Deadwood Staffel 3

Um es dann auch einheitlich zu Ende zu bringen, will ich auch bei der letzten Staffel von „Deadwood“ dem Fazit schon mal vorausgreifen: Endlich habe ich es geschafft! Jawohl, trotzdem auch Season Three keinen wahnsinnigen Qualitätsabfall gegenüber den ersten beiden zu verzeichnen hat und man sie für sich gesehen, durchaus mal anschauen kann, so ist sie doch als Weiterführung einer relativ spannungsarmen Serie eben auch nicht mehr als diese. Sie ist ganz in Ordnung, aber mehr nicht. Das liegt daran, dass man hier – erwartbarerweise – erneut absolut nicht versucht hat, dem Ganzen eine andere Richtung oder wenigstens etwas mehr Drive zu geben, sondern genau so weitermacht, wie man es 24 Folgen zuvor eben auch schon getan hatte. Erneut baut sich alles nur sehr langsam auf, werden viele unnötige, teils langweilige, teils wirklich nervige Nebenhandlungen abgearbeitet und erneut fragt man sich daher die ersten vier Episoden lang erstmal, warum man überhaupt wieder damit angefangen ist…

Auch storytechnisch passiert hier nicht so viel Neues. Wieder tun sich Bullock, Swearengen und all die anderen „Alteingesessenen“, die sich untereinander ja gar nicht unbedingt so mögen, zusammen, um einen Eindringling zu bekämpfen, der das Gemeinwohl bedroht. Als hätten sie mit dem Anschluss an die Vereinigten Staaten und den damit einhergehenden neuen Chancen und Risiken (Bullock etwa will sich zum County-Sheriff wählen lassen, wenn ich das richtig verstanden habe) nicht schon genug zu tun. Und erneut ist dieser Eindringling kein leichter Gegner. Mit ihm haben es sich die Macher in dieser Season leicht und schwer zugleich gemacht. Leicht, indem sie einfach den Chef des „Hauptbösewichts“ Francis Wolcott der vorangegangenen Staffel, nämlich George Hearst höchstpersönlich, als neuen „Villain“ installierten und schwer, indem sie ihn so richtig fies sein lassen wollten. Und das ist er auch ohne Frage… Was er dann allerdings noch mit dem echten George Hearst gemein haben mag, darf man sich zumindest fragen. Zwar ist die Faktenlage, was ihn angeht, auf Deutsch selbst im Internet ziemlich dünn (und ich hatte jetzt nicht vor mir nur wegen „Deadwood“ seitenlange, englische Referate durchzulesen) und ich vermag daher nicht unbedingt einzuschätzen, ob dessen philanthropische oder doch eher geschäftsmännisch-harte Seite überwog, aber so richtig vorstellen kann man sich das reale Vorbild so nicht. Das widerspricht zwar ein wenig dem sonst doch selbst in dieser Hinsicht ziemlich historisch korrekten Selbstverständnis der Reihe, ist aber eine Sache, die man machen kann. Und wie gesagt, dieser George Hearst ist echt böse… Meine Güte, ist der gemein… (Spoiler) Schneidet Swearengen einfach mal so den Finger ab, weil es ihm nicht passt, dass der sich ihm so gar nicht unterordnen will. Wow, das hatten wir in der Goldgräberstadt so bisher noch nicht gesehen. (Spoilerende) Und Gerald McRaney macht das, soviel können wir auch an dieser Stelle ja schon mal vorwegnehmen, überragend! Zwar ist es mit Hearst wie so oft mit den Charakteren in „Deadwood“ – man fragt sich die Hälfte der Zeit, was für Vollidioten das eigentlich sind und die andere Hälfte schaut man ihnen gebannt zu –, aber an ihm liegt es nicht. Man fragt sich zwar, zu Recht denke ich, wie jemand, der so einen an der Marmel hat, geschäftsmäßig so weit gekommen sein soll (der macht sich wirklich jeden, einschließlich aller seiner ihm „nahe stehenden“ Untergebenen, zum Feind; irgendwann müsste da ja eigentlich mal einer austicken und nur weil Trixie sich mit einem Male als wesentlich unfähiger erweist, mit einem Revolver umzugehen, als wir das aus Staffel 1 gewohnt sind, heißt das ja nicht, dass es jedem so gehen muss), aber McRaney schafft es spielend, einem trotzdem zu imponieren und die Angst der anderen nachvollziehbar wirken zu lassen.

