Deadwood Staffel 1

Da ich einleitend zur Serie nun glaube ich wirklich genug gesagt habe, können wir hier dann auch gleich in medias res gehen. Und für alle, die es aufgrund dieser nun schon nicht mehr erwarten können oder sowieso immer nur die ersten paar Sätze lesen, will ich dann auch gleich mal das Fazit an den Anfang stellen: Ja, „Deadwood“ lohnt den Blick auf jeden Fall. Sie ist eine überraschende, kleine Serie, die im Gegensatz zu den allermeisten „Bonanza“-Folgen (das muss man jetzt einfach mal so sagen) absolut ihre Daseinsberechtigung hat und einen früher oder später auf jeden Fall in ihren Bann ziehen wird. Allerdings muss man auch dazusagen, dass dieses „früher oder später“ wirklich wörtlich zu nehmen ist. Bei mir als wirklichem Western-Fan hat es schon gut die Hälfte der ersten Staffel gebraucht, bis ich mich mit der Story, der Erzählweise und den Charakteren angefreundet hatte und ich möchte nicht wissen, wie lange das bei jemandem, der diesem Genre grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, dauern könnte. Im Zweifel wohl bis zur letzten Folge… Um das allerdings zu erläutern, sollten wir vielleicht doch wirklich erstmal vorne beginnen.

Zuerst einmal fällt einem der Vorspann der ersten Folge, „Stadt ohne Gesetz“ (bzw. „Deadwood“), auf. Dazu sei gesagt, dass es bei Serien ja zwei Möglichkeiten gibt, den unumgänglichen Vorspann ins Geschehen einzuflechten. Möglichkeit eins ist, erst einen einleitenden, anfütternden Teil der Folgenhandlung zu präsentieren, dann den Vorspann zwischenzuschieben und anschließend die Episode zu Ende zu erzählen (wie es etwa in „Justified“ auch praktiziert wird). Möglichkeit Nummer zwei ist es, das Namens-Vorgeplänkel einfach direkt an den Beginn der jeweiligen Folge zu packen, um dann ohne weitere Unterbrechung seine Geschichte an den Mann bringen zu können. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Hier hat man sich für Möglichkeit zwei entschieden (deswegen ist der Vorspann ja auch das erste, was man zu sehen bekommt, ihr habt es euch schon gedacht) und damit alles richtig gemacht. Das aber auch nur, weil man beim Vorspann selber so ziemlich alles falsch gemacht hat. Der ist nämlich mit anderthalb Minuten Spielzeit viel zu lang und nebenbei auch noch total unansehnlich geraten. Zu unfassbar nervigem Banjogeklimper und Violiengefiepe werden uns die Credits auf ziemlich düsteren „Stimmungsbildern“ präsentiert, die zwar wenigstens nicht selbst Ausschnitte aus späteren Folgen darstellen (wie man es früher gerne gemacht hat), aber eben auch keine Stimmung erzeugen können, weil sie mit der folgenden Serie einfach mal gar nichts zu tun haben und einem dadurch, dass ständig ein brauner Mustang durch die Walachei gejagt wird, den Eindruck vermitteln, wenigstens dieser würde im weiteren Verlauf eine tragende Rolle spielen. Und dann fragt man sich schon, wie das zusammenpassen soll. Und gerade da es mit dem Hengst, wie ich nun nach den ersten zwölf Folgen weiß, absolut gar keine weitere Bewandtnis hat, finde ich diesen Blödsinn erst recht überflüssig. Aber gut, genug gemeckert; der Vorspann nervt also kurz gesagt jedes Mal aufs Neue, ist aber dadurch, dass man ihn sofort vorgesetzt bekommt und ihn dann gleich wieder vergessen darf, natürlich, wie bei jeder anderen Serie auch, nicht kriegsentscheidend.

