Horizon

Horizon

★★★★

  • Jahr: 2024
  • Regie: Kevin Costner
  • Darsteller: Sienna Miller, Sam Worthington, Georgia MacPhail, Kevin Costner, Abbey Lee, Jena Malone, Michael Rooker, Jon Beavers, Jamie Campbell Bower, Luke Wilson, Jeff Fahey…

Story

Eine Gruppe furchtloser Siedler will 1859 mitten im Nirgendwo des Apachenlandes die Stadt Horizon hochziehen. Doch kaum steht das erste Haus, überfallen die Indianer die Pioniere und lassen nur diejenigen am Leben, die sich nicht rechtzeitig in die Berge retten konnten. So verlieren Frances (Sienna Miller) und Elizabeth Kittredge (Georgia MacPhail) ihren Mann bzw. Vater und Sohn bzw. Bruder. Der nette Offizier Trent Gephart (Sam Worthington) bringt sie mit einigen anderen Überlebenden in einen nahegelegenen Armee-Außenposten und hilft ihnen durch die schwierigen ersten Wochen und Monate nach dem schrecklichen Ereignis…

Viel weiter nördlich in Montana begegnet Treckführer Hayes Ellison (Kevin Costner) der schönen Marigold (Abbey Lee), die ihn auf ein Schäferstündchen einlädt. Was romantisch beginnt, endet schnell in einer Flucht, da Ellison in Notwehr Caleb Sykes (Jamie Campbell Bower), den Spross einer in dieser Gegend sehr bekannten und sehr gefährlichen Familie, erschießt…

Worte zum Film

gute Darsteller, interessante Charaktere, tolle Landschaften, exquisite Ausstattung; nach schleppendem Beginn durchweg spannend und unterhaltsam; ein toller Appetithappen, der hoffentlich fortgesetzt wird…

Bewertung

Ich muss schon sagen: Meine Erwartungshaltung an „Horizon“ war hoch. Und der Grund dafür trägt einen Namen: Kevin Costner, der zwar leider mit schöner Regelmäßigkeit in Gurken wie „Rumor Has It…“ („Wo die Liebe hinfällt“), „3 Days To Kill“ oder „Criminal“ („Das Jerico Projekt“) mitwirkt, jedoch in mindestens ebenso regelmäßigen Abständen auch unser aller Lieblingsgenre besucht oder es – mit Werken wie „Yellowstone“ oder „The Highwaymen“ – zumindest stark streift. Dabei „gelingt ihm das Kunststück“, dass nicht nur er in diesen Beiträgen durch die Bank mindestens sehenswert agiert, sondern dass auch diese Werke selbst fast ausnahmslos gut bis sehr gut sind. Welcher Star, der regelmäßig in Western vorbeigeschaut hat, kann das schon von sich behaupten? Wahrscheinlich kommt es daher, dass man – abgesehen von Clint Eastwood natürlich – aktuell wohl keinen Namen in Hollywood mehr mit dem amerikanischsten aller Filmgenres verbindet als Costners.

Das ist mir bei meinem ersten Western-Kinobesuch seit acht Jahren (!), der den unbedingten Wunsch, jetzt auch etwas wirklich Großes sehen zu wollen, nun nicht gerade geschmälert hat, erst so richtig klar geworden, als „Horizon: An American Saga – Chapter 1“ anlief. Vorher hatte ich mich einfach nur tierisch auf Costners neuesten Streich gefreut. Und warum ist mir das erst an dieser Stelle klar geworden? Weil der Einstieg in die neue, überlebensgroße Saga, die der Kalifornier und sein Co-Autor Jon Baird hiermit aus der Taufe heben wollen, leider doch recht holprig geraten ist. (Ich weiß, man soll mit dem Positiven beginnen, aber die beiden tun’s ja auch nicht…) (Spoiler) Dieses ganze Landabgestecke, die ersten drei toten Siedler, der Mexikaner oder was auch immer er für einer ist, der später nie wieder auftaucht… All das hätte man auch getrost weglassen können. Stattdessen hätte man, wenn man das schon so aufziehen muss, viel eher mal das Flugblatt der offensichtlich noch zu bauenden Stadt Horizon zeigen und erläutern sollen – das spielt schließlich eine ganz entscheidende Rolle im weiteren Verlauf. Oder einfach die nachkommenden Pioniere ein wenig umfangreicher einführen sollen, denn mit denen kann man beim folgenden Indianerüberfall nur mitfiebern und -leiden, weil dieser so unglaublich dicht und spannend inszeniert ist – nicht weil man eine Beziehung zu ihnen aufgebaut hätte. Letzteres mag ob des Ausgangs dieses Angriffs jedoch Absicht gewesen sein… (Spoilerende)

