Giganten

Giant

★★★★

  • Jahr: 1956
  • Regie: George Stevens
  • Darsteller: Elizabeth Taylor, Rock Hudson, James Dean, Chill Wills, Carroll Baker, Dennis Hopper, Mercedes McCambridge, Rod Taylor, Sal Mineo...

Bewertung

Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich nach einer kleinen, eben (Stand: Juni 2020) durchgeführten Internet-Recherche eigentlich ganz zufrieden bin, da demnach offensichtlich immer weniger Seiten diesen unsterblichen George-Stevens-Klassiker als reinen Western listen (in der OFDb z. B. taucht dieses Genre in der Filmübersicht überhaupt nicht (mehr) auf), was mir sehr gut gefällt. Aber viel zu viele (und unter anderem leider weiterhin selbst die Wikipedia…) führen die Pferdeoper immer noch als eines der zutreffenden Genres an (teilweise findet sich dieses sogar noch vor dem Drama) und tatsächlich taucht er deswegen auch weiterhin in diversen Bestenlisten zu diesem Thema auf. Und das ist meiner Meinung nach nicht korrekt, denn natürlich enthält der 1956 gedrehte Streifen, der grob gesagt die Familiengeschichte einer texanischen Rancher-Dynastie über drei Generationen erzählt, Western-Elemente und spielt ganz zu Beginn wohl auch gar nicht mal so weit nach der Epoche, die ich mir von einer klassischen Pferdeoper als Handlungszeit erwarte (nämlich irgendwo um 1920 herum, denke ich mir – es gibt hier jedenfalls noch die letzten „echten“ Cowboys zu bewundern, wenn ich das richtig sehe), aber damit hat es sich dann auch schon wieder. Ansonsten ist „Giant“ ein reines Sozialdrama, das im alten Westen angesiedelt so natürlich auch gar nicht funktioniert hätte, weil man die Rassismus-Debatte dort nicht glaubhaft hätte führen können. Von daher ist er wirklich ein perfektes Beispiel und damit auch der perfekte erste Streifen für diese neue (Stand wie gesagt Juni 2020) Kategorie „Western, die keine sind“, denn – Elemente hin oder her – die Abgrenzung fällt bei ihm eigentlich sehr, sehr leicht. Daher nervt es ehrlich gesagt, wenn man eigentlich über die besten Pferdeopern aller Zeiten diskutieren will, vorher aber noch eine Debatte über die Genre-Zugehörigkeit von „Giganten“ führen muss. Und das ist vor allem deswegen ziemlich schade, weil er auf jeden Fall einen berechtigten Anspruch auf einen Platz in entsprechenden Ranglisten geltend machen kann – nur eben im Genre Drama. Denn tatsächlich ist dieser Dreieinviertelstunden-Koloss völlig zu Recht ein Klassiker, weil ein ganz großer Film.

