Django – Die Totengräber warten schon

Quella Sporca Storia Nel West

★★★ +

  • Jahr: 1968
  • Regie: Enzo G. Castellari
  • Darsteller: Andrea Giordana, Horst Frank, Gilbert Roland, Ennio Girolami, Pedro Sanchez, Françoise Prévost, Manuel Serrano...

Story

Als Django Hamilton (im Original Johnny Hamilton (Andrea Giordana)), aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, findet er seinen Vater, George Hamilton, ermordet vor. Seine Mutter (Françoise Prévost) hat schon einen neuen Mann geheiratet, Claude Hamilton (Horst Frank), delikaterweise der Bruder des Verstorbenen. Der hat überall erzählt, dass der mexikanische Bandit Santana (Manuel Serrano) Djangos Vater ermordet und dass er ihn daraufhin umgebracht hätte. Django allerdings traut dem Frieden nicht und macht sich mit seinem einzigen noch verblieben Freund John (im Original Horace (Gilbert Roland)) auf die Suche nach dem wahren Mörder. Und tatsächlich stoßen die beiden bald auf ein paar Ungereimtheiten. Sie finden heraus, dass Santana noch lebt und mit Claude, dem eigentlichen Mörder, gemeinsame Sache macht. Also versuchen sie den beiden das Handwerk zu legen und ihnen das Gold, um das es damals ging, abzujagen. Natürlich gelingt ihnen das, wenn auch nach mühseliger Kleinarbeit und nicht ohne Verluste. Am Ende aber sind nicht nur Djangos Jugendliebe Emily (Gabriella Boccardo) sowie seine Mutter, sondern auch alle Spitzbuben tot, Django zerstreut das Gold in alle Himmelsrichtungen und der Sargmacher ist auch glücklich.

Worte zum Film

gute Darsteller, seltsame Locations und Atmosphäre, gute Musik; ein wenig zu actionlastig; bei der Adaption der Story wäre mehr drin gewesen

Bewertung

„Find a man, who never killed, not even for the love of gold, find a man, who’s true at heart and offer him your soul!“ Ja, geh mal und find so einen! Findste fast nüschts. Und genau das ist auch mal wieder das Fazit, dass dieser Streifen hier aus dem Leben zieht. Viele Tote und eigentlich alle zu Recht gestorben, weil sie’s aufgrund ihrer Lebenseinstellung zum Rauben und Morden nicht besser verdient hatten. Und ich mein, so ist es ja nun einmal auch. Es gibt viel zu wenige Leute, die „true at heart“ sind. Allerdings ist das nicht unbedingt das Fazit, dass man aus William Shakespeares „Hamlet“ ziehen muss. Das würde aus meiner Sicht z. B. eher blutarm ausfallen und so ungefähr „Lass dich nicht nur von Rachegefühlen leiten!“ lauten. Und dabei ist „Django – Die Totengräber warten schon“ doch die Adaption von Shakespeares berühmten Bühnenstück für unser geliebtes Italowestern-Genre. Will sagen: Ist es überhaupt so eine gute Idee Shakespeares Stücke (welches auch immer wir nehmen möchten) ins Western-Genre zu übertragen? Zumal noch dazu ins Italowestern-Subgenre, wo mehr geballert als gesprochen wird? Denn genau das verhält sich in Theaterstücken ja generell andersherum. Außerdem ist – und das muss man jetzt mal so knallhart sagen – Shakespeares Story gefühlt doch eigentlich viel zu intellektuell für den normalerweise eher primitiven, harten und unromantischen Italowestern. Das bedeutete also schon vorher für Sergio Corbucci, der ja die Idee hierzu hatte und auch eine Vorform der späteren Drehbuch-Story verfasste, und dann für Enzo G. Castellari, dass man einen wirklich außergewöhnlich intelligenten, außergewöhnlich guten und außergewöhnlich anderen Italowestern drehen musste, um hier nicht als Verlierer aus der Sache herauszugehen.

