht sie verschieden.“(Ringo hat seine eigene Auffassung von Genetik)

„Je mehr Geld die Frauen haben, desto mehr Röcke ziehen sie an.“(Pedro (José Manuel Martín), Sanchos rechte Hand, stellt bei Inspektion fest)

[Ringo erschießt schwarz angemalt alle Gegner, die Tim an den Kragen wollten] „So gut hat noch kein Neger geschossen.“(Tim erkennt in Ringo doch den Schornsteinfeger)

„In dieser Welt kommen Sie mit Mitleid nicht weit.“(Ringo weiß Bescheid)

„Wenn einer umlegt, bin ich es!“(Sancho lässt Hierarchie-Diskussionen gar nicht erst entstehen)

★★★★

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