Zu Anfang fragt man sich allerdings noch, was uns Edna Ferber, die die Romanvorlage hierzu schrieb, bzw. Fred Guiol und Ivan Moffat, die daraus ein Drehbuch machten, alles zu erzählen haben, denn sie legen ein Tempo vor, dass man kaum hinterher kommt. Erst rast der Vorspann an einem vorbei (noch schneller als neulich bei „Man Without A Star“ würde ich sagen), dann Rock Hudson alias Jordan „Bick“ Bendedict Jr. in einem Zug, dann sitzt die Familie schon am Abendbrotstisch, wo es sofort zwischen dem großen „Schwatten“ und Elizabeth Taylors Leslie funkt (und das obwohl diese schon jemand anders versprochen ist, huiuiui…) und nur ein paar Augenblicke später sitzen die beiden bereits als verheiratetes Pärchen im Zug zurück nach Texas. Wow, das muss man so schnell erstmal verkraften, vor allem wenn man davon ausging, dass es der Streifen ob seiner Länge eher gemächlich angehen würde. Und wer dann denkt, nach dieser fixen Exposition ginge es dann auch tatsächlich etwas ruhiger zu, der irrt erneut gewaltig, denn genau so geht es weiter. (Spoiler) Warum das so ist, begreift man (oder vielleicht besser begriff ich) dann erst, nachdem Bicks Schwester Luz stirbt, woraufhin das Verhältnis zwischen den beiden Frischvermählten ein wenig ins Wanken gerät, diese aber nicht viel Zeit haben, sich darüber Gedanken zu machen, weil Leslie ähnlich schnell schwanger wird, wie sie „ja“ gesagt hat und die Kinder (Zwillinge, na warum denn auch nicht?) nur eine Szene, nachdem sie ihrem Mann ihr süßes Geheimnis offenbart hat, bereits in ihren Armen liegen. (Spoilerende) Dann nämlich hatte ich die Marschrichtung erst verstanden und mir wurde bewusst, dass wir es hier mit einer Familienchronik zu tun haben. Dass diese, wenn sie sich für alles so viel Zeit ließe, wie ich es zu Beginn erwartet hatte, nur im Rahmen einer Serie abgehandelt werden könnte, ist ja klar und so muss man Stevens, aber auch seinen beiden, oben genannten Autoren dankbar dafür sein, dass sie die nötigen Straffungen vorgenommen haben. Denn wie gesagt: Sie haben auch so genug zu erzählen. Und weil sie diese Jahrzehnte umspannende Story dadurch sehr kurzweilig auf die große Leinwand gezaubert haben, hat man als Zuschauer auch zu keinem Zeitpunkt ein Problem mit der Aufmerksamkeit. Die etwas mehr als drei Stunden vergehen wie im Fluge (nicht ganz so schnell wie bei Scorseses „The Wolf Of Wall Street“, aber ähnlich) und ich kann mich an keine Szene erinnern, bei der es mich gelangweilt hätte.

Wie soll das aber auch möglich sein, wo diese Geschichte doch so universell ist? Bis heute hat sie quasi nichts an Aktualität verloren und könnte daher auch genauso gut Anfang bis Mitte des 21. Jahrhunderts spielen (wer z. B. wissen will, wie präsent das Problem „Rassismus“ in den USA auch heutzutage noch ist, der braucht ganz aktuell ja nur mal die Nachrichten zu schauen). Denn „Giant“ ist einer dieser Filme, die ihrer Zeit voraus waren. Klar durfte man in den 50ern filmisch bereits Position für die Indianer ergreifen und Ende des Jahrzehnts bzw. vor allem zu Beginn des folgenden finden sich dann auch die ersten großen Werke, die sich klar für die schwarze Bevölkerung der USA einsetzen (zumindest diejenigen, die mir einfallen wollen), aber Rassismus gegenüber den lateinamerikanischen Mitbürgern ist ja eher eine Sache, die man heutzutage regelmäßiger thematisiert findet. Daher verwunderte mich vor allem die Konsequenz und „Schonungslosigkeit“, mit der die Missstände hier angeprangert werden. Schließlich endet „Giganten“ nur ein paar Jahre vor seinem Erscheinungstermin und zeigt, dass sich über die Jahrzehnte nichts geändert hat.

Aber auch die Konflikte unter den sonstigen Protagonisten, hier also vor allem jene innerhalb der eigenen Familie bzw. zwischen den Generationen, werden sehr glaubhaft dargestellt. Für diese Streitereien mag es dann von Vorteil sein, wenn man selbst bereits eigene Kinder hat, aber ich denke, es genügt im Zweifel auch nur Kind seiner eigenen Eltern zu sein und schon wird man hier ab einem gewissen Alter immer genug Sachverhalte wiedererkennen, die einem „von zu Hause“ her bekannt vorkommen. Ich jedenfalls saß die ganze Zeit da und dachte nur „Ach ja, diesen Konflikt haben wir auch schon mal ausgefochten.“.

