Nun ja, die Sichtung der zweiten Staffel „Deadwood“ verlief bei mir dann doch etwas anders als die der ersten. Man könnte sagen, ich habe für die wiederum zwölf Folgen etwas länger gebraucht als beim ersten Mal. Man könnte aber auch einfach ehrlich sein und sagen, dass sich das bei mir hingezogen hat wie Kaugummi. Und das gar nicht mal aus böser Absicht oder Groll darüber, dass die Fortführung der Geschichte um Sheriff Bullock und Co. so viel schlechter wäre als im ersten Part. Nein, das ist sie absolut nicht, aber sie ist eben auch keinen Deut besser. An den geschilderten Schwächen des dann doch etwas zu langsamen Erzähltempos, des sich Verlierens in (teilweise sogar unnötigen) Dialogen und der zu gering ausfallenden Actionanteile hat man nämlich überhaupt nicht gearbeitet, sondern fährt genauso damit weiter. Das dürfte dann zwar dazu führen, dass diejenigen, denen die erste Staffel ausnahmslos und damit noch besser gefallen hat als mir, begeistert in die Hände klatschen und auch diese Season feiern werden, aber das führte dann bei mir eben auch dazu, dass ich die zwölf Episoden über einen Zeitraum von bummelig einem halben Jahr geguckt habe – was einfach verdammt viel ist, wenn man sich den Kram jederzeit auf BD angucken kann.
Und dabei hatte ich bei den ersten beiden Episoden, die eine Doppelfolge bilden (so was tut aus meiner Sicht zwar nicht unbedingt Not, gerade nicht zu Beginn einer Staffel, aber ok) und in der es dann doch vergleichsweise schnell, ruppig und häufig zu Action-Einlagen kommt, schon ein viel besseres Gefühl als noch zum Ende der vorhergegangenen Season hin. Da dachte ich, würde man den Spagat zwischen dem Anspruch, das Leben in dieser aufstrebenden Stadt so realistisch wie möglich darstellen zu wollen, auf der einen Seite und dem grundsätzlichen, berechtigten Interesse einer Western-Serie an genretypischer Gewalt auf der anderen Seite wesentlich besser meistern. Hat man zuerst dann wie gesagt auch, aber bereits ab der dritten Folge verfällt man wieder in den alten Trott. (Spoiler) Und nicht nur das. Zusätzlich beraubt man sich mit der aus meiner Sicht ziemlich langweiligen und ich meine bis zum Ende der vierten Episode anhaltenden Zwischengeschichte um Swearengens Blasenstein, während der dieser nur ein wenig seine verzweifelte Mimik zu Protokoll geben kann und ansonsten als Gegenpart für Bullock völlig fehlt, auch noch des wichtigsten Akteurs hier. Das würde ich jetzt mal als taktisch unklug bezeichnen. Denn genauso schnell wie ich die ersten beiden Folgen verschlungen habe, so lange hat auch das Weitergucken nach Ende der ersten BD gedauert. Da lag schon ordentlich Zeit dazwischen. Und klar, wenn der gute alte Al wieder voll mitmischen kann, wird’s schlagartig besser und auch die sich dann endlich entspinnende Hauptgeschichte um das einfallende Engagement von George Hearst (Gerald McRaney) in Deadwood sowie der nebenbei weiterhin angestrebte Anschluss an die Vereinigten Staaten sind um einiges interessanter.
Zumal man hier mit dem erneut von Garret Dillahunt gespielten Francis Wolcott einen recht interessanten, wenn auch auf Dauer immer vorhersehbareren und am Ende eigentlich lächerlich schwachen Nebencharakter eingeführt hat. Aber der macht zumindest zu Anfang mit seiner Art mächtig Spaß und kann mit seinen Aktionen zuerst sehr über die ziemlich halbherzig gezeichneten wie auch am Ende relativ halbherzig verfolgten Nebenparts von Hugo Jarry (Stephen Tobolowsky) und Miss Isringhausen (Sarah Paulson) hinwegtäuschen. (Spoilerende) Von da an ist „Deadwood“ Staffel zwei eigentlich nichts anderes als „Deadwood“ Staffel eins. Auch hier wechseln sich gute mit weniger guten Folgen ab, auch hier ist Episode zehn neben der letzten so ziemlich als Höhepunkt zu bezeichnen, während die elfte dazwischen eigentlich nur ein Lückenfüller und zum Vergessen ist. Auch hier bekommen wir wieder einen unfassbar realistischen und daher auf diese Art weiterhin packenden Einblick in das Leben der Goldgräberstadt Ende des 19. Jahrhunderts und auch hier fallen den Machern reihenweise Situationen ein, die darzustellen vor „Deadwood“ noch kein (zumindest kein mir bekannter) Kinofilm in der Lage war und sein wird (beispielhaft seien auch hier nur die Feilsch-Szenen zwischen Swearengen und Hugo Jarry bzw. Miss Isringhausen genannt). Und auch hier muss man am Ende leider festhalten, dass das zwar alles ganz hervorragend ausgestattet und umgesetzt wurde, die Story schlussendlich aber nur als „nett“ zu bezeichnen ist, weil es, plakativ gesagt, einfach zu wenig „auf die Fresse gibt“. Das ist zwar weiterhin an sich nichts Dramatisches, denn das Prädikat „nett“ ist nach meinen bisherigen Erfahrungen immer noch weitaus mehr als man von den meisten TV-Serien zum Thema Western erwarten darf, aber es führt dann einfach dazu, dass hier kein Sog aufkommt und wie erwähnt dann doch sehr viel Zeit verging, bis ich die Staffel „geschafft“ hatte.