Dass dann nachher doch ein völlig typischer „Castellari“ dabei herausgekommen ist, ist die zweitgrößte Schwäche des Films. Denn entgegen allen Erwartungen, die man vorher ja doch hatte, obwohl man sie bei Italowestern generell zurückschrauben sollte, ist „Quella Sporca Storia Nel West“ eben nicht übermäßig intellektuell. Und das liegt mit Sicherheit auch daran, dass man mit Enzo Girolami einfach den falschen Regisseur für einen solchen Film verpflichtet hat, weil ein solches Unterfangen bei konsequenter Umsetzung einfach kein reiner Action-Western werden darf und nur auf solche war Castellari ja spezialisiert und nur solche war er anscheinend gewillt zu realisieren, wenn man sich das hier jetzt mal so anguckt. Denn wer gedacht hat, dass hier dann doch ein wenig weniger geschossen und geprügelt werden müsste, als in anderen Girolami-Western, der irrt. Für die Spezialisten Carpi und Castellari (die zusammen mit Francesco Scardamaglia das endgültige Drehbuch hierzu schrieben) war es ein Leichtes hier ebenso viel Action einzubauen wie in jeden anderen Durchschnitts-Italo auch. Und alles, was sie dazu tun mussten, war Shakespeares Charaktere Rosencrantz und Guildenstern in Ross (Ennio Girolami) und Guild (Pedro Sanchez) zu verwandeln, die hier von Anfang an zwei simple Handlanger von Bösewicht Claude (Horst Frank) sind, die Johnny Django (Andrea Giordana) und John (Gilbert Roland) ständig auflauern, um sie ins Jenseits zu befördern. Sonst wären sie wohl nicht so leicht auf den benötigten Action-Wert gekommen, aber so ging das augenscheinlich ganz einfach. Zum Beispiel tauchen die einfach mal so auf, wenn Django mit seiner Liebe Emily (Gabriella Boccardo) redet und Django bricht ohne besonderen Grund eine Schlägerei vom Zaun, die Castellari natürlich mit Leichtigkeit auf bestimmt fünf Minuten aufbauschen kann. Dafür ist er schließlich der Spezialist. Und wie gesagt ist das genau die Art von Western, die ich bei einer Shakespeare-Adaption nicht erwarte und eigentlich auch nicht sehen will. Da hätte es eine ruhige, ernste und tiefergehende Inszenierung gebraucht, wie von Castellaris Onkel Romolo Guerrieri in „10.000 blutige Dollar“ und ein entsprechendes Script. Aber vor allem Letzteres (denn schlecht ist Castellaris Inszenierung grundsätzlich und auch dank einiger genialer Einfälle, auf die wir noch mal zu sprechen kommen, nicht) lässt „Django – Die Totengräber warten schon“ schmerzlich vermissen.

Denn so geht es weiter. Während William Shakespeare das Hauptaugenmerk in seinem Stück aufgrund der Tatsache, dass Hamlet den wahren Mörder seines Vaters kennt, auf Hamlets und Claudius‘ Psycho-Spiel lenkt, geht es hier aufgrund der Tatsache, dass Django nur Vermutungen hat, fast nur um die Lösung der Frage, wer denn der eigentliche Mörder sei, was vor allem auch deswegen so ein bisschen langweilig ist, weil man die Antwort aufgrund der Kenntnis der Vorlage kennt (aber selbst wenn nicht, wäre sie wohl nicht allzu schwer zu erraten, zumal Django selbst ja von Anfang an auf der richtigen Spur ist). Kurz gesagt geht es hier erneut eher primitiv zu. Django findet immer neue Indizien, teils unter den wildesten Umständen ((Spoiler) beim Beischlaf mit einer Schauspielerin entdeckt er zufällig, dass diese sich aus einem Gürtelbeschlag von Santana hat einen Ohrring machen lassen, was ihn zu der Annahme verleitet, dass dieser noch leben muss (dass Santana wohl eher nicht der Typ ist, der Aufführungen von reisenden Künstlern besucht, dass er sich aktuell sowieso in der Wüste verstecken muss und dass eben jene Wanderschauspieler wohl kaum dort eine Station gemacht haben werden, denkt man besser gar nicht erst zu Ende) (Spoilerende)), kann aber nichts so richtig beweisen und kriegt den Beweis dann am Ende, ohne wirklich etwas dafür tun zu müssen ((Spoiler) weil Claude, der sonst alles und jeden kontrolliert, nämlich nicht verhindert, dass er Santana tatsächlich aufsucht und obendrein sogar noch mit bei dem im Rattenloch sitzt; hier muss er sich aufgrund einer List von Django dann outen bzw. hat im Gespräch vorher eigentlich schon keinen Hehl mehr darum gemacht, dass dieser längst den richtigen Mann im Verdacht hat (Spoilerende)). Na ja. Jedenfalls geht der Psycho-Faktor hier völlig verloren, auch aufgrund der Tatsache, dass sich Johnny Hamilton nicht geisteskrank gibt. Irgendwie soll ihm das hier zwar trotzdem untergeschoben werden, aber das macht alles nicht so wirklich Sinn. Außerdem wäre es sicher spannender gewesen, wenn das von ihm befeuert worden wäre. Das gehört doch zu Hamlet dazu.

