Das finstere Tal

Das finstere Tal

★★★ +++

  • Jahr: 2014
  • Regie: Das finstere Tal
  • Darsteller: Sam Riley, Tobias Moretti, Paula Beer, Thomas Schubert, Clemens Schick...

Bewertung

Da es nach meinem in der Definition aufgeführten Beispiel und vor allem ob der ganzen Lobhudelei, die dieser Streifen seit seinem Erscheinen eingesackt hat und weiterhin einsackt, ja schon lange genug gedauert hat, bis ich ihn mir endlich mal zu Gemüte führte, wollte ich damit jetzt (Stand: Februar 2022) nicht noch länger warten. Und bereut habe ich es definitiv nicht! Was einem an „Das finstere Tal“ jedoch zuerst auffällt, ist sein „Grenzgängertum“. Denn, wie es zu erwarten stand, ist es tatsächlich wohl unmöglich diesen zu bewerten ohne das Wort „Western“ in den Mund zu nehmen. Schließlich ist Andreas Prochaskas Werk nicht nur von seiner Rache-Story her eigentlich ein urklassischer Genrevertreter. Auch die Kulisse der verschneiten Alpen, die Kostüme der Beteiligten, ihre Art zu schauspielern, vor allem aber die Inszenierung lassen sich den Zuschauer von Beginn an wie in einer „normalen“ Pferdeoper fühlen. Erst wenn die Akteure den Mund aufmachen und ihre österreichische Mundart hören lassen, merkt man: Hier ist etwas anders. Und genau so ist es auch, schließlich doubeln die Alpen in diesem Falle kein amerikanisches Gebirge (wie etwa in „Il Grande Silenzio“), sondern spielt sich die Handlung eben tatsächlich komplett in Österreich ab. Ende des 19. Jahrhunderts ist überall zu lesen. Also zur gleichen Zeit wie in einem „richtigen Western“, unter mehr als ähnlichen Voraussetzungen und mit oben genannter Genreinszenierung. Dass den meisten „normalen Rezipienten“ da eine Einstufung als Pferdeoper vorschwebt, kann daher selbst ich in diesem Fall komplett verstehen. Und doch kann ich mich dem nicht anschließen. Schließlich muss sich ein Western für mich wenigstens auf dem amerikanischen Doppelkontinent abspielen. Nur eine Figur, die von dort kommt, reicht da nicht aus. Das fühlt sich – so authentisch wie Prochaska das karge Leben in den österreichischen Bergen zu dieser Zeit darzustellen scheint – einfach nach etwas anderem an und ist es für mich daher auch. Und nicht zuletzt kann man seine Ohren ja nicht einfach so zuklappen (wenngleich man diesem wortkargen Streifen vermutlich selbst dann folgen könnte): österreichischer Dialekt in einem „echten Western“ wäre für mich nur schwer ertragbar. ;)

Ansonsten aber wird der Genrefreund von Prochaska hier so gut bedient, dass auch ich eine Sichtung nur empfehlen kann. Wie gesagt trifft er den Ton dabei mitunter so gut, dass man glatt vergessen kann, wo sich die Handlung abspielt. Dabei orientiert er sich weniger an aktuellen Neo-Western der Amerikaner (was ich ehrlich gesagt erwartet hätte), sondern (mal wieder bei einer europäischen Fast-Genreproduktion) eher am Italowestern. Das mit dem coolen, einsamen, wortkargen, ruhigen Rächer und der Armee von schrägen Gesichtern, mit der er es aufnimmt, nimmt er dabei sehr genau. Aber auch „Shane“ war definitiv eine Inspiration. Er huldigt gefühlt also einmal dem kompletten Genre und das noch wesentlich eindrucksvoller als es Kristian Levring mit seiner noch comicartigeren Verbeugung „The Salvation“ im selben Jahr tat. Das sieht wirklich richtig gut aus und dass so etwas aus deutschsprachigen Landen kommen kann, vermag man fast nicht zu glauben. Nun gut, das stimmt so selbstverständlich überhaupt nicht; wir haben so viele interessante Regisseure hierzulande, die ihr Handwerk mehr als verstehen. Aber dann sollte man in diesem Zusammenhang vielleicht fragen: Warum kann man solche Versuche denn nicht öfter wagen?