Viel entscheidender ist natürlich alles, was danach passiert. Und das ist in der ersten Folge von „Deadwood“ natürlich erstmal einiges, denn es müssen ja alle Charaktere eingeführt werden. Die allererste Szene der Serie hat dann auch gleich mein Freund Timothy Olyphant und sie läuft unter der Überschrift „Raylan Givens hängt Dewey Crowe“ – ach so, ich wollte Vergleiche mit „Justified“ ja nicht überstrapazieren – auch wenn sich beide Serien so einige Darsteller teilen (neben Olyphant und Damon Herriman sind das in der ersten Staffel ganz nebenbei bemerkt Garret Dillahunt und Jim Beaver (zumindest von denen, die ich wiedererkannt habe, für alle anderen lege ich meine Hand nicht ins Feuer)). Jedenfalls hätte diese meiner Meinung nach durchaus eindrucksvoller ausfallen können. (Spoiler) Erst labern Sheriff Seth Bullock (Olyphant) und sein Gefangener (Herriman), kurz danach ein wütender Mob und Bullock ne ganze Weile ziellos um den heißen Brei herum, dann nimmt Bullock ein Gerichtsurteil bzw. eine Lynchjustiz vorweg und hängt den Mann auf, bevor die Meute es tut. Das alles geschieht super unspektakulär an einem eigentlich viel zu niedrigen Balken vorm Sheriff’s Office und ohne, dass Bullock eine große Show beim Hängen oder der Gefangene eine große Show beim Sterben veranstalten würden. (Spoilerende) Diese Art und Weise der Umsetzung und dass ich mir eine etwas einprägsamere Szene gewünscht hätte, zeigt am Ende nur Eines: Meine Erwartungshaltung „Deadwood“ betreffend war eine völlig falsche.

Ich hatte erwartet eine Produktion zu sehen, wie sie heute gemacht werden. Eine Produktion, die nicht nur ausgestattet ist wie ein Kinofilm, sondern die auch aufgebaut ist wie einer. Eine Produktion, die dem heute bei Serien vorherrschenden höher, schneller, weiter folgt, weil man das Kino im Zweifel überbieten, zumindest aber erreichen möchte. Das ist „Deadwood“ aber nicht. „Deadwood“ stammt noch aus einer Zeit, als Sendungs-Folgen wie „Die Sopranos“ diese Art von „Erzähl-Serien“ gerade erst so richtig populär gemacht hatten. Als Serien noch nicht das Kino ersetzen wollten, sondern als ebenbürtiger Ersatz desselben versuchten, die Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. „Die Sopranos“ z. B. hätte auch nie als Film funktioniert (also zumindest nicht in der Erzählweise, die die Serie an den Tag legt) und „Deadwood“ würde es auch nicht tun (ein Grund, aus dem man besonders gespannt auf den bald erscheinenden Fernsehfilm hierzu sein darf; dieser sollte definitiv ein anderes Erzähltempo als die Vorlage wählen, sonst sehe ich schwarz). Moderne Serien wie „Game Of Thrones“ oder eben auch „Justified“ würden dies durchaus tun und das ist ja auch so beabsichtigt. Und ja, wenn es gut gemacht ist, haben natürlich auch diese Serien absolut ihren Reiz (ich glaube, ich brauche nicht noch einmal zu betonen, welche der genannten ich damit in besonderer Weise meine), aber dann verschenkt man einen wichtigen Beitrag, den eine Sendungs-Folge zum Großen und Ganzen leisten kann: den oben genannten anderen Blickwinkel. Denn so ist eine Serie eben nichts anderes als ein langer (manchmal, wie im Fall von „Breaking Bad“, langgezogener) Film und hat somit keine wirklich neuen Aspekte zu bieten. Eine Reihe aber, die sich genau dessen bewusst ist und die Sache so angeht wie „Die Sopranos“ oder eben dankenswerterweise auch „Deadwood“ kann, gerade im Genre des Western, noch viel tun.

Und darum bemüht sich diese Produktion wirklich. Denn wie gesagt müsste man das Erzähltempo von „Deadwood“ schon ordentlich anziehen, wollte man daraus einen (Kino-)Film machen. Diese Serie erzählt ihre Geschichte ganz gemächlich und in aller Regel ohne die ganz große Action geschweige denn Höhepunkte. Effekthascherei stand hier wirklich nicht auf der Agenda der Schöpfer. Vielmehr ist der Titel auch wirklich wörtlich zu nehmen und spielt sich die ganze Handlung quasi nur in der namensgebenden Stadt ab. Und nicht nur das. Dieses Stadtleben im alten Westen von 1876, das man zeigt, will man darüber hinaus so anschaulich und realistisch wie möglich darstellen. Und das ist vortrefflich gelungen. Vor dem Hintergrund einer Major-Serie und der Aussicht, die zu bauenden Kulissen auch für weitere Staffeln noch nutzen zu können, hat Produzent HBO wohl einiges an Kohle für den detailgetreuen Aufbau der City rausgehauen. Und die sieht, wenn man sich alte Bilder anguckt, einfach nur ziemlich genau so aus wie darauf. Auch die schlammigen Straßen und die überfüllten „Gehwege“ sind perfekt getroffen. Die Stimmung in der Stadt, die sie bevölkernden Personen und die Tagesabläufe wirken genau recherchiert und zu keiner Zeit unwirklich oder aufgesetzt.

