Töte alle und kehr allein zurück

Ammazzali Tutti E Torna Sola

★★★ +

  • Jahr: 1968
  • Regie: Enzo G. Castellari
  • Darsteller: Chuck Connors, Frank Wolff, Leo Anchóriz, Alberto Dell’Acqua, Franco Citti, Giovanni Cianfriglia, Hércules Cortés...

Story

Abenteurer Clyde McKay (Chuck Connors) erhält während des Amerikanischen Bürgerkriegs von den Südstaaten den Auftrag, den Yankees einen Haufen als Dynamitstangen getarnte Goldmünzen zu klauen. Seine Mannschaft, bestehend aus dem Hünen Bogard (Hércules Cortés), dem Dynamitexperten Deker (Leo Anchóriz), dem Akrobaten Kid (Alberto Dell’Acqua), dem Messerwerfer Blade (Giovanni Cianfriglia) sowie dem durchtriebenen Hoagy (Franco Citti), soll er nach dessen Erfüllung töten und allein mit dem Edelmetall zurückkehren. Beim Versuch, die Jungs nach getaner Arbeit einfach nur zu linken, werden alle bis auf Hoagy Gefangene der Nordstaaten und in ein Arbeitslager unter der Führung des falschen Captains Lynch (Frank Wolff) gesteckt. Da dieser auch hinter dem Gold her ist, versucht er die Mitstreiter gegeneinander auszuspielen, aber nachdem Kid, Deker, Bogard und Blade in Gefangenschaft versterben, kann er sich nur noch mit Hoagy zusammentun. Gemeinsam begegnen sie dem mittlerweile getürmten McKay an dem Ort, an dem er das Edelmetall versteckt hat, haben aber keine Chance. Clyde erledigt auch diese letzten beiden Widersacher und taucht zu seinem Schatz.

Worte zum Film

rudimentäre Story, durchwachsene Darsteller, tolle Actionsequenzen; könnte mehr

Bewertung

Zum Film:

Wie sich der eigene Geschmack oder in diesem Falle wohl eher der eigene Anspruch doch über die Jahre verändern kann, was? Bei „Töte alle und kehr allein zurück“ war das jetzt mein zweiter Anlauf. Und wo ich nach dem ersten Schauen regelrecht ins Schwärmen über diesen Film geraten bin, bleibe ich nach dem zweiten Mal doch etwas ernüchtert zurück. Denn ich habe ihn mir ja gerade wegen meiner guten Erinnerungen nochmal angesehen, aber so viel kann ich dem Streifen mittlerweile gar nicht mehr abgewinnen. Klar, er hat mich immer noch ganz gut unterhalten und hat definitiv seine Stärken, aber als viel mehr als leicht gehobenen Durchschnitt empfinde ich ihn mittlerweile nicht mehr. Zwischen „ganz gut“ und „gut“ liegen eben manchmal doch Welten. Und woran liegt das? Für meine Begriffe wie gesagt ein Stück weit auch an meinem gestiegenen Anspruch. Wollte ich damals einfach nur einen guten Action-Western ohne Rücksicht auf jegliche Verluste sehen, der Castellaris sechster Genrebeitrag (gemessen am Veröffentlichungsdatum) bei Anlegung dieses Maßstabs zweifelsohne immer noch ist, so erwarte ich heute meiner Meinung nach immer noch nicht viel mehr… Aber ein wenig Handlung dürfte es selbst in einem Italowestern dann schon noch sein – und genau darauf wird hier leider weitestgehend verzichtet.