Dass sich dadurch dann ein neues Problem auftut, versteht sich von selbst, oder? Natürlich ist es dann, gerade wenn zwischen Folge X und Folge Y mehrere Wochen liegen, nicht wirklich einfach, sich immer wieder in die mitunter auch recht verschachtelte Figurenkonstellation einzufinden. (Aber immerhin hat man dann später mal einen Grund, die Serie nochmal, dann vielleicht etwas fixer als jetzt geschehen, zu goutieren – das rede ich mir jetzt einfach mal ein.) Und – das konnte mir in Staffel eins ob meines dortigen, wesentlich höheren „Guck-Tempos“ überhaupt nicht auffallen – ich habe jetzt auch gemerkt, dass man einer weiteren, wesentlich wichtigeren Komponente dieser Reihe (einer ihrer Hauptkomponenten muss man sogar sagen) teilweise nicht mehr richtig folgen kann, wenn man auf diese Art und Weise „den Anschluss verliert“: den Gesprächen. Gerade wenn unser alter Freund Al Swearengen, hier aber auch Cy Tolliver und Francis Wolcott in ihrer stets hochtrabenden Redeweise ihre Argumente und Forderungen vom Stapel lassen, macht es das für’s Verständnis nicht gerade einfacher. Klar, das ist ein Ausdruck unserer Zeit, in der auch auf Serien-Dialoge sehr viel Wert gelegt wird, aber erstens macht mich das vor dem Hintergrund des geschilderten Realismus doch stark wundern, ob die sich damals wirklich so einer Ausdrucksweise befleißigt haben und zweitens konnte zumindest ich, der ich mich jetzt zumindest nicht für den dümmsten Menschen auf diesem Planeten halte, dem Inhalt dadurch nicht immer folgen. Nehmen wir als Beispiel wieder die Sache mit Miss Isringhausen. Warum die jetzt mal mehr, mal weniger Argumente auf ihrer Seite hatte und warum sie mal mehr, mal weniger angeboten bekommt, mal mehr, mal weniger zögert und was das jetzt am Ende für den Fortgang der Reihe wirklich bedeutet, habe ich nicht begriffen. Gebe ich jetzt einfach mal so zu. Und das sollte meiner Meinung nach eigentlich nicht sein. Auch mit ein paar Wochen und auch einem Monat zwischen zwei einzelnen Episoden, sollte man dem Inhalt einer Serie locker folgen können. Wenn die im Fernsehen früher „richtig“ ausgestrahlt wurden, lag ja auch immer mindestens eine Woche zwischen den Sendeterminen. Zusätzlich sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass mir die hochtrabende Sprechweise der Protagonisten sonst nicht weiter aufstößt (nur eben in den Momenten, in denen ich nicht zwischen den Zeilen zu lesen vermag), dass ich in diesem Zusammenhang aber die auf die Dauer wirklich nervige Verwendung von Fäkalsprache nicht verstehen kann. Reden wie gebildete Leute und ständig ist alles ein „Scheiß-“, alles wird nur gefickt usw. Ich hab da grundsätzlich wirklich nichts gegen und klar, man selber redet in der Normalität auch mal so, aber so häufig wie hier, verwendet man das nun nicht. Das wird ja wirklich extra vor jedes Wort gehängt und das nervt zumindest mich dann auf die Dauer etwas. Fiel mir nicht mal beim „Wolf Of Wall Street“ so sehr auf, deswegen musste ich das hier jetzt mal erwähnen. ;)
Unverändert gut im Vergleich zur ersten Staffel sind die Darstellerleistungen hier. Timothy Olyphant trägt seinen Sheriff mit dem Stock im Arsch weiterhin exzellent vor, verliert aber immer weiter Boden auf Ian McShane, weil Al Swearengen einfach der viel, viel coolere Charakter ist. Das wird einem in dieser Season erst so richtig bewusst. Und auch auf W. Earl Brown, Brad Dourif, Powers Boothe, Titus Welliver, Paula Malcomson und Jim Beaver ist mal wieder Verlass. Generell kann man sagen, dass einen diejenigen, die man schon in Staffel eins mochte, hier weiterhin erfreuen.