Aber so etwas hat man hier generell nicht gemacht. Man hat eigentlich nur die Grundidee von „Hamlet“ übernommen, dass der Vater der Hauptfigur auf mysteriöse Weise ums Leben kommt und sich seine Mutter dann sofort mit dem Bruder des Verstorbenen vermählt, und man hat versucht die Charaktere irgendwie in diese Story, so wie wir sie jetzt auf dem Bildschirm sehen, zu übertragen. Ob das nun an jeder Stelle geglückt ist, darf jeder für sich selbst entscheiden. Natürlich war es nicht schwer, die Figuren des Hamlet, seiner Mutter und seines Onkels zu übertragen, aber bei Horazio hat man sich schon schwerer getan. Diesen, der bei uns John und im Original Horace heißt, installierte man fast wie eine Art Geist oder besser noch einen Schiedsrichter, der darüber wacht, dass der Wettkampf zwischen den Parteien fair ausgetragen wird. Er lässt Django in der Regel alleine machen und greift immer erst dann ein, wenn es für ihn wirklich um Leben und Tod geht. Manchmal hat man dabei das Gefühl, dass es nicht immer so eng werden müsste, wenn die beiden gleich zusammen auftreten würden. Weiterhin hat man zwar versucht Emily und ihren Vater ordentlich mit einzubauen, aber so richtig ist das auch nicht geglückt. Sie spielen hier einfach nicht die Rolle, die sie im Stück spielen (was allerdings auch ein Vorteil sein kann). Ganz davon zu schweigen, dass man den Charakter der Mutter von Django (bei der man im Bühnenstück davon ausgehen darf, dass sie von Anfang an weiß, wer ihren Exmann getötet hat) völlig neu interpretiert hat und der eigentlichen Intention von „Hamlet“ damit einen kolossalen Dämpfer verpasst hat (aber die Mutter ist in Italien ja heilig, wahrscheinlich liegt es daran). Das kommt überhaupt nicht gut, ebenso wie die Tatsache mit Santana (wieso muss dieser Klappspaten ausgerechnet Santana heißen?; das passt doch nun überhaupt nicht) einen völlig neuen, wichtigen Nebencharakter eingeführt zu haben, der absolut nicht in die Story passt.

Weiterhin könnte man das Ende bemängeln. (Spoiler) Denn ebenso wie die gespielte Geisteskrankheit Hamlets gehört das blutige Ende der Tragödie einfach mit dazu – auch wenn man daraus einen Western macht. Vielleicht gerade wenn man daraus einen Film macht, denn wir wissen ja, dass eigentlich viel zu viele Streifen mit einem Happy End ausklingen. Hier bekamen Carpi und Castellari die andere Variante von Shakespeare quasi schon mitgeliefert und haben sich geweigert, diese auch im Film umzusetzen (klar, ganz happy ist das ending auch nicht, aber auch nicht so krass wie in der Vorlage (die allerdings tragödientypisch ganz schön abgehoben ist)). (Spoilerende) Hier darf jeder für sich entscheiden, wie er das sieht. Ich finde den gemachten Kompromiss eigentlich ganz ok, aber aus der Masse der Italos abheben kann man sich damit nun mal nicht. Und so kommen wir zu dem Schluss, dass die Angleichung von Shakespeares Stück ans Westerngenre an sich eine löbliche und interessante Idee ist, dass selbige hier allerdings noch weitaus besser zu machen gewesen wäre. Da wäre noch wesentlich mehr drin gewesen.

Allerdings muss man auch zugeben: Irgendwo hat man sich das ja so gedacht und war irgendwie auch darauf vorbereitet (aber irgendwie und irgendwo hat man doch immer noch seinen Sack voller Erwartungen, den „Quella Sporca Storia Nel West“ nicht erfüllen kann), sodass einen das ja nicht vollständig schockieren kann. Und weiterhin muss zugegeben werden, dass es sich hierbei ja nun einmal um einen Italowestern handelt und der sollte seine Wurzeln ja nun auch nicht verleugnen. Es wäre sicherlich möglich gewesen eine intellektuelle „Hamlet“-Adaption auch ans Italowestern-Subgenre zu schaffen, aber dafür waren Carpi und Castellari einfach nicht die richtigen Leute. Und schlecht ist das, was sie daraus gemacht haben, auch nicht. Es ist einfach nur das, was ich normalerweise von einem Italo erwarte, und nicht das, was ich dieses spezielle Mal von diesem speziellen Italo erwartet hatte. Und mit seinen auch hier grandiosen Kameraexperimenten (genial natürlich seine „Einmal-um-den-Kopf-Fahrt“ von Andrea Giordana) reißt Castellari ja auch vieles wieder raus. So zum Beispiel beginnt er ja richtig klasse und setzt das Meer als Hintergrundkulisse ähnlich klug ein wie sein Onkel Romolo bei vorhin schon angesprochenem „10.000 Dollari Per Un Massacro“. Allerdings lassen sich auch ein paar Patzer des sonst so sicheren Action-Regisseurs erkennen. So sieht die vorhin auch schon angesprochene erste Prügelei des Films zwischen Django, Ross und Guild zum Beispiel für meinen Geschmack äußerst unrealistisch aus, was mich gerade bei Girolami immens erstaunt hat. Und der größte Spezialeffekt des Films, die eingesetzte, tote Emily im See mit der eingesetzten Pistole daneben, ist sowas von lächerlich. Dafür hätte Castellari sich verhauen lassen müssen (wobei er sich wohl nicht hätte verhauen lassen, vgl. mit dem Interview auf der Koch-Scheibe).

