The World To Come

The World To Come

★★★ +

  • Jahr: 2020
  • Regie: Mona Fastvold
  • Darsteller: Katherine Waterston, Vanessa Kirby, Casey Affleck, Christopher Abbott...

Story

Im New Yorker Hinterland verlieben sich Mitte der 1850er Jahre die beiden Siedlersfrauen Abigail (Katherine Waterston) und Tallie (Vanessa Kirby) ineinander. Als Tallies Mann Finney (Christopher Abbott) schließlich dahinterkommt, fasst er einen folgenschweren Entschluss…

Worte zum Film

gute Schauspieler und Atmosphäre; sehr ruhig, düster, eng und beklemmend

Bewertung

Über fehlenden Western-Nachschub brauchte man sich im vergangenen Jahrzehnt nun wirklich nicht beklagen und aktuell (Stand: März 2024) hat man das Gefühl, dass die Menge an Neuproduktionen in diesem Genre eher noch zunimmt. Was dabei bisher wirklich noch gefehlt hatte, war ein Film über eine lesbische Liebe im Wilden Westen. Wir alle kennen Ang Lees großen, männlichen Gegenentwurf dazu (wobei „Brokeback Mountain“ definitiv zu den „Western, die keine sind“ zu zählen ist). Dass in dieser Richtung seitdem auch noch nichts Neues kam, ist schade genug, aber „für Frauen“ gab’s das in diesem Genre bisher noch gar nicht. Diese Lücke schloss Mona Fastvold 2020 mit „The World To Come“. Und im Gegensatz zu Lees Fast-Vertreter, handelt es sich bei diesem tatsächlich um einen richtigen Western. Nun gut, sicherlich kann man sich auch darüber vortrefflich streiten, da „The World To Come“ selbstverständlich keine klassische Pferdeoper ist (Pferde selbst spielen zum Beispiel nur eine völlig untergeordnete Rolle). Aber eben ein Streifen, der im New Yorker Hinterland der 1850er Jahre angesiedelt ist – und das macht die Einordnung für mich eindeutig.

Im Gegensatz dazu fällt mir die Bewertung von Mona Fastvolds erstem (und am Ende ihrer Karriere bestimmt auch einzigem) Genrebeitrag ungleich schwerer. Obwohl ich mich sehr auf ihn gefreut habe. Ja, das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich schaue mir aktuell sehr gerne „homosexuelle Filme“ an (wenn  man die so bezeichnen darf). Ganz einfach, weil sie aktuell in der Regel die eindeutig besseren Liebesfilme sind. Vielleicht deswegen, weil man das dramatische Element ihrer Lovestory nicht erst auf Teufel komm raus in sie hineinschreiben muss, sondern sich dieses zumeist aus den jeweiligen Umständen direkt ergibt. Wie eben auch in vorliegendem Fall, der eine Liebe unter zwei verheirateten Siedlersfrauen beschreibt. Dass diese sich nicht einfach so von ihren Männern trennen und ein Coming Out feiern können, ist folglich klar.

Der Weg dahin fällt ungewöhnlich lang aus. Tag für Tag vergeht, an dem sich Abigail (Katherine Waterston) und Tallie (Vanessa Kirby) erst näherkommen und ihre Gefühle füreinander entdecken und dann ob selbiger lange umeinander herumtänzeln. Das lässt sich an dem Voice-Over-Kommentar in Form von Abigails Tagebuchnotizen ziemlich gut nachvollziehen. Und es macht ja auch Sinn, dass man in einer Welt, in der man vielleicht nicht einmal weiß, dass man sich auch zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen kann, noch einmal länger braucht, solche Gefühle wirklich auszusprechen bzw. sich auszuprobieren. Allerdings ist, wenn das dann erstmal getan ist, der halbe Film rum. Und das bei einer Laufzeit von gerade einmal 105 Minuten und der seeehr ruhigen Erzählweise, die Fastvold und ihr Autorenteam Jim Shepard und Ron Hansen wählen. Sprich: Viel kommt dann nicht mehr und wirklich viel hat „The World To Come“ auch nicht zu erzählen. Er zeigt wirklich „nur“, wie unglaublich hart eine verbotene Liebe unter ohnehin entbehrungsreichen bis zu teilweise lebensfeindlichen Bedingungen ist.