Viel zu sagen gibt es zur „Story“ dieses Streifens nämlich nicht. Dies ist wohl der Film, in dem Enzo G. Castellari sich am wenigsten darum geschert hat, wie viel Gewalt und Action einem Film gut tun oder nicht, und einfach drauf los geschrieben und inszeniert hat. Mit freundlicher Unterstützung von Tito Carpi natürlich, mit dem er zusammen das Drehbuch geschrieben hat (unter Mithilfe von Francesco Scardamaglia und Joaquín Luis Romero Marchent sagt die IMDb, aber die vernachlässige ich jetzt mal, denn kann das stimmen?; kann so wenig Handlung wirklich vier Drehbuchautoren brauchen?). Und daher passt die Geschichte auch auf einen Bierdeckel. Als einer der ersten bediente sich der Regisseur beim Aldrich-Welthit „The Dirty Dozen“ und schickte ebenfalls eine Heldentruppe auf eine waghalsige Mission in eine gut bewachte, ähem, Festung. Zwölf Leute sind es zwar nicht ganz, aber dafür hätte das Budget wohl auch nicht gereicht. (Und jetzt muss ich mich mal entschuldigen, denn eigentlich ist es ja viel zu früh dafür, aber mehr dürfte ich dem wirklich interessierten Leser, der den Film noch vor sich hat, nun tatsächlich nicht verraten, ohne bereits „Spannung“ zu nehmen, deswegen setze ich hier jetzt mal ganz vorsichtig einen Spoiler.) Diese „Dirty Six“ hier erfüllen absolut kompromisslos ihren Auftrag und streiten sich danach mit einem Nordstaatenoffizier um die Beute bis am Ende nur noch einer überlebt. (Und auch wenn es erneut lächerlich ist, müsste ich an dieser Stelle dann auch schon wieder das Spoilerende markieren.) Das ist alles! Und wer den Italowestern kennt, der wird sich denken können, dass man selbst dieses Nichts an Geschichte auf 90 (oder in diesem Fall sogar bummelig 95) Minuten strecken kann und dass das, wenn es Enzo Castellari macht, sogar noch ziemlich ansehnlich ist, aber auch sein actionbetontes Storytelling kommt hier für mich wie gesagt an seine Grenzen.

Erstaunlich dabei ist nur, wie lange es dann tatsächlich dauert, bis einen als Zuschauer das Ganze dann wirklich anfängt ein wenig anzuöden. Der Beginn ist zum Beispiel noch ziemlich cool. (Spoiler) Im Gegensatz zum großen Vorbild oder dem vier Jahre später entstandenen, sehr ähnlich, aber wesentlich ernster angelegten „Una Ragione Per Vivere E Una Per Morire“ müssen sich die Haudegen hier nämlich gar nicht erst ausbilden lassen oder sich überhaupt zusammenraufen, sondern sie sind bereits ein Team von großartigen Individualisten, das sofort loslegen kann. Und so dürfen diese Jungs in den ersten Minuten dann auch einfach nur zeigen, was sie drauf haben, damit Anführer McKay (Chuck Connors) sie uns anschließend einen nach dem anderen vorstellen und schlussendlich seinen Auftrag entgegennehmen darf. Das ist ein feiner Kniff von Castellari und Carpi, der sehr kurzweilig einführt und entsprechend Lust auf mehr macht. Das Mehr bekommt man dann allerdings auch – mit dem Vorschlaghammer! Schon bei der Prügelei in der Kneipe, die dann bereits die dritte in Reihe ist, darf man sich durchaus fragen, ob die nun wirklich nötig war, um den Auftrag auszuführen, aber spätestens wenn McKay mit dem vermeintlichen Gold (nach immerhin erneut ansprechender Umsetzung der Eroberung desselben) am Flussufer von den Mannen empfangen wird, die er soeben versetzt hat und von selbigen gleich wieder verprügelt wird, obwohl zwei Minuten später schon wieder die Kavallerie anrückt und also gleich wieder geschossen werden „muss“, reichte es mir so langsam. Allerdings ist dann auch tatsächlich schon fast eine Stunde Film rum, die man kaum bemerkt hat. Immerhin.

