American Primeval

American Primeval

★★★★

  • Jahr: 2025
  • Regie: Peter Berg
  • Darsteller: Taylor Kitsch, Betty Gilpin, Shawnee Pourier, Preston Mota, Joe Tippett, Lucas Neff, Shea Whigham, Derek Hinkey, Saura Lightfoot-Leon, Jai Courtney, Dane DeHaan, Kim Coates, Irene Bedard, Nanabah Grace...

Story

Nur aufgrund der unerwarteten Hilfe des Einzelgängers Isaac (Taylor Kitsch) überleben Sara Rowell (Betty Gilpin), ihr Sohn Devin (Preston Mota) sowie die sie begleitende junge Indianerin Two Moons (Shawnee Pourier) das Mountain-Meadows-Massaker. Isaac willigt daraufhin ein, die Familie sowie ihren Anhang nach Crooks Springs zu bringen. Auf dem Weg dahin lauern viele Gefahren, während Captain Edmund Dellinger (Lucas Neff) versucht, die für das Massaker Verantwortlichen ausfindig zu machen…

Worte zum Film

rau, schonungslos und brutal; seeehr düster; trotz realem Hintergrund nicht realistisch; gute Darsteller, tolle Action und großartige Landschaften

Bewertung

Anmerkung: Tatsächlich ist es mittlerweile bereits ziemlich genau vier Jahre her, dass ich die erste und bis heute einzige Netflix-Western-Serie auf diesen Seiten besprochen habe. Und das war mit „Frontier“ sogar „nur“ eine Netflix-Koproduktion, die ihre Premiere auf dem kanadischen Discovery Channel feierte – und die ich obendrein nach nur einer Folge entnervt abgebrochen habe… Seitdem hat sich einiges verändert: Nicht nur habe ich mittlerweile meinen eigenen Netflix-Account (geht ja fast nicht mehr ohne, oder?), sondern ich nutze diesen auch wirklich regelmäßig (damals war das maximal ne Ergänzung zu meiner haptischen Filmsammlung). Auch weil ich mittlerweile begriffen habe, dass der – ich glaube neben Disney weiterhin – Streaming-Platzhirsch natürlich auch viel Uninteressantes einkauft bzw. produzieren lässt, er darüber hinaus aber immer noch mehr als genug Material bereithält, das wirklich lohnen kann, es sich anzusehen. Das bezieht sich auf Lizenztitel wie Eigenproduktionen gleichermaßen. Wenn Letztere dann auch noch ein paar Dollar mehr gekostet haben, kommt man ob der zugehörigen Werbekampagne ja auch kaum umhin, von diesen wenigstens Notiz zu nehmen. Und auch wenn es auch dafür genug Negativbeispiele gäbe: Aus meiner momentanen Sicht hat es erstaunlich oft Hand und Fuß, wenn die Verantwortlichen dort für ein Projekt große Summen in die Hand nehmen. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn das Gros des Publikums diese Ansicht nicht teilt. So war für mich eine der größten Enttäuschungen des letzten Streaming-Jahres, dass die unfassbar teure „3 Body Problem“, die eine der großartigsten Roman-Trilogien aller Zeiten in eine zumindest der ersten Staffel nach zu urteilen fast ebenbürtige Serie verwandeln wollte, auf so dermaßen geringes Interesse gestoßen ist. Nun ja, Hard SF ist eben nicht jedermanns Sache (wenngleich Benioff, Weiss und ihr Autorenteam diesen Aspekt schon so einfach und zugänglich wie möglich verpackt haben, würde ich behaupten wollen)…

Umso erfreulicher ist es, dass eine andere, von mir im Vorfeld ganz heiß erwartete Mini-Serie offensichtlich dermaßen gut ankam, dass jetzt sogar Überlegungen bestehen sollen, aus dieser eine richtige Reihe zu machen. Die Rede ist natürlich von „American Primeval“; neben der völlig offensichtlichen, australischen Kopie „Territory“ Netflix‘ nächste Antwort auf „Yellowstone“ innerhalb von nur ein paar Wochen. Womit wir wieder am Anfang wären. Denn selbstverständlich habe ich in diesem Fall nicht lange gezögert und mir die sechs Folgen für meine Verhältnisse recht schnell gegeben, sodass ich euch im Folgenden darlegen möchte, wie ich über die Serie denke. Weil ich dafür aber immerhin wieder so lange gebraucht habe, dass es o. g. Fortsetzungs-(bzw. konkret wohl eher Prequel-)Gedanken bereits gibt, habe ich mich gefragt, wo ich „American Primeval“ auf diesen Seiten denn nun einzuordnen habe. (Wobei man ehrlicherweise zugeben muss, dass das Streaming-Geschäft schon verdammt schnelllebig ist, oder? Ich mein, das Ganze ist gerade mal nen Monat alt…) Da ich Mini-Serien wie einen Film behandle, eigentlich in den Hauptteil, oder? Wenn daraus nach der Veröffentlichung der nächsten Folgen dann jedoch eine richtige, fortlaufende Serie werden sollte? Dann doch eher bei den Western-Serien, oder? Wenn man daraus nun aber eine Reihe mit jeweils in sich abgeschlossenen Mini-Serien machen sollte wie bei Netflix‘ auch erst im Nachhinein dazu erklärter „Monster“-Serie? Dann könnte man – ähnlich wie bei den einzelnen Ablegern von „Lonesome Dove“ – für die einzelnen „Staffeln“ jeweils einen eigenen Eintrag im Hauptteil vornehmen. Und genau auf Letzteres spekuliere ich jetzt einfach mal. Sofern die Serie überhaupt fortgesetzt werden sollte. Man weiß ja schließlich nie im Streaminggeschäft…