Um dieses Ziel zu erreichen, beschönigt Fastvold hier wirklich gar nichts. Ich mein, ich war nicht mit dabei, aber genau so muss das Farmersleben zu dieser Zeit um New York herum ausgesehen haben. Karg, entbehrungsreich, gefährlich und im Winter sehr dunkel. Kann sein, dass die Leitung gestern Abend auch überlastet war, aber ansonsten haben ihre Schneestürme hier mein – ansonsten stets absolut ruckelfreies – Netflix-Streaming an seine Grenzen gebracht. Sehr beeindruckend diese sau-düstere Atmosphäre, die Chef-Kameramann André Chemetoff aufmerksam einfängt und die durch die tollen rumänischen Drehorte noch verstärkt wird.

Auch auf ihre Darsteller kann sich die Regisseurin verlassen. Katherine Waterston und Vanessa Kirby verkörpern die unterschiedlichen Teilstufen ihrer Liebe stets glaubwürdig. Letztere ist aktuell ja sowieso eines der heißesten Eisen in Hollywood und hat mich bisher auch noch nie enttäuscht. Dass das Liebespaar mal wieder von zwei im echten Leben heterosexuellen Schauspielerinnen verkörpert wird? Ist nun wirklich nicht meine Baustelle! Darüber können sich andere Leute aufregen. Mir ist das völlig wumpe – das sind schließlich Schauspielerinnen. Wenn ein Schwuler einen Hetero verkörpert (Stichwort: Rock Hudson) reg ich mich ja auch nicht darüber auf…

Ob des geringen Anteils ihrer Rollen können die beiden Filmehemänner Casey Affleck (in seinem zweiten Western nach „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“) und Christopher Abbott dagegen kaum Eindruck hinterlassen. Gerade Letzterer wirkt irgendwie die ganze Zeit wie ein Fremdkörper, soll das aber wohl auch sein. Klar, Affleck ist über jeden Zweifel erhaben, aber kommt nicht auf die Idee, euch den Streifen nur seinetwegen ansehen zu wollen. Und der Rest des Casts hat wirklich nur Statistenfunktion.

In Summe ist „The World To Come“ ein Film, den man sich ruhig einmal angucken kann. Mona Fastvolds beeindruckend-düstere Atmosphäre und die guten Schauspielleistungen rechtfertigen das allemal. Darüber hinaus hat der Streifen mir jedoch nicht wirklich etwas gegeben. Inhaltlich gibt es keinerlei Überraschungen – und richtig zu fesseln vermag das Drehbuch auch nicht. Dafür wird es dann tatsächlich auch ein wenig zu langsam vorgetragen. Dementsprechend bleibt „The World To Come“ ein netter, (meines Wissens nach) erster Versuch einer lesbischen Wild-West-Romanze, aber ich bin schon offen für und gespannt auf den zweiten.

Zitate

„Ich will einen Atlas kaufen. [] Ich hab schon 90 Cent gespart und ich weiß nicht, wie ich die besser ausgeben würde.“ – „Du kannst deinem Mann ein Geschenk kaufen.“ – „Das beste Geschenk für ihn wäre doch eine Frau, die kein Dummchen ist.“(Abigail ist kein Dummchen)

„Als ich klein war, dachte ich, ich könnte meinen Intellekt kultivieren und etwas Gutes für die Welt tun. Aber mein Leben hat mich überrascht, indem es sehr viel gewöhnlicher verlaufen ist.“(Abigail hat es nicht leicht)

„Meiner Meinung nach haben die, die ihre Gefühle am wenigsten zeigen, die meisten Gefühle.“(Tallie hat genau beobachtet)

★★★ +

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