Aber gerade die folgende Fortführung des Abenteuers, nachdem dieses schon so gut wie abgeschlossen schien, bricht dieser Chose hier das Genick. Obwohl auch diese Art des Geschichtenerzählens ja durchaus ihren Reiz hat. Dort anzusetzen, wo andere Storys (insbesondere auch die des Vorbildes „Das dreckige Dutzend“) aufhören, ist grundsätzlich interessant. Denn was man heute vielleicht als tarantinoesk bezeichen würde, findet genau in Filmen wie diesem seinen Ursprung: In den Vorbildern Tarantinos (und Co.). Und dass Castellari und seine Streifen dazugehören, daraus hat er (also Tarantino) ja nie einen Hehl gemacht. Auf der anderen Seite muss dazu aber auch erwähnt werden, dass auch diese gute Idee wesentlich ansprechender hätte umgesetzt werden können.

Denn der Aufenthalt der Truppe im Arbeitslager der Nordstaaten, denen dann mit mal – oh Wunder – Frank Wolffs Captain Lynch vorsteht, ist auch nicht gerade eine Ausgeburt an tollen Einfällen. Auch hier wird, wo es nur geht, auf die Schnauze gehauen und betrogen. Absolut unverständlich blieb mir dabei nur der Versuch von Lynch, die Männer gegeneinander auszuspielen, indem er zwar einen nach dem anderen zu sich hereinholt und schon beim zweiten dafür sorgt, dass der Rest des Haufens denkt, dieser hätte das Goldversteck verraten, diesen Vorteil aber nicht zu seinen Gunsten ausnutzt, indem er einem dritten nach der Tötung dieses zweiten nicht versucht, das nun in dessen (in des dritten) Kopf bereits „verratene“ Geheimnis mithilfe einer List „erneut“ zu entlocken. Stattdessen verrät er den blöd dreinblickenden Überlebenden einfach, dass Bogard (Hércules Cortés, der Name ist Programm) das Versteck gar nicht verraten hat, auf dass diese sich natürlich nun nur noch zusammengehöriger fühlen und sich wieder zusammenschweißen, obwohl er sie fast gebrochen hatte.

Aber das läuft, wie so vieles in diesem Film, unter dem Motto „Kopf ausschalten, Fresse halten“ (beim Ende um den „Verräter“ Hoagy, das Schlussduell und den tatsächlichen Lagerplatz des Goldes verhält es sich genauso (das einzig Angenehme daran ist, dass McKay nicht, wie in vergleichbaren Werken, letztendlich irgendein Undercover-Agent der Regierung oder sonstwas ist, sondern auch einfach nur goldgeil)). (Spoilerende) Und das funktioniert aufgrund von Castellaris erneut sehr kurzweiliger Umsetzung, die einem für derlei Gedanken ja nun auch wirklich (fast) gar keine Zeit lässt und seiner gewohnt guten Action-Inszenierung zugegebenermaßen ja auch ganz gut. Aber es fehlt dadurch eben auch jedwede Art von „Tiefgang“ (sorry, aber mir fällt sonst gerade kein Wort ein, dass meiner Intention gerechter würde) und Wiedererkennungswert (ich will nicht nochmal Anspruch sagen, denn den hatte der gute Enzo vielleicht auch einfach gar nicht) und zumindest Letzteren hätte es zumindest in Form von ein wenig mehr oder wenigstens ein wenig mehr durchdachter Handlung geben dürfen, bin ich heute der Meinung.

