Des Teufels Lohn

Man In The Shadow

★★★★

  • Jahr: 1957
  • Regie: Jack Anold
  • Darsteller: Jeff Chandler, Orson Welles, Colleen Miller, Ben Alexander, John Larch, Barbara Lawrence, Paul Fix, Leo Gordon...

Bewertung

Tja, da muss ich meine Zählung vom Beginn meiner „Auf der Spur des Todes“-Bewertung wohl um einen Streifen nach unten korrigieren. Tatsächlich hat Regie-Legende Jack Arnold nicht fünf, sondern nur vier Western im Laufe seiner Karriere in Szene gesetzt. (Natürlich vorausgesetzt, dass sich „Auf der Kugel stand kein Name“ jetzt nicht auch noch als für mich falsch deklariert herausstellt, aber davon gehe ich nun wirklich nicht aus.) „Des Teufels Lohn“ nämlich ist ein wirklich klassischer Vertreter der „Western, die keine sind“. Zwar spielt seine Handlung in den USA und fährt er auch typische Western-Figuren und ‑Motive auf, aber dadurch, dass er zeitlich – wenn ich das anhand der in ihm herumfahrenden Autos halbwegs richtig einschätze – in etwa zu seiner Entstehungszeit spielen müsste, fühlt er sich für mich nie wie eine richtige Pferdeoper an (ich mein, natürlich nicht, n Pferd kriegt man hier schließlich gar nicht zu sehen, wenn ich mich recht entsinne). Das ist mir schlichtweg zu spät für einen Western.

Ansonsten müsste auch ein Film wie „Legenden der Leidenschaft“, den ich neulich mal nachgeholt habe („endlich mal nachgeholt“ kann man bei diesem völlig übertriebenen Kitsch-Spektakel ja leider nicht schreiben), auch als Pferdeoper durchgehen (und das noch viel eher als dieser hier). Da sind sich dann aber seltsamer- wie glücklicherweise wieder alle einig, dass er nicht dazugehört. Gut, das liegt zu einem Teil sicherlich an der jeweiligen Entstehungszeit. In den 1950er und 1960er Jahren galten Werke wie „Man In The Shadow“ grundsätzlich noch als Western (s. etwa auch „Giganten“ oder „Misfits – Nicht gesellschaftsfähig“), während in den 1990ern ja nicht einmal Michael Manns „Der letzte Mohikaner“-Neuauflage mehr den Pferdeoper-Stempel erhielt.

Aber das ist am Ende ja auch alles Ansichtssache. Ich für meinen Teil empfinde „Des Teufels Lohn“ eindeutig nicht mehr als Western, weswegen ich ihn nicht ruhigen Gewissens in den Hauptteil dieses Lexikons einsortieren könnte, aber ich übergehe ihn deswegen nicht. Zum einen, weil er – im Gegensatz zu „Giant“ etwa – wirklich überall im deutschsprachigen Raum eben noch als Pferdeoper geführt wird (so z. B. in der OFDb oder der deutschen Wikipedia; in der IMDb erfreulicherweise nicht mehr), zum anderen, weil das sonst einfach schade wäre. Denn ihr könnt „Man In The Shadow“ für euch persönlich in die Schublade stecken, die ihr wollt (Western, Krimi, Thriller, Drama, Film Noir…), er ist ganz unabhängig davon ein richtig starker Film!

Tatsächlich kann von einem B-Movie – wie noch bei „Red Sundown“ und „The Man From Bitter Ridge“ – hier keine Rede mehr sein. Keine Ahnung, wie hoch Arnolds Budget gewesen sein mag, aber von zu wenig Geld ist in diesem Fall nichts zu sehen. Na gut, der Establishing Shot der Golden Empire Ranch (was für ein Name!) hätte jeweils noch n bisschen pompöser ausfallen können, aber ansonsten gibt’s hier aber mal gar nichts zu meckern. Ganz im Gegenteil. Sets wie das Sheriffs Office und vor allem das Büro von Fiesling Virgil Renchler (Orson Welles) sehen großartig aus. Total detailverliebt, statt billig. Und ebenso hervorragend wissen Arnold und sein Kameramann Arthur E. Arling diese auch in Szene zu setzen. Bestes Beispiel hierfür: Die nächtliche „Unterredung“ von Sheriff Ben Sadler (Jeff Chandler) und Leo Gordons Chet Huneker sowie alles, was daraus resultiert (möchte hier nicht spoilern). Das ist große Klasse und hätte jeden Film bereichert!