Und a pro pos Konflikte: Zwar ist „Giant“ auf der einen Seite wie gesagt ein klassisches Sozialdrama seiner Zeit, wählt auf der anderen aber doch eine durchaus ruhigere Herangehensweise an seine Streitthemen. Denn wo ich mich sonst über die wahrhaftigen Intrigen anderer Vertreter gerne ein wenig ärgere, weil diese mir viel zu oft viel zu konstruiert und künstlich aufgebläht sind, lässt mir diese Geschichte keine Chance dazu. Hier werden alle Konflikte relativ fix wieder gelöst oder zumindest entschärft. Nichts bleibt lange oder gar für immer zwischen den Protagonisten hängen (abgesehen von der Fehde zwischen „Bick“ und James Deans Charakter Jett Rink). (Spoiler) Beispielsweise hat Leslies Fast-Ehemann Sir David Karfrey (Rod Taylor in einer viel zu kleinen Rolle) zu Beginn nicht etwa Lust, den ihm seine Frau „ausspannenden“ Jordan Benedict zum Duell herauszufordern, sondern heiratet stattdessen einfach deren Schwester, die perfekterweise sowieso schon immer ein Auge auf ihn geworfen hatte. Wenn Luz Benedict (Mercedes McCambridge) es wenig später mit ihrer Eifersucht auf Bicks neue Frau an seiner Seite endgültig übertreibt, sich deren Pferd geben lässt und dies dann so arg mit ihren Sporen malträtiert, dass dieses sie abwirft, stellt sich die sonst in einer solchen Situation unvermeidliche Frage nach dem „sie oder ich“ gar nicht erst, da Luz tatsächlich ohne noch ein Wort sagen zu können, an den Folgen des Sturzes verstirbt. Wie praktisch. Und auch das Pferd muss leider dran glauben – weil Bick es erschießt. Damit seine Leslie, die das Tier über alles geliebt hat, aber keinen Grund hat, einen Racheakt zu wittern, hat sich das arme Ding bei seinem wilden Ritt mit der Schwester des Hausherren das Bein gebrochen. Und so geht es weiter. Gegen Ende beschuldigt der dann bereits erwachsene und mit einer Latino-Amerikanerin verheiratete Jordan Benedict III (Dennis Hopper) seinen Vater Bick völlig zu Recht, im Grunde seines Herzens ein ebensolcher Rassist zu sein, wie quasi alle seine reichen Rancher-Freunde der Gegend auch. Da man hierfür wohl keine andere Lösung gefunden hat, entschuldigt der Sprössling sich nur ein paar Sätze später wieder bei seinem Erzeuger – der allerdings auch so verstanden hat, denn eigentlich ist dieser Bick Benedict ja ein Guter. Und selbstredend ist auch die liebeskranke Luz Benedict II (Carroll Baker) zufällig dabei, wie der lattenharte Jett Rink nach seinem Schlafintermezzo kurz vor Schluss wieder aufwacht und sich völlig zum Löffel macht – auf dass sie ihm nicht doch noch gänzlich verfallen und einen richtig heftigen Keil in die Familie treiben möge. Und wenn ich hierbei mitgeschrieben hätte, wie ich es bei normalen Western-Rezensionen zu tun pflege, könnte ich an dieser Stelle jetzt sicherlich noch einige Beispiele mehr nennen, aber ich denke, dieser Punkt ist deutlich geworden. (Spoilerende) Dies könnte man nun unrealistisch oder gar einfältig nennen, aber für eine Sache muss man sich ja nun mal entscheiden. Und mir ist diese Art der Geschichtsfortführung sowie die hier sehr erfrischende Nachvollziehbarkeit der Handlungen der einzelnen Charaktere dann wesentlich lieber, als wenn nachher wieder alle kreischend und heulend über den Boden robben. (Spoiler) Zumal in dieser Hinsicht ja nicht völlig übertrieben wird, sondern der kleine Angel (Sal Mineo), dem Leslie anfangs mit Hilfe des Hausdoktors der Benedicts das Leben rettet, bleibt zum Beispiel im Krieg und Bicks Wunsch, dass eines seiner Kinder einmal seine Ranch übernimmt, scheint sich auch nicht zu erfüllen… (Spoilerende)

Inszenierungstechnisch kann man maximal erahnen, wofür George Stevens hierfür seinen Oscar bekommen hat. Klar, man erkennt seine Liebe zum Detail, aber da „Giganten“ so gut wie gar keine Action-Szenen hat und zudem noch so rasant an einem vorbeirauscht, hat man überhaupt keine Chance, darauf einen näheren Blick zu werfen. Und ja, natürlich wäre das ein Grund für ein mehrmaliges Ansehen, aber zumindest ich habe die Zeit dafür momentan leider nicht…