Und ein wenig mehr gute Schauspieler hätten auch nicht geschadet. Klar, Chuck Connors ist ok, aber mehr auch nicht. Er gehört für mich eher in die Kategorie derjenigen, bei denen es mich nie groß gewundert hat, dass man sie seinerzeit auch leicht nach Italien holen konnte, weil sie in den USA nie die ganz großen Hauptrollen bekamen. Und ich bin mir durchaus bewusst, dass er im Gegensatz zu Lee Van Cleef zum Beispiel durchaus ein paar größere Auftritte auf der anderen Seite des großen Teichs hatte, aber das hielt sich meiner Meinung nach dann doch arg in Grenzen. Und dass das bei ihm seinen Grund hatte, erkennt man hier durchaus – seine Leistung ist ebenso annehm- wie austauschbar. Andererseits brauchte er hier ja nun auch nicht allzu viel tun und ist mit dem bisschen, dass er tut, dann ja auch noch gleich der zweitbeste in der Runde. Hier vermag ihn nämlich nur noch erwartbarerweise Frank Wolff zu toppen. An dessen Anblick so ganz ohne jeglichen Bart muss man sich zwar erst kurz gewöhnen (oder ging das jetzt nur mir so, weil ich ihn so so lange nicht gesehen habe?), aber er ist böse wie eh und je und macht trotz des schwach geschriebenen Charakters Spaß (ein wenig Overacting kann auch er sich allerdings nicht verkneifen). Die Nebendarsteller kann man dagegen alle getrost vergessen. Zwar hat man mit Hércules Cortés nur einen relativ Unbekannten, dafür aber mit Franco Citti, Leo Anchóriz, Giovanni Cianfriglia und Alberto Dell’Acqua vier absolut vertraute Leute gecastet, aber mit Ausnahme des letzten sind das ja alles Gesichtsfünfen, da kriegt man ja den Mund nicht mehr zu. Und Dell’Acquas Talent ist meiner Meinung nach hier verschenkt worden, denn er muss sich unter so eine komisch blonde Perücke zwängen und den Halbidioten spielen, der außer schießen und springen nix im Kopf hat. Und der Rest ist nicht nur unansehnlich, sondern auch noch wahnsinnig aufgesetzt und unsympathisch. Also nee, nich mein Fall. Weiß auch nicht, was Castellari an denen gefunden hat.

Und so bleibt unterm Strich, auch wenn Kamera und Musik in Ordnung gehen, trotzdem nur eine weitere Pferdeoper übrig, aus der sehr viel mehr hätte werden können, die letztlich aber nicht mehr als nur gute Ansätze bietet. Mit ein wenig mehr Augenmerk auf die Handlung und etwas (ich sage bewusst etwas) weniger Action hätte ich den Streifen nicht schlechter gefunden als bei der ersten Sichtung. Denn mal ganz ehrlich: Auch Fidani und Co. haben damals im Prinzip nichts anderes gemacht, als halbstündige Geschichten auf die dreifache Länge aufzublasen, aber bei keinem von denen sieht das auch nur halb so gut aus wie bei Castellari hier. Es ist also auch bei Weitem nicht alles schlecht und wenn alle Stricke reißen, bleibt hiervon zumindest eins der merk- und damit denkwürdigsten Schluss-Stills in einem Italowestern überhaupt über. Ich würde also fast sagen: Der Film hat einen dritten Versuch verdient.

Zur DVD:

Ach ja, damals, bei der ersten Ansicht, fand ich auch die Scheibe von NEW-Ableger Eyecatcher Movies (weiß auch nicht, warum man den nicht auch unter NEW rausbringen konnte) ziemlich gelungen. Heutzutage sieht das naturgemäß ganz anders aus. Ja, man kann sich das Ding auch heute noch so anschauen, aber die ganzen Bildverunreinigungen hätte man bei einer BD-Veröffentlichung dann gerne nicht mehr. Vielleicht auch ein Grund, warum es diesen noch nicht in HD gibt? Nun ja, die Cover waren damals jedenfalls alle drei ziemlich unansehnlich und auch die Extras waren mit dem Trailer, alternativen Credits und einer Bildergalerie nicht gerade üppig gesät. Von daher eine Veröffentlichung, die ich mir heute wissentlich so nicht mehr zulegen würde – auf der anderen Seite hat das Ding damals komplett neu auch „nur“ 15 Euro gekostet. Wäre heute ja wohl gar nicht mehr drin…

Zitat

[beim Schaukämpfen zu Beginn des Films wird Bogard dabei erwischt, wie er einen Soldaten ausknockt] „Name, Dienstgrad, Kompanie?“ – „Keine Ahnung, aber gestern hab ich’s noch gewusst, Herr General.“(Bogard weiß sich schlagfertig aus der Situation zu manövrieren)

„Als Südstaatler haben Sie mich angeekelt, aber als Nordstaatler finde ich Sie zum Kotzen!“(Clyde McKay zeigt sich von Captain Lynchs Steigerungsfähigkeit beeindruckt)

★★★ +

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