Egal, tatkräftigste Unterstützung bekommt Andreas Prochaska hier jedenfalls von seinem Kameramann Thomas W. Kiennast. Dessen Bilder sind schlicht atemberaubend und lassen aus „Das finstere Tal“ den nächsten brillanten Schneew…, jetzt hätte ich’s selbst fast gesagt, also den nächsten brillant eingefangen Film der 2010er Jahre werden, der vor einer verschneiten Bergkulisse spielt (hatte in diesem Jahrzehnt gefühlt ja wirklich Hochkonjunktur so was). Auch die Musik von Matthias Weber fand ich so weit ganz angenehm, allerdings ist das „Das finstere Tal“ leider ein Paradebeispiel dafür, dass Songs (die im Zweifel ursprünglich gar nicht mal für den Soundtrack geschrieben wurden) in diesem Genre nicht oder wenigstens nur ganz sparsam eingesetzt werden sollten. Gerade wenn gegen Ende zwei ganz kurz aufeinander folgen und die Bilder damit etwas entwerten, fand ich’s schade.

Ansonsten aber präsentiert sich diese österreichisch-deutsche Koproduktion wie gesagt in Topform und hat nur einen Schönheitsfehler: Für diese lange Laufzeit von fast zwei Stunden hat Prochaskas Film erstaunlich wenig zu sagen. Klar, er lässt es auch wirklich sehr ruhig angehen, aber dagegen habe ich ja nichts. Nur wäre es nett gewesen, wenn man als Zuschauer für die ganze „Warterei“ am Ende mit mehr belohnt worden wäre als einem absoluten Standard-Verlauf. Ok, die Aktionen von Protagonist Greider (Sam Riley) sind nicht immer ganz nachvollziehbar, aber das kann man jetzt ja nicht unbedingt für das Drehbuch von Martin Ambrosch und – erneut – Andreas Prochaska oder die Buchvorlage von Thomas Willmann ins Feld führen ((Spoiler) wieso etwa erschießt der seine Halbbrüder nicht einfach einen nach dem anderen aus der Ferne oder versucht dies zumindest und geht mit seinem Frontalkurs stattdessen so ein immenses Risiko ein? – und wieso lässt er sich in der Hütte so übertölpeln?). Und darüber hinaus vollzieht der dann einfach so seine Rache ohne auch nur einmal nennenswert in Gefahr zu geraten und muss seine Gegner im Gegenteil noch extra dazu einladen, ihm die Sache ein wenig schwerer zu machen, weil er ihnen einfach so haushoch überlegen ist. (Spoilerende) Kann man so machen, aber dann hätte es eine etwas straffere Erzählung in 90 Minuten auch getan. So blendet „Das finstere Tal“ seine Zuschauer ein wenig und hinterlässt ein wenig den Nachgeschmack der Aufgeblähtheit.

Schauspielerisch präsentieren sich die drei Hauptdarsteller Sam Riley, Paula Beer und Tobias Moretti allesamt in guter Form. Die letzteren beiden sollten u. a. ein paar Jahre später in der ausgezeichneten deutschen Serie „Bad Banks“ zwar noch ein wenig mehr von ihrem Können präsentieren, aber das sage ich auch nur, weil ich die zufällig auch gerade erst geguckt habe. ;) Auch der Supporting Cast ist nicht zu verachten und hat wie gesagt die nötigen Gesichter, die auch ein Leone eingefordert hätte.

Dieser hätte wohl auch generell seine Freude hiermit gehabt (sagt sich heutzutage natürlich leicht). Ein geradliniger, hervorragend inszenierter, überragend fotografierter und gut gespielter Fast-Western aus österreichisch-deutschen Landen. Wer hätte das gedacht? Dass er am Ende entweder ein wenig zu lang geraten ist oder aber schlicht ein bisschen wenig zu erzählen hat, fällt da kaum ins Gewicht. Ok, es ist schade, denn hier wäre wirklich noch ein bisschen mehr drin gewesen, aber hey, vielleicht könnte das ja ein Anreiz für einen anderen deutschsprachigen Filmemacher oder auch Prochaska selbst sein, es noch ein wenig besser machen zu wollen? Mittlerweile acht Jahre nach seiner Premiere mehr als unwahrscheinlich. Schade…

★★★ +++

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