 

Ob „American Primeval“ ob ihrer Anlage als „richtige“ Western-Mini-Serie nun in direkter Konkurrenz zu „Yellowstone“ steht oder nicht, dürft ihr für euch selbst entscheiden. Mag gut sein, dass Netflix – wie irgendwo zu lesen war – ob des riesigen Erfolges von Taylor Sheridans mittlerweile zum Mega-Franchise angewachsener Familiensaga auch mehr Western-Inhalte auf seiner Plattform anbieten wollte. Vielleicht passten aber auch einfach die Rahmenbedingungen. Ist ja auch egal. Viel entscheidender sollte aus meiner Sicht sein, dass „American Primeval“ am Ende tatsächlich ähnlich gut ist wie Sheridans Mega-Hit. So ähnlich gut, dass ich persönlich mich da auch gar nicht auf einen Favoriten festlegen möchte. Ich finde die beiden Reihen aber auch schon nicht ganz einfach zu vergleichen. Schließlich ist „American Primeval“ – ganz im Gegensatz zu der dann doch ziemlich dreisten und obendrein noch schwächeren „Yellowstone“-Kopie „Territory“ etwa – etwas ganz  Eigenes, Neues.

Unabhängig davon, dass es sich bei „American Primeval“ „nur“ um eine sechsteilige Mini-Serie handelt, ist es vor allem die Kombination aus Inhalt und Look, die sie so einzigartig macht. Hatte man zuletzt gerade auch dank „Horizon“ das Gefühl, dass Western auch wieder etwas optimistischer erzählt werden dürfen, liefern uns Autor Mark L. Smith und Regisseur Peter Berg so ziemlich das Düsterste ab, dass ich in diesem Genre jemals gesehen habe. Sie zeichnen eine noch unzivilisierte, wilde, raue Welt, die keinerlei Gutherzigkeit verzeiht. Hier ist sich wirklich jeder selbst der Nächste und kann jeder Schritt den Tod bedeuten. Alles ist dreckig, dunkel und grau in grau. Wenn Farbe ins Spiel kommt, ist es entweder der Schnee, der das Überleben zusätzlich erschwert, oder Blut… In diesem Sinne lassen die beiden metzeln und meucheln und töten und ermorden und umbringen und abmurksen, wie es ihnen gefällt. Ihr dürft euch jetzt schon mal darauf einstellen, dass lange nicht jede Figur das Ende der Serie erleben wird und dass euch lange nicht alle derjenigen, die es schaffen, gefallen werden…

Im Gegensatz zu ähnlich super düster gelagerten Stoffen wie etwa „Fury“ („Herz aus Stahl“) oder – dem in dieser Hinsicht hoffentlich auf alle Zeiten unerreichten – „The Painted Bird“ zieht Smith diese komplett hoffnungslose Situation aber nicht bis zum Ende durch, sondern lässt ab Folge drei vereinzelte Lichtblicke und menschliches Verhalten zu. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass dies auf die Gesamtdauer dann doch dazu geführt hätte, dass man sich als Zuschauer verärgert abgewandt hätte. Zumindest mir, der ich „The Painted Bird“, um dabei zu bleiben, zwar durchweg beeindruckend, aber eben auch kaum auszuhalten fand, wäre es so ergangen. So aber fiebert man gerne mit den vielen Figuren, allen voran natürlich der Gruppe um Isaac (Taylor Kitsch) und Sara Rowell (Betty Gilpin), mit, die mitunter sprichwörtlich durch die Hölle gehen. Ob Smiths Kreativität muss man da auch keine Hänger erwarten. Der hat immer noch genug fiese Wendungen und eklige Charakterzüge parat.