Was ist nun aber mit den Neuzugängen? Sehr froh war ich da über die Leistung von Anna Gunn, die hier erstmals Martha Bullock, die Angetraute des Gesetzeshüters geben darf. Wenn man nämlich einmal „Breaking Bad“ gesehen hat und die Reihe so unfassbar schlecht findet wie ich, dann stellt man sich im Vorhinein schon die Frage, ob Anna Gunn immer so nervig sein muss. Die Antwort lautet: Nein, muss sie nicht, sie ist einfach eine Schauspielerin. Sie hat die Skyler White vernünftig gespielt (deswegen war sie dort ja so schwer zu ertragen) und ein paar Jahre eher hat sie auch Bullocks Ehefrau vernünftig gemimt. Eine dankbare Rolle ist auch das nicht, aber auf so was scheint sie dann ja abonniert zu sein.
Die neben Ian McShane beste Leistung dieser Staffel vollbringt aber Garret Dillahunt. Ja, sein Charakter ist nicht gerade eine Erfindung der Drehbuchautoren dieser Serie und dadurch am Ende wie gesagt auch ziemlich vorhersehbar (auch wenn er sich natürlich für das genaue Gegenteil hält), aber diesen dann so zu zelebrieren wie der Kalifornier hier, muss man auch erstmal können. Dillahunt ist Francis Wolcott, ohne wenn und aber. Beeindruckt mich mal wieder, der Mann. Der einzige Wehrmutstropfen ist natürlich der, dass er hier eigentlich schon den Jack McCall gegeben hatte und es von daher schon ordentlich gewöhnungsbedürftig ist, ihn in derselben Serie nun noch einmal in anderer Rolle zu sehen, aber gut, daran gewöhnt man sich dann im Laufe der Season.
Und allen anderen, hier aufgrund des Platzmangels jetzt nicht erwähnten Akteuren, kann man zumindest eine ordentliche Leistung attestieren. Denn gespielt ist „Deadwood“ sehr gut. Und ausgestattet wie gesagt auch. Das sieht weiterhin großartig und realistisch aus. Und auch von der handwerklichen Seite darf man bei einer so neuen Major-Serie zu recht erwarten, dass es da nichts zu meckern gibt. Nur die Story mal wieder… Wie gesagt, „Deadwood“ hat auch in Staffel zwei wieder einiges zu bieten, das man so selbst als langjähriger Western-Fan noch nie gesehen hat und ist generell alles andere als uninteressant. Aber diese Nebenschauplätze, die hier aufgemacht werden (ich sag nur: Wolcott und seine Huren, Alma Garret und die Geister, die sie rief, diese beiden schwarzen Leute aus dem Pferdestall da usw.), die Dialoge, die man weiterhin an vielen Stellen kürzen könnte und die immer noch viel zu seltenen Szenen, in denen „wirklich mal was passiert“, führen am Ende dazu, dass dieser Reihe ein ganz entscheidender Faktor abgeht, über den sich gerade moderne Sendungs-Folgen ja definieren: der Suchtfaktor. Während man sich bei Serien wie „Boardwalk Empire“, „The Last Kingdom“ oder eben auch „Justified“ (der musste jetzt zum Schluss noch mal sein) teilweise die Nächte um die Ohren schlägt, weil man unbedingt wissen muss, wie es weitergeht, hatte ich hier keinerlei Probleme damit, zwischen den einzelnen Episoden eben auch einige Wochen vergehen zu lassen (im Höchstfall waren das wohl fünf am Stück, meine ich), bis ich weitergucken wollte. Das ist schon schade, denn das dürfte einem eine Reihe schon bieten. Allerdings: Ich wollte ja nie abbrechen, sondern das Ganze immer weitergucken und ich gucke mir auch gerne noch eine Staffel davon an. Aber mehr als ein „nett“ kann mir diese Staffel eben einfach nicht entlocken.
(★★★ ++)