Allerdings gehen mit seiner Figur auch die zwei grundlegendsten Probleme dieser Staffel einher. Zum Ersten: Hearst wird hier viel zu viel Macht und Einfluss zugestanden. Alle zittern vor dem Mann, alle lassen sich von ihm einschüchtern, beschimpfen oder sogar anspucken und unternehmen – nichts! Rein gar nichts! (Spoiler) Swearengen taktiert bis nach Meppen und während Onkel George jeden seiner Arbeiter, der ihm nicht passt, umlegen lässt, Al einfach mal so den Finger abschneidet und überhaupt keinen Hehl daraus zu machen braucht, dass er Deadwood zur Not dem Erdboden gleich machen würde, wenn er nicht das bekommen sollte, was er will, müssen der Sheriff (! – der hat ja eigentlich auch ein paar Befugnisse, oder?) und der klügste Kopf des Ortes brav die Hände in den Schoß legen und zugucken. Nun gut, Bullock darf den Bösewicht mal am Ohr durch die Stadt schleifen und für eine Nacht einbuchten, dann war’s das aber auch schon. Ansonsten hat da keiner so wirklich die Eier, da mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Und später, wenn Hearst seine Muskeln spielen lässt und jede Menge Pinkertons für seine Zwecke anheuert, hat man da ja auch ein gewisses Verständnis für, aber vorher hätte man dem Arsch schon mal was zurückgeben können. Wenn Al dann wirklich mal einen seiner Männer erledigt, tarnt er das lieber und sagt Hearst, der Kerl wäre getürmt. Und selbst wenn der Magnat dann wirklich durchgreift und tatsächlich die Dreistigkeit besitzt die so ziemlich sympathischste Figur der Serie, nämlich den guten, alten Ellsworth, einfach erschießen zu lassen, schlägt da niemand zurück. Al treibt zwar für den Fall der Fälle ein paar Männer auf, aber als der alte George dann ankündigt, die Stadt verlassen zu wollen, lässt man ihn einfach ziehen und ist froh, dass es nicht noch mehr Stress gab. Ach ja, eine Nutte muss vorher natürlich noch dran glauben, weil Ober-Arschloch Hearst ja unbedingt die Hure tot sehen möchte, die auf ihn geschossen hat – und da Swearengen ja ein großes Herz für Trixie hat, muss halt eine seiner anderen Angestellten dran glauben… Also sorry, aber das ist mir dann echt zu viel. Das mag ja alles realistisch sein, aber so was muss ich mir dann doch nicht unbedingt mit angucken. Da gucke ich, das sage ich ganz ehrlich, dann doch lieber die alten Klassiker, in denen sich der Held den Spitzbuben am Ende doch noch entgegen stellt. (Spoilerende) So fehlt mir hier am Schluss echt die Genugtuung.

Wobei das ja bereits zu Punkt zwei führt, der einen am Ausgang dieser Geschichte stört: Man weiß ja überhaupt nicht, ob das jetzt tatsächlich das Ende vom Lied sein sollte. Denn eigentlich war nach Staffel drei ja mindestens noch eine geplant, die dann ja aber nicht mehr realisiert wurde. Und wie man das dann weitergeführt hätte, hätte natürlich noch ein anderes Licht auf die Sache werfen können. Denn so werden natürlich auch etliche andere Handlungsstränge nicht auserzählt und es bleibt generell ein unrunder Gesamteindruck zurück. Ob den der dieses Jahr erst erschienene TV-Film mit der Fortsetzung der Geschichte etliche Jahre später wieder gerade rücken kann, wage ich jetzt doch mal stark zu bezweifeln.

Andererseits: Von viel zu vielen Fäden, die bis hierhin aufgenommen wurden, will ich ehrlich gesagt auch gar nicht wissen, wie sie weitergeführt worden wären. Wenn wir vom Hauptplot um Hearst und Swearengen mal kurz weggehen und uns den Rest des Inhalts dieser zweiten Fortsetzung ansehen, fällt dabei auf, dass hier auch ansonsten wieder ordentlich Müll mit eingearbeitet wurde. (Spoiler) Der Subplot um den dauerbesoffenen Steve und die zwei Schwarzen z. B., die sich doch tatsächlich wieder zurück nach Deadwood trauen, um für ihre Taten geradezustehen. Das nervt vielleicht! Dieses ewige, kleinkindliche Hin und Her. Hier muss noch ein Haken von Steve geschlagen werden, damit er auch ja seine Genugtuung bekommt und die zwei seiner Meinung nach minderwertigen Menschen sich auch genau so fühlen dürfen und dort muss noch an irgendetwas rumgemeckert werden, damit auch ja jeder begreift, was für ein dämlicher Arsch er ist. Und Bullock, der sonst bei jedem Furz gleich an die Decke springt und Leute verprügelt, bleibt total ruhig und guckt sich den Zirkus so lange an, bis Hostetler sich völlig unnachvollziehbarerweise das Hirn wegpustet… Das ist tatsächlich sogar das nervigste Stück der gesamten Reihe. Aber auch der ganze Quatsch mit Jane, Joanie und der Schule und der damit verbundene Zweig um Jack Langrishe und seine seltsame Theater-Truppe wächst völlig ins Nirgendwo und nimmt der Serie somit mal wieder sämtliche Fahrt. (Spoilerende)