Eines muss einem in diesem Zusammenhang dann allerdings klar sein: Egal wie dreckig, schlammig, brutal und menschenfeindlich der echte Wilde Westen auch immer gewesen sein mag, so krass war’s dann wohl eher doch nicht. Das macht Peter Berg mit seiner mittlerweile gewohnten Over-The-Top-Inszenierung zusätzlich deutlich. Ähnlich wie etwa in „Deepwater Horizon“ und – vor allem! – „Lone Survivor“ interessiert sich dieser weniger für den Realismus einer Action-Szene, sondern viel eher dafür, wie diese möglichst effektvoll ausgestaltet werden kann. Das ist – eben genau wie in den genannten Beispielen – optisch dann unglaublich beeindruckend, wenn Sara und Devin Rowell (Preston Mota) sich während des Mountain-Meadows-Massakers beispielsweise vor gefühlt hundert Pfeilen gleichzeitig wegducken müssen, obwohl es „nur“ rund 50 Angreifer gibt (von denen dann auch lange nicht alle Indianer sind). Aber glaubhaft ist das kaum.

In diesem Zusammenhang mag man daher evtl. vermuten, dass der dargestellte Krieg der Mormonen gegen „den Rest“, von dem zumindest ich vorher mal wieder überhaupt nichts wusste, ebenfalls keinen historischen Hintergrund hätte – aber weit gefehlt! Tatsächlich ist die hier dargestellte Geschichte vor dem Hintergrund des Utah-Krieges im Jahr 1857 angesiedelt. Zu dieser Zeit war nicht nur der von Kim Coates dargestellte Mormonenführer Brigham Young tatsächlich Gouverneur des damals noch existenten Utha-Territoriums, sondern ereignete sich wie gesagt auch das aus heutiger Sicht schier unglaubliche Mountain-Meadows-Massaker, das hier den Ausgangspunkt für quasi alle folgenden Ereignisse bildet. Ebenso wird der Name Jim Bridger (hier erfreulicherweise gespielt von Shea Whigham) sicherlich dem einen oder anderen etwas sagen. Selbstredend gab es auch ihn und er war sogar wirklich nicht gut auf Young zu sprechen (was auf Gegenseitigkeit beruht haben dürfte). Allerdings war seine Rolle im Utah-Krieg dann doch eine etwas andere als hier dargestellt. Und auch generell hören die geschichtlichen Verweise von „American Primeval“ an dieser Stelle auf. Der Rest ist frei erfunden und verdreht die damalige Realität teilweise sehr frei; so, wie Smith sie eben brauchte. Aber das geht total in Ordnung, da er in sich schlüssig bleibt. Und allein die Tatsache, dass er mich hiermit auf einen Teilaspekt der us-amerikanischen Geschichte aufmerksam gemacht hat, von dem ich vorher mal wieder noch nie etwas gehört hatte (und der zudem so dermaßen spannend ist), rechne ich ihm hoch an.

Kommen wir zu den mitwirkenden Schauspielern: Hier tut sich (natürlich) vor allem Hauptdarsteller Taylor Kitsch hervor. Er, der hier quasi nicht als der attraktive Mann wiederzuerkennen ist, der er eigentlich ist (ein dickes Lob an die Maske!), macht das überragend. Man nimmt ihm sowohl seine Gebrochenheit als auch die Sportlichkeit ab. Betty Gilpin steht ihm da eigentlich in nichts nach, hat jedoch mitunter unter ihrer Rolle zu leiden, die man nicht immer verstehen muss. Weiterhin groß spielen Saura Lightfoot-Leon, Derek Hinkey, Joe Tippett und Lucas Neff auf, außerdem die „junge Garde“ um Preston Mota und Shawnee Pourier sowie (selbstverständlich) der immer großartige Shea Whigham. Alle anderen machen das auch toll, aber sie alle zu nennen, würde hier wirklich den Rahmen sprengen. Bis auf Dane DeHaan vielleicht: Der ist nämlich kaum zu bewerten, weil seine Figur so dermaßen nervig ist…

Nicht unerwähnt bleiben sollen an dieser Stelle übrigens auch Kameramann Jacques Jouffret, der tolle Bilder schießt und großartige Landschaften einfängt, sowie Explosions In The Sky, die mal einen etwas anderen Soundtrack abliefern, der sich großartig in das Gesamtwerk einfügt. Sollte man bei Netflix mal überlegen, ob man Rockbands nicht öfter mal die Chance zu so was gibt. Ich wäre dafür. ;)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „American Primeval“ so viel Eigenständigkeit und Daseinsberechtigung besitzt, dass ich es mir kaum vorstellen kann, dass sie von Netflix nur eingekauft/in Auftrag gegeben wurde, um einen weiteren Western im Programm zu haben. Allein die Tatsache, dass Mark L. Smith uns mit seiner super düsteren, bluttriefenden Geschichte den Utah-Krieg mal etwas näherbringt, ist das Einschalten schon wert. Peter Bergs superbe, wenn auch realitätsferne Action-Inszenierung sowie das tolle Spiel der Darsteller runden das Ganze ab und machen aus „American Primeval“ einen richtig starken, modernen Genrevertreter, den man sehr gerne fortgesetzt sähe.

Zitate

Fehlanzeige

★★★★

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