Und genau dieses Setting nutzt „Deadwood“ nun, um einen – sich teilweise sogar auf reale Fakten und Figuren stützenden – Auszug aus der Geschichte dieser Stadt zu erzählen, der ebenso realistisch sein soll. Klar ist dieser Ansatz grundsätzlich nicht völlig neu, aber nirgendwo kann man das so konsequent umsetzen wie in einer Serie und eine vergleichbar konsequente Umsetzung dessen zu finden wie in „Deadwood“ wird schwierig werden. Denn wo Filme irgendwann auch einfach mal zu ihrer in der Regel auf maximal drei Stunden beschränkten Story zurückkehren müssen, macht diese Serie einfach weiter und präsentiert uns so noch nie gesehene Einblicke in die Funktionsweise der „Regierung“ einer solch seinerzeit noch unangeschlossenen Siedlung mit allen Schikanen. Da müssen Seth Bullock, Al Swearengen (Ian McShane), Cy Tolliver (Powers Boothe), E. B. Farnum (William Sanderson), Charlie Utter (Dayton Callie) und Co. mit mal über den Ausbruch und die Beseitigung der Pocken oder Schmierung von Regierungsbeamten der bereits bestehenden Staaten beraten. Solche Diskussionen habe ich in einem normalen Western(-Film) noch nie gesehen. Und nicht nur, dass es hier dargestellt wird und zumindest in Bezug auf die beiden oben genannten Beispiele, die dann auch genügen sollen, auch noch total unterhaltsam gelingt, es macht erneut den Eindruck, als könnte es damals auch genau so abgelaufen sein. Ebenso wie man das Gefühl hat, dass die oftmals historisch belegten, hier handelnden Personen durchaus gut gezeichnet wurden. So könnte man sich Bullock, Swearengen, Wild Bill Hickok (Keith Carradine) und die anderen durchaus vorstellen. Da verzeiht man dann kleine historische, aus dramaturgischer Sicht vorgenommene Unkorrektheiten ganz gerne. (Spoiler) Der einzige Punkt, der mich stören könnte, wäre jener, dass Seth Bullocks Frau in Wahrheit natürlich nicht die Witwe seines Bruders war und mit diesem auch keinen Sohn hatte (vielmehr ist seine Liaison mit Alma Garret (Molly Parker) nur ein dramaturgischer Coup, der im Staffel-Finale voll zur Geltung kommt) – wenn ich ein später Nachfahre von Bullock wäre. Bin ich aber nicht und so kann ich diese Abänderung aus Spannungssicht nur zu gut nachvollziehen und ohne sie würde uns ja auch eine der schönsten Szenen von „Deadwood“ in Folge zwölf fehlen (ihr wisst, welche ich meine) – also alles im grünen Bereich. (Spoilerende)