Dazu hatte man mit Jeff Chandler und Orson Welles zwei echte Stars für die Hauptrollen verpflichtet. Und die liefern wesentlich besser, als ich es erwartet hätte. Chandler verbeißt sich regelrecht in seiner Rolle und ist hundert Mal glaubwürdiger als etwa als Indianerhäuptling in einem „echten Western“ und Welles verzichtet dankenswerterweise komplett auf das Overacting, in das er manchmal verfallen ist, und wird so richtig gefährlich. (Spoiler) Schade an seiner Figur ist nur, dass man sich hinterher fragt, wie diese wohl ihr Rinder-Imperium aufgebaut haben will, denn Rancher Renchler (was für ein Name!) agiert mit zunehmender Spielzeit immer kopfloser und lässt sich entweder von seiner Tochter (Skippy Renchler (Colleen Miller) – noch so ein Name!) oder seinen Angestellten in seinem Handeln leiten. Ein solches Ausufern dieses an sich noch kleinen Konflikts mit einem Sheriff ganz ohne Beweise (das von Sadler zwischendurch abgeschabte Holzstück spielt wenig später gar keine Rolle mehr) hätte er sich vielleicht in einem „richtigen Western“ leisten können, aber doch nicht mehr 1950. Aber ist wirklich nicht mehr als eine Randnotiz. (Spoilerende)

Zu Chandler und Welles gesellen sich mit John Larch, Royal Dano, Paul Fix, Leo Gordon, William Schallert oder auch Ben Alexander (den ich vorher ehrlich gesagt jedoch nicht kannte) etliche bekannte wie beliebte Nebendarsteller, die sich keine Blöße geben. Die weiblichen Parts von Barbara Lawrence und Colleen Miller sind dagegen leider nur sehr klein, aber man kann ja nicht immer alles haben.

Der größte Clou an „Des Teufels Lohn“ ist ironischerweise sowieso die Tatsache, dass Drehbuchautor Gene L. Coon seine Handlung in der damaligen Neuzeit angesiedelt hat. Tatsächlich hätte er hieraus auch sehr gut einen politischen („echten“) Western machen können, dessen Anklage sich dann ja aber wieder nur einem denkenden Publikum erschlossen hätte. Indem er so aber ganz klar machte, dass es die aufgezeigten gesellschaftlichen Missstände (thematisiert wird der Mord an einem illegalen, mutmaßlich mexikanischen Gastarbeiter) im damaligen Hier und Jetzt gab, schloss er „Ausreden“ von vorneherein aus. Ein mutiges, ein starkes, ein wichtiges Script, dem man maximal seine Kürze vorwerfen kann, die den Streifen letztendlich auf gerade mal 80 Minuten bringt. Dadurch können viele der Themen, die Coon mitbedacht hat, nur angerissen werden (etwa die zusätzliche Einschüchterung der Ehefrau Sadlers (Barbara Lawrence) oder die Stadtbelange). Und ich bin auch der festen Überzeugung, dass Welles Figur nur aus diesem Grunde so wenig ausdifferenziert ist.

Von daher: Wenn man heutzutage manchmal schon das Gefühl kriegt, nur A24 würde noch neue Inhalte liefern, wieso wird dann „Man In The Shadow“ nicht einfach mal remaket? Der böte sich doch nun wirklich an. Schließlich gehören die hier aufgezeigten Probleme, wenn ich das richtig sehe, leider noch nicht der Vergangenheit an. Zwar ist auch er, so wie er ist, großartig, aber mit ein wenig mehr Zeit für Figurenentwicklung und Nebenschauplätze könnte daraus ein ganz fabelhaftes, eigenständiges Remake entstehen, denke ich. Bis es evtl. irgendwann mal so weit ist, bleibt „Des Teufels Lohn“ ein hervorragend inszenierter und von seinen beiden Hauptdarstellern mühelos getragener Streifen, der in ganz starken Bildern eine wichtige Geschichte erzählt – und in Unkenntnis von „No Name On The Bullet“ Jack Arnolds bislang bester Film. Und dann ist es doch auch völlig egal, ob es sich hierbei nun um einen Western handelt oder nicht.

Übrigens: Spielt der von Mario Siletti gespielte Frisör Tony Santoro hier in seiner ersten Szene wirklich auf Benito Mussolini an, wenn er Virgil Renchler mit jemandem vergleicht, mit dem seine Vorfahren in den 1920ern in Italien Probleme gehabt hätten? Wenn nicht, habe ich die Anspielung nicht verstanden und bitte nach Möglichkeit um Aufklärung!

★★★★

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