Und außerdem ist die für mich größte Schwäche dieses Streifens nicht mit der einfachen Erklärung „dafür is is halt n Italo“ abzutun. Die besteht nämlich darin, dass die ganzen seltsamen Drehorte, die Castellari und Co. hierfür „gecastet“ haben, einfach nicht zueinander passen wollen und dass somit einfach keine Atmosphäre aufkommen kann. Jede Location für sich sieht gar nicht schlecht aus (wenn der Ausflug in die Wüste zu Santana allerdings absolut nicht gut kommt, so oder so), aber ein Zusammenspiel dieser untereinander gibt es einfach nicht. Der Friedhof zum Beispiel oder auch das Haus von Claude und Djangos Mutter sind für sich genommen toll geworden (der Friedhof ist genial), aber wechselt man von einem zum anderen oder etwa in die Stadt, passt das für mich nicht mehr zusammen beziehungsweise ergibt das einfach keine Einheit auf dem Bildschirm. Und deswegen kann hier auch einfach keine Atmosphäre aufkommen. „Django – Die Totengräber warten schon“ ist ein vorzügliches Beispiel dafür, wie wichtig Atmosphäre für einen Film ist. Allerdings ist dieser Kritikpunkt bestimmt wieder einmal nur für mich wirklich wichtig, weil der Punkt Atmosphäre ja nun wirklich einer der subjektivsten, wenn nicht sogar der subjektivste überhaupt auf der Bewertungs-Strichliste ist.

Dafür hab ich dann bei den Darstellern wieder ein Plus stehen, denn Veteranen wie Gilbert Roland, Ennio Girolami oder Pedro Sanchez stehen einfach für gute Leistungen. Auch Françoise Prévost als Djangos Mutter ist gut, ihre Rolle ist wie gesagt nur „falsch“ angelegt. Andrea Giordana dagegen hat mir gar nicht mal so gut gefallen, weil bei ihm alles irgendwie so versteift und einstudiert aussieht. Hätte er nur eine Nebenrolle übernommen, hätte ich wohl nichts gesagt, aber die Hauptrolle in solch einem Film ist echt eine Nummer zu hoch für ihn. Horst Frank dagegen ist erwartet klasse und als Bösewicht hier der beste Darsteller, was allerdings keine wirklich große Überraschung darstellt.

Keine Überraschung auch, dass Francesco De Masis Musik wieder mal gut ist (ich find das Titellied total klasse) und wie gesagt war es für mich auch eigentlich keine Überraschung, dass „Quella Sporca Storia Nel West“ in meiner Gunst nicht allzu hoch klettert. Dafür waren meine Erwartungen an ein solches Unternehmen einfach zu hoch. Und sicherlich werdet ihr mich dafür jetzt belächeln und sagen „Selbst Schuld!“, aber ich würde an ein erneutes Unterfangen dieser Art auch wieder ähnliche Erwartungen stellen. Aber selbst wenn nicht: Es fehlt diesem Film einfach die letzte Spannung. Trotz einer ziemlich starken ersten halben Stunde ist der Funke bei mir nie so richtig übergesprungen und die schlechte Atmosphäre hat ihr übriges dazu getan, dass ich mich hierbei nie so recht heimisch fühlen wollte. Die letzte halbe Stunde, die mit Shakespeares Urfassung dann gar nichts mehr zu tun hat und nur noch Geballer bietet, kann unter diesen Voraussetzungen je nach Gemütszustand dann geradezu einschläfernd wirken. Und so muss Castellaris ansonsten viel gelobtes Projekt von mir einmal eine kleine Schelte entgegennehmen. „Die große Wiederentdeckung unter den Italowestern“, wie Koch Media sie auf dem Backcover der DVD hierzu bewirbt, ist „Django – Die Totengräber warten schon“ leider Gottes nicht. Gegen ein einmaliges Ansehen und sich selbst ein Bild Machen, spricht aber dennoch – und allein schon aufgrund der ikonischen Kamera – nichts.

★★★ +

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