Das ist das ganz große Plus an „Deadwood“, das eben dieser Genauigkeit bei der Recherche und der mit der damit verbundenen Umsetzung einhergehenden Abkehr von herkömmlichen Erzählformen und -strukturen entspringt. Insofern, kann man nach Genuss der ersten zwölf Episoden sagen, hat die Serie alles richtig gemacht. Leider gibt es allerdings noch eine Kehrseite der Medaille. Leider, leider hat man es mit der betont ruhigen Herangehensweise aus meiner Sicht am Ende nämlich doch etwas übertrieben. Klar, es ist historisch natürlich viel korrekter, dass nicht an jedem Tag ein Gunfight auf der Hauptstraße stattfand, aber von genau solchen Momenten lebt eine Erzählung generell und ein Western im Speziellen schlussendlich doch. Für eine Wildwest-Serie hat „Deadwood“ allerdings einen erstaunlich niedrigen Bodycount. Und ja, auch das muss grundsätzlich noch nichts über die Qualität eines Plots aussagen. Man kann es auch leonetechnisch angehen und die Spannung bis zum Ausbruch der Gewalt aufbauen, bis der Zuschauer es fast nicht mehr aushält und dann mit Effekt „zuschlagen“, aber auch davon ist man hier meilenweit entfernt. (Spoiler) Nehmen wir als Beispiel die Erschießung Wild Bill Hickoks. Natürlich sind uns Fans als rudimentären Kennern der Geschichte des Old West dieser Name und die damit verknüpften Orte und Personen halbwegs geläufig. Dass er also in Deadwood und damit im Verlauf der Handlung seinen Tod finden wird, ist sicher und auf diesem Wissen aufbauend wurde hier auch inszeniert. Man weiß, was passieren wird, sein Tod schwebt die ganze Zeit in der Luft und wird durch entsprechende Dialoge vor allem zwischen Charlie und Bill nur noch wahrscheinlicher. Schließlich unterstellt das Script Bill so etwas wie eine Todessehnsucht, die ihn sich – ganz der Legende, aber nicht dem sonstigen Bild entsprechend, das die Reihe zeichnet – im entscheidenden Moment seiner Hinrichtung durch Jack McCall auch mit dem Rücken zum Salooneingang setzen und nicht einmal dann etwas unternehmen lässt, wenn der Attentäter mit lauten Schritten auf ihn zukommt. Allerdings ist dieses „Warten“ auf den finalen Kopfschuss (das glaube ich so etwa vier Folgen lang, also fast vier Stunden, andauert) nicht halb so spannend wie etwa beim guten, alten Sergio, sondern wird zum Ende hin schon fast etwas lästig, fand ich. Die ewigen Streitereien zwischen Charlie, der einen besseren Menschen aus Hickok machen möchte und Bill, der entweder genau so weiterleben möchte wie bisher oder eben gar nicht, haben im weiteren Verlauf so etwas Austauschbares und erinnern daher eher an die großen „Sabbel-Western“ der klassischen Periode denn großartige Spannungs-Pferdeopern à la Leone. Nein, ganz im Gegenteil hatte ich eher das Gefühl, dass die Serie endlich ein wenig Fahrt aufnehmen konnte, nachdem der große Revolverheld und auch Brom Garret (Timothy Omundson), dessen Täuschung und anschließende, von Swearengen befohlene Hinrichtung auch viel zu sehr ausgewalkt werden, nach bummelig vier Folgen „endlich“ das Zeitliche gesegnet hatten. Erst danach kommt man so langsam in der Geschichte an, hat die Figuren etwas kennengelernt und hat, wenn Bullock endlich mal aus sich herauskommen und (im Übrigen mal historisch unkorrekte) Jagd auf Jack McCall machen darf, auch endlich mal ein wenig Spaß mit der Serie. Bis dahin ist diese in meinen Augen leider nicht viel mehr als ein netter Zeitvertreib, wenn mal gar nichts anliegt, denn vorher passiert einfach zu wenig, um sagen zu können „Jo, das ist jetzt meine Serie; die ist ja so spannend, die muss ich unbedingt weitergucken.“.

Aber wenn Bullock und auch Charlie danach „endlich“ von Hickok befreit sich auch mal um ihre eigenen Interessen kümmern können, nimmt die Sache endlich mal Fahrt auf und es werden obendrein noch interessante Nebenschauplätze wie Trixies Beziehung zu Alma Garret oder die kurze Episode um das Gaunerpärchen, das beide großen Saloons heimsucht, aufgemacht. Während Letzterer darf sich Boothes Cy Tolliver dann auch „endlich“ (man muss es einfach so sagen, es gibt dafür kein anderes Wort) mal vollständig profilieren. Kurzum: Ab diesem Zeitpunkt hat man endlich das Gefühl, eine überdurchschnittliche Reihe zu gucken, die ihr Geld auch wert ist und auch wenn es weiterhin weniger interessante Szenen gibt, wie generell alle mit der – meiner Meinung nach – völlig überflüssigen und nervigen Figur des Reverends H. W. Smith (Ray McKinnon) oder leider auch einige mit der Figur des obercoolen Docs Cochran (Brad Dourif) (etwa jene im Pocken-Quarantäne-Lager oder später mit der Fußprothese, die er für die, sagen wir mal, Reinigungskraft des Gem baut), so kann „Deadwood“ sein Niveau ab da doch deutlich steigern und einigermaßen halten. Ab da macht Western-Serien gucken dann auch echt Spaß. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt sich auch die Führungsriege der Stadt herauszubilden und regelmäßig mit oben genanntem Ergebnis zu treffen.