Dies mag dazu führen, dass man schnell versucht ist, „Horizon“ seine Klasse abzusprechen, jedoch wird man danach schnell eines Besseren belehrt. Denn Fakt ist: Der eben genannte ist der einzige Kritikpunkt, den ich an Costners dritter Western-Regiearbeit ausmachen kann. Alles, was dann folgt, ist vielleicht noch nicht das ganz große Epos, das ihm und Baird vorschwebt, aber es ist ein vorzüglicher Einstieg in dieses. In der Folge gelingt es den beiden (die laut IMDb bei der Story noch von Mark Kasdan unterstützt worden sein sollen) nämlich, ihre (fast) durch die Bank interessanten Charaktere so einzuführen, dass man diesen auch gerne folgen möchte, dem Zuschauer einen groben (mehr nicht) Eindruck von dem zu vermitteln, was sie mit dieser selbstbetitelten „Saga“ vorhaben, und dabei noch spannende, kleine Geschichten zu erzählen. In Summe ist das dann tatsächlich nicht mehr als die Exposition, der Appetithappen der ganzen, am Ende wohl ca. zwölf Stunden langen Filmreihe, aber ein solcher, der einem nie und nimmer wie drei Stunden vorkommt. „Horizon: An American Saga – Chapter 1“ ist wirklich sehr unterhaltsam.

Allerdings muss man sich auf diese Art des Storytellings natürlich einlassen können. Wer, wie so einige Rezensenten, die ich bisher hierzu gelesen habe, sich die ganze Zeit nur darüber aufregen möchte, dass solch ein Mammut-Unterfangen gefälligst als Mini-Serie und nicht als Kino-Erlebnis hätte verwirklicht werden müssen, der verpasst natürlich das Wesentliche. Und ist obendrein noch unsachlich, denn darüber braucht man am Ende gar nicht zu debattieren. Schon „The Godfather – Part II“ („Der Pate – Teil II“) fühlte sich so an, als hätte man daraus (eher) eine Mini-Serie machen können (was ob Puzos Buchvorlage natürlich möglich gewesen wäre) und auch „The Matrix Reloaded“ sowie „The Matrix Revolutions“ waren von Anfang an als Zweiteiler, sprich quasi als Kino-Mini-Serie konzipiert. Zwar nicht mit zwölf, dafür aber mit fast fünf Stunden Laufzeit. Hat sich da einer drüber aufgeregt? Nee, oder? Und bei denen handelt es sich – im Gegensatz zum überragenden ersten Teil („The Matrix“) – noch nicht mal um gute Filme… Soll heißen wenn ein Streifen oder in dem Fall eben sogar eine ganze Filmreihe fürs Kino geschrieben wird, dann soll sie da eben auch landen. Alle anderen können dann ja solange was anderes gucken gehen. Denn mal ganz ehrlich: Wer hätte bei einer Aufteilung dieses Werkes in, sagen wir mal, drei einstündige Serienfolgen nach der ersten Folge denn weitergeguckt? Und wer hätte sich im Nachhinein nicht darüber geärgert, diesen unglaublich immersiven Indianerüberfall nicht auf der großen Leinwand erlebt zu haben? Oder die Auseinandersetzung zwischen Costners Hayes Ellison und Jamie Campbell Bowers Caleb Sykes? Oder den beklemmenden Rachefeldzug zum Schluss? Ihr seht: „Horizon“ hat definitiv so einige Highlights zu bieten.

Darüber hinaus sind es jedoch eher die leisen Töne, die Costners und Bairds Werk so gut machen. Ein Junge, der sich anfangs von einem Pfeil durchbohrt bei dem Mädchen entschuldigt, dass er soeben auf dem Fest noch geärgert hat. Ein anderer Junge, der es nach vollmundiger Ankündigung (nicht nur seinerseits) nicht schafft, den Revolver gegen einen völlig in die Enge getriebenen Indianer zu erheben und damit dessen Sohn sehr erleichtert zurücklässt. Eine Hure, die sich erst erstaunlich unaufdringlich anbietet und dann auf eine sympathische Art nicht locker lässt, weil auch sie ihren Teil zum Lebensunterhalt beisteuern will. Eine Mutter, die eben jene Hure komplett zusammenstaucht, weil sie nicht zur verabredeten Zeit wieder zurück ist, um auf ihr Kind aufzupassen. Ein junges Mädchen, das Soldaten, die in den Bürgerkrieg ziehen müssen, mit Hilfe einer Stoffblume viel Kraft und Zuversicht schenkt… Mit Hilfe all dieser und noch so einiger anderer Szenen lässt Costner eine Menschlichkeit durch diesen Film wehen, die ich so nicht vermutet hätte. Vielleicht ein wenig mehr Menschlichkeit, als es wohl historisch korrekt wäre, aber dadurch nicht weniger schön oder wertvoll.