Womit wir beim Üblichen wären. Wie üblich zieht sich das Ganze hier mehr und mehr in die Länge (wobei Staffel drei immerhin mit der eindeutig besten ersten Folge aufwarten kann; da hatte ich wirklich schon Hoffnung auf Besserung), bis es einen dann am Ende kaum noch interessiert und wie üblich darf man sich über die auf der einen Seite erstaunlich hochtrabende Ausdrucksweise der Figuren und ihre dafür erstaunlich häufige Verwendung von Kraftausdrücken, wie man so schön sagt, auf der anderen Seite wundern. Und wie üblich braucht man sich extrem häufig überhaupt nicht fragen, was das ganze Treiben da auf dem Bildschirm jetzt eigentlich soll. Was Cy Tollivers Beweggründe für sein durchweg rätselhaftes Verhalten hier sein könnten, vermag ich z. B. nicht zu sagen. (Spoiler) Ebenso wenig wie ich eine Erklärung dafür habe, warum Alma Garret ihren Claim am Ende doch an Hearst verkauft – sie klang erst, als ob sie es doch drauf ankommen lassen wollte. Warum Jack Langrishe (Brian Cox) die Geschichte mit Hearsts Rücken eingefädelt hat, weiß ich auch nicht genau – er hat ja damit gar nichts erreicht oder auch nur versucht, zu erreichen. Auch habe ich keine Ahnung, was das Intermezzo mit Wyatt Earp (Gale Harold) und seinem Bruder sollte. (Spoilerende) Und am Ende weiß in dieser Staffel nicht mal der schlaue Al selber, warum der Goldminenbesitzer auf der anderen Seite der Straße mit dem Loch in der Wand jetzt die Sachen tut, die er tut bzw. tun lässt. Wenn es schon so weit ist… Woher soll ich es denn wissen?

Ich weiß nur, dass das einzige, worauf man sich bei „Deadwood“ mal wieder verlassen kann, die technische Seite ist. Da ist gewohnt alles vom Allerfeinsten und gibt es nichts zu meckern. Ebenso wenig wie bei der schauspielerischen. Erneut ist Timothy Olyphant wirklich gut, Ian McShane aber eben noch eine ganze Ecke besser. Diese Lücke wurde nie so deutlich wie in dieser Staffel. Aber zusammen mit dem wie gesagt ebenfalls hervorragenden Gerald McRaney tragen sie diese Serie mühelos. Das macht tatsächlich Spaß, sich das mit anzugucken. Zu den sonstigen, immer gut aufgelegten Brad Dourif, Jim Beaver, W. Earl Brown, John Hawkes, Titus Welliver, Powers Boothe oder der erneut überragenden Paula Malcomson gesellen sich in dieser Staffel zwar nicht viele neue Gesichter, aber diese sind eigentlich durch die Bank gut – vor allem Brian Cox. Der hat zwar eine absolut bekloppte Rolle abbekommen (aber ganz ehrlich, es ist hier ja so wie in „Red Dead Redemption“ – wer ist hier nicht bekloppt?), aber er füllt sie mit einer Wonne mit Leben aus, dass es trotzdem eine Faszination ist, zuzugucken.

Und genau deswegen kann man diese letzte Staffel „Deadwood“ am Ende eben auch noch ganz gut ertragen. Die Darsteller und die Crew drumrum können zwar nicht alle Drehbuchlöcher stopfen oder übertünchen, aber man kann das Ganze dann doch ganz gut bis zur letzten Folge gucken, ohne großartig ausrasten zu müssen. Gerade das Script ist aber eben noch mehr als sonst weit davon entfernt, einen mitzunehmen oder gar zu fesseln und so bin ich mir schlussendlich nicht ganz sicher, ob ich mir den letzten Akt dieser Serie irgendwann nochmal angucken werde. Wie auch die Reihe insgesamt so natürlich ein schwaches Gesamtbild abgibt. Wird mit jeder Staffel schwächer, weil natürlich auch mit jeder Staffel der Realitätsfaktor als Grund für den anfänglichen Enthusiasmus seine Faszination verliert und kann abschließend von mir mit nicht mehr als einem „knapp überdurchschnittlich“ bewertet werden. Das ist jedenfalls viel weniger als ich aufgrund der Vorschusslorbeeren oder auch der ersten Staffel erwartet hatte. Schade, schade, aber wenn so moderne Western-Serien aussehen, dann bleibe ich lieber bei den alten Filmen…

(★★★ +)