Trotzdem, der Makel des „Rumgelabers“ bleibt der Reihe anhaften. Man schafft es nicht, sich davon komplett zu lösen und so sind einzelne Folgen bzw. große Teile dieser weiterhin geprägt von langweiligen oder zumindest nur semi-unterhaltsamen Tischgesprächen in Farnums Hotelrestaurant oder in Swearengens Büro. Bestes Beispiel dafür wohl der Abschluss der Serie. Hat man hier mit Folge zehn, „Gerechtigkeit für Mister Wu“ (bzw. „Mister Wu“), den vorläufigen Höhepunkt der Erzählung erreicht und endlich mal eine Episode abgeliefert, die in allen Belangen überzeugen konnte, verfällt man im darauffolgenden Teil, „Vater und Tochter“ (bzw. „Jewel’s Boot Is Made For Walking“), wieder dermaßen in unnützes Geschwafel, dass man sich als Zuschauer das erste Mal seit Folge vier wieder an den Beginn des Ganzen erinnert fühlt. Allerdings sei an dieser Stelle dann noch einmal hervorgehoben, dass Folge zwölf, „Sheriff Bullock“ (bzw. „Sold Under Sin“), dann tatsächlich die allerbeste Folge der Staffel eins ist und somit der perfekte Abschluss. Auch da stimmt alles und man hat danach absolute Lust, sofort mit Staffel zwei weiterzumachen. (Spoilerende)

Bevor wir das tun, wollen wir uns aber noch ganz kurz den Darstellern dieses außergewöhnlichen Spektakels widmen. Allen voran natürlich Timothy Olyphant. Und entschuldigt bitte meine Euphorie diesen Mimen betreffend, aber ich finde ihn einfach großartig. Gerade hiermit beweist er erneut, wie groß sein Repertoire eigentlich ist. Denn an und für sich wollte ich mir einen Vergleich zwischen seiner Leistung hier und der alles übertreffenden Performance in „Justified“ natürlich sparen, aber gerade weil er die beiden Protagonisten dieser Serien so unterschiedlich anlegt, drängt sich dieser geradezu auf. Denn natürlich hätte ich es gut verstehen können, wenn dieser Seth Bullock von der Anlage her ein ähnlicher Charakter gewesen wäre wie Raylan Givens und man den Hawaiianer vier Jahre nach „Deadwood“ aus eben diesem Grund für die nächste Titelrolle gecastet hätte. Aber dem ist offensichtlich nicht so. Seth Bullock ist ganz im Gegensatz zu Raylan Givens ein introvertierter, grundsätzlich zurückhaltender Mann, der zur Liebe fähig ist. Einer, der an Prinzipien glaubt und daher an ihnen festhält. Also eine 180-Grad-Wendung, egal mit welcher der beiden Serien man startet. Am gemeinsamsten ist beiden da noch, dass sie beide Gesetzeshüter sind. Aber – und genau darum geht’s – Olyphant meistert beide Parts mit absoluter Bravour und überzeugte mich hier daher quasi doppelt. Sein Seth Bullock ist zu jeder Minute glaubwürdig und der Hauptrolle hier daher absolut würdig. Olyphant bestätigt für mich damit erneut, dass er zu den besten Darstellern seiner Zeit gehört und es verwundert mich nur noch mehr, warum er keine größeren Rollen angeboten bekommt – oder diese ablehnt.