Und so muss man konstatieren, dass Stevens ihn im Falle von „Giant“ wohl am ehesten für seine Schauspielerführung erhalten hat. Schließlich war es offensichtlich nicht ganz einfach einen Rock Hudson sowie einen James Dean gleichzeitig am Set zu haben – und mögen sie auch noch so jung gewesen sein… Stevens aber hat aus beiden hier eine tolle Leistung herausgekitzelt. Dean spielt zwar wie immer nahe an der Kante zur Übertreibung (und im Schlussdrittel durchaus auch darüber hinaus, aber da kann man ihm das schon gar nicht mehr übelnehmen), aber mit dem ihm eigenen Charme, der ihm mit Sicherheit noch eine große Karriere beschert hätte, wenn er kurz nach Ende der Dreharbeiten nicht diesen verheerenden Autounfall gehabt hätte. Und Rock Hudson beweist einmal mehr, warum es in etwa um diese Zeit war, dass seine Karriere den letzten Schub bekam, der ihn endgültig in der ersten Riege des damaligen Hollywoods ankommen ließ. Der eigentliche Star von „Giganten“ ist allerdings Elizabeth Taylor – und das lange nicht nur aufgrund ihrer Rolle (denn die beiden Kerle sind ja jeweils nur teilweise zu leiden; der wahre Fixpunkt und ständige Sympathieträger ist Leslie Benedict). Die Leinwandkönigin, deren einziger Western dies hier gewesen wäre (von einem offensichtlichen Mini-Cameo als sie selbst in „Callaway Went Thataway“ mal abgesehen (der mir allerdings auch in diese Kategorie zu gehören scheint, sodass sie es schlussendlich leider nie in den Hauptteil dieses Lexikons schaffen wird)), ist in jeder ihrer Szenen absolut überzeugend und paradoxerweise vor allem in denjenigen, in denen sie die gealterte Leslie geben muss. Da kann selbst die etwas schwache Maske (die viel zu schnell auf graue Haare setzt, wenn man mich fragt) nichts machen: sie ist in diesen Sequenzen eine ältere, gereifte Frau. Und ja, ich kann mir gut vorstellen, dass sie in ihrer großen Karriere noch einmal besser war als hier (wirklich beurteilen kann ich das aber vor allem aufgrund der Vielzahl an großen Filmen mit ihr, die ich noch nicht gesehen habe, nicht (ich habe bisher eher ihre frühen Werke geschaut)), aber ich bin mir sehr sicher, dass ich diese Rolle immer als eine ihrer besten ansehen werde.

Tja und wer dann noch einen überragend aufgelegten Chill Wills im weiteren Cast hat (auch wenn ich seine Rolle ein wenig ambivalent finde), der kann es sich dann eben auch erlauben einem Rod Taylor (der damals allerdings zugegebenermaßen noch ganz am Anfang seiner Karriere stand) nur so eine Winzrolle zu verpassen. Ansonsten bleiben Carroll Bakers und Dennis Hoppers Auftritte hier nur deswegen in Erinnerung, weil es interessant ist, sie mal in so jungen Jahren zu erleben (Letzterer beweist für mich leider bereits hier, dass von ihm nicht viel zu erwarten war (und das sage ich, obwohl dieser Auftritt mit Sicherheit einer seiner besten ist)) und der Rest geht beim Zusammenspiel der großen Drei hier ziemlich unter (was definitiv nicht schlimm ist und daher kein Vorwurf sein kann).

Trotzdem, so gut die Hauptdarsteller im Allgemeinen und natürlich vor allem die Taylor im Besonderen auch sind, der größte Star von „Giant“ ist seine Story. So kurzweilig und trotzdem so clever und nachhaltig geschrieben – das guckt man sich sehr gerne auch über drei Stunden mit an. Dass die Schauspieler das Ganze zusätzlich noch so gut rüberbringen, ist dann einfach nur die Kirsche auf der Torte. Und wenn ein Film auch über 50 Jahre nach seinem Erscheinen noch als aktuell und universell gültig bezeichnet werden kann, dann darf man zu Recht von einem Klassiker sprechen – egal ob Western oder nicht. Und ich habe ihn ja jetzt erst zum ersten Mal gesehen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er einer von denen ist, die mit jedem Mal Schauen an Wert und damit auch Wertschätzung dazugewinnen…

★★★★

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