Denn Kevin Costner scheint auch in diesem Fall seinem alten Mentor Kevin Reynolds nachzueifern. Der lieferte mit seiner bis dato einzigen Genrearbeit „Hatfields & McCoys“ ja auch eine solche ab, die nicht mehr ganz so düster (und realistisch) daherkam wie so viele amerikanische Produktionen ab den 1990ern. Costner geht sogar noch einen Schritt weiter und liefert teilweise schon fast klassisch anmutenden Westernstoff ab – inklusive unkaputtbarer, stets top gestylter Frauenfrisuren, ziemlich sauberer Klamotten und eben Charakteren, die nicht nur Arschlöcher sind (weswegen die zwei einzigen, kompletten Stereotypen in diesem Spiel, Ella Hunts Juliette Chesney und Tom Paynes Hugh Proctor, leider umso mehr auffallen). Von daher ja, falls ihr noch auf der Suche nach einem zweiten Kritikpunkt hieran sein solltet: Solltet ihr tatsächlich eine übergroße Geschichtsstunde über die Besiedelung des amerikanischen Westens erwartet haben, werdet ihr enttäuscht werden. „Horizon: An American Saga – Chapter 1“ ist eher die etwas modernisierte Unterfütterung alter, amerikanischer Gründungsmythen als eine knallhart-realistische Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Da man jedoch davon ausgehen darf, dass zumindest die Indianer hier vernünftig dargestellt werden (bislang gibt es da nichts großartig zu meckern, wenngleich diese bisher auch vergleichsweise wenig Screentime bekommen haben), sehe ich darin kein Problem (sonst dürfte ich die alten Vertreter ja auch generell nicht gut finden).

Was die technische Seite anbelangt hat sich jeder Dollar des kolportierten Budgets von 100 Millionen Dollar (und damit auch jeder der 38 Millionen Dollar, die Costner selbst in seinen großen Traum investiert haben soll) gelohnt. Die Ausstattung ist superb, die Kulissen sind toll (gerade die Goldgräberstadt, die Costners Figur einführt, bleibt in Erinnerung) und die Landschaften schlicht grandios. Wenngleich man aus meiner Sicht nicht unbedingt schon wieder das Monument Valley hätte bedienen müssen, (gefühlt) nur um an John Ford zu erinnern. Das war und ist in einer Serie wie „Dark Winds“ (klare Empfehlung für diese auch von meiner Seite aus) einfach viel stimmiger – zumal es dort ja um Navajo geht und nicht wie hier um Apache (wie gesagt, die Demontage von Legenden hat sich Costner hiermit eher nicht auf die Fahnen geschrieben). Ebenso ist John Debneys Musik an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein wenig zu anbiedernd an ältere Erfolgs-Soundtracks, insgesamt aber ordentlich. Für die Kameraführung von J. Michael Muro gilt das gleiche. Ebenso mag Costners Regie nicht so eindringlich sein wie bei „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Open Range“, aber sie ist eindeutig weiterhin überdurchschnittlich. Wie er hier ständig aus Kleinigkeiten Spannung herausholt, ist großartig, und die rar gesäte Action beeindruckt.

Spaß machen definitiv auch die Darsteller von „Horizon“. Zwar gibt es kaum jemanden, den man großartig herausstellen wollen würde, auf der anderen Seite schlägt aber auch niemand nach unten aus. In Erinnerung bleiben mir nach diesem ersten Teil besonders das Gespann Michael Rooker und Danny Huston, Abbey Lee, Georgia MacPhail (eine tolle Entdeckung!), das Gespann Jon Beavers und Jamie Campbell Bower sowie (natürlich) Kevin Costner selbst. Dass er hier nicht mehr vom sich mittlerweile im Ruhestand befindlichen Frank Glaubrecht, sondern von dem ebenfalls überragenden Bernd Vollbrecht synchronisiert wird, fällt einem – anders als im zugehörigen Trailer – schon nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr auf. So soll es sein.

So lässt sich festhalten, dass „Horizon: An American Saga – Chapter 1“ nach einem schwächeren Beginn am Ende voll abliefert und meine eigentlich viel zu hohen Erwartungen somit doch erfüllen konnte. Kevin Costner setzt mit diesem Auftakt seiner geplanten Wahnsinns-Tetralogie seinen unglaublichen Western-Lauf (s. o.) einfach so fort. Und auch wenn man sich, sofern man das möchte, darüber ärgern könnte, dass er inhaltlich nicht ganz so historisch genau vorgeht, wie man das evtl. gerne gehabt hätte, machen seine Schauwerte das doch locker wieder wett. Handwerklich ist „Horizon“ jedenfalls auf einem richtig guten Niveau und liefert tolle Bilder, gute Darsteller, interessante Charaktere, memorable Szenen und vor allem eine Menschlichkeit, die guttut. Mich hat Costner in diesen drei Stunden, die einem wie gesagt niemals so lang vorkommen, jedenfalls total angefixt. Jetzt kann man nur hoffen, dass er, nachdem Teil 2 ja bereits abgedreht ist, auch die Finanzierung der geplanten Teile 3 und 4 auf die Reihe bekommen möge. Ich denke, uns könnte – vorausgesetzt er kann dieses Niveau halten natürlich – sonst echt ein Kino-Monument durch die Lappen gehen…

★★★★

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Durch die Nutzung der Kommentarfunktion erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten gemäß meiner Datenschutzerklärung einverstanden.