Fairerweise muss man allerdings dazusagen, dass die eigentliche Hauptrolle hier nicht Seth Bullock, sondern seinem mal Kontrahenten, mal Geschäftspartner Al Swearengen gehört. Dieser hat tatsächlich nicht nur wesentlich mehr Screentime, sondern ist auch die wesentlich ambivalentere Figur. Mal unfassbar fies, mal herzerfrischend witzig und auch mal fast rührend. Und Gott sei Dank hat man in Ian McShane ebenso den perfekten Darsteller für diesen Part gefunden. Auch er trifft jede Nuance seines Charakters genau und steht Olyphant somit in nichts nach – was extrem wichtig für die Charakterbalance der Serie ist. Und da er in großen Teilen der Handlung auch einfach die cooleren Momente hat, da Bullock wie gesagt ein Prinzipienreiter ist, was man diesem Al Swearengen nun so gar nicht unterstellen würde, bringt man ihm dann meist sogar noch mehr Sympathien entgegen als der zumindest nominellen, weil guten Hauptfigur. Auch bei ihm darf man sich daher nur wundern, warum diese Serie kein größeres Karriere-Sprungbrett für ihn darstellte.

Neben diesen beiden Glanzlichtern zu bestehen, ist natürlich eine besondere Herausforderung für jeden anderen Beteiligten an dieser Reihe – selbst wenn man Keith Carradine heißt. Der Western-Veteran, der hier in der Rolle des Wild Bill Hickok einen Gastauftritt absolviert und sicherlich auch dazu dienen sollte, alteingesessene Western-Fans vor die TV-Bildschirme zu locken, gibt sich aber absolut keine Blöße und spielt einen Revolverhelden, wie wir ihn von ihm erwarten würden – abgeklärt, cool, etwas melancholisch und über jeden Zweifel erhaben. Um ihn als Schauspieler innerhalb der Reihe ist es schade – er hätte für noch mehr Qualität gesorgt. Allerdings ist diese ob der ebenso fehlerfreien Leistungen von etwa Powers Boothe, John Hawkes, William Sanderson, Brad Dourif, W. Earl Brown oder auch Paula Malcomson nun auch wirklich nicht in Gefahr. Zwar fallen auch Leute wie Dayton Callie, Kim Dickens oder Molly Parker auf, die eher durchschnittliche Leistungen darbieten können, aber es kann ja nicht jeder herausragend sein. Einzig Robin Weigert nervte mich im weiteren Verlauf der Serie zunehmend. Erstens ist ihr Charakter der Calamity Jane der einzige hier, den ich für historisch nicht unbedingt korrekt dargestellt halte und zweitens overacted sie meiner Meinung nach total. Ständig oder eben dauerbetrunken spielen geht jedenfalls anders. Alles in allem aber kann man der Casting-Abteilung nur ein großes Lob aussprechen. Das sieht selbst heute noch nach einem Western-Cast aus; das Ensemble kann sich wirklich sehen lassen.

Und so ist die erste Staffel „Deadwood“ im Zweifel (nämlich dann, wenn die zweite nach meinen jetzt absolut nochmal gestiegenen Erwartungen verläuft) nicht viel mehr als ein Appetizer auf die beiden Folgenden – falls dem so sein sollte, allerdings ein richtig Leckerer. Zwar muss man die ersten ungefähr vier Folgen schon irgendwie hinter sich bringen, um überhaupt etwas mit dem Stoff anfangen zu können, aber in diesen könnte man bei einer erneuten Sichtung ja durchaus noch neue Aspekte entdecken, könnte ich mir vorstellen. Danach aber kommt die Story in Fahrt und bietet Unterhaltung fernab von alldem, was wir sonst so in den Kinofilmen zu diesem Thema zu sehen bekommen. Super interessant sich mit dem Aufstieg so einer noch nicht zugehörigen Stadt im alten Westen mal auf diese Art zu beschäftigen. Die wirklich herausragende historische Genauigkeit in der Darstellung tut ihr Übriges zum Genuss dieser ersten bummelig 600 Minuten dazu. So kann und so sollte eine Western-Serie anno 2004 aussehen. Leider ufern die Dialoge aus meiner Sicht bisweilen allerdings aus, wird zu viel über zu Uninteressantes palavert, zu ruhig und langsam inszeniert und die Action über das alles hinaus ein wenig vergessen. Glücklicherweise ist dieser für mich unschöne Nebenaspekt des gezeigten Realismus ganz im Gegensatz zu diesem selber aber ja eine rein subjektive Geschichte. Und so kann ein anderer Konsument damit ja vielleicht auch viel besser um als ich und vielleicht wurde daran in der zweiten Staffel ja auch erfolgreich gearbeitet. Ich jedenfalls bereue den Kauf bislang absolut nicht und bin sehr gespannt auf die Fortsetzung.

(★★★ +++)

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