Der mit dem Wolf tanzt

Dances With Wolves

★★★★★★

  • Jahr: 1990
  • Regie: Kevin Costner
  • Darsteller: Kevin Costner, Graham Greene, Rodney A. Grant, Mary McDonnell, Floyd ‚Red Crow‘ Westerman, Tantoo Cardinal, Jimmy Herman, Nathan Lee Chasing His Horse, Wes Studi...

Story

Kurzfassung (offenes Ende)

Leutnant John J. Dunbar (Kevin Costner) lässt sich nach einer Heldentat im Bürgerkrieg an einen der westlichsten Außenposten der USA versetzen, wo er bis auf sein Pferd und einen Wolf ganz allein scheint. Doch bald schon macht er eine Begegnung, die sein Leben für immer verändern wird…

Kurzfassung (komplett)

Leutnant John J. Dunbar (Kevin Costner) lässt sich nach einer Heldentat im Bürgerkrieg an einen der westlichsten Außenposten der USA versetzen, wo er bis auf sein Pferd und einen Wolf ganz allein scheint. Hier findet er sein Glück, denn mit den Sioux, die bald auftauchen, freundet er sich trotz aller Sprach- und Kultur-Barrieren an. Er wird Teil ihres Stammes, ein angesehener Krieger und Ehemann der Weißen Steht mit einer Faust (Mary McDonnell), die schon seit ihrer Kindheit bei dem Medizinmann des Stammes, Strampelnder Vogel (Graham Greene), lebt. Als jedoch der Bürgerkrieg vorbei ist und die Armee sich wieder über seinen eigentlich in Vergessenheit geratenen Stützpunkt kümmert, häufen sich die Probleme. Erst wird Dunbar von den Soldaten gefangen genommen und als ihn seine Freunde wieder befreit haben, entscheidet er sich dazu, sie mit seiner Frau zu verlassen, um die Armee nicht auf ihre Spur zu locken.

Worte zum Film

einer der wichtigsten, emotionalsten, sympathischsten und besten Filme aller Zeiten!

Bewertung

Hat außer mir noch jemand das Gefühl, dass das Adjektiv „episch“ heute viel zu inflationär gebraucht wird? Heute ist etwas angeblich schon „episch“, wenn es einfach nur besonders erinnerungswürdig, mittlerweile oft auch einfach nur cool ist. Das hat doch mit der ursprünglichen Bedeutung von episch (also „die Epik, das Epos betreffend“) nichts mehr zu tun. Muss ich daher nicht verstehen, diese Entwicklung. Wer das ähnlich wie ich sehen sollte und sich gerne mal wieder vor Augen führen lassen würde, was „episch“ wirklich bedeutet, der wird im Westerngenre tatsächlich ja nur bedingt fündig. Dieses wird, wie es für das Genrekino typisch ist, ja eher von Streifen von „normaler“ (= ca. 90 Minuten) bis leicht überdurchschnittlicher Länge bevölkert. Richtige Epen wie „They Died With Their Boots On“ („Sein letztes Kommando“), „The Big Country“ („Weites Land“) oder „C’era Una Volta Il West“ waren und sind – trotz der geradezu einladenden Hintergründe – eher die Ausnahme. Trotzdem hat der Western auch noch eines der Epen schlechthin zu bieten, eine der größten Blaupausen für epische Romanverfilmungen und einen der monumentalsten Filme aller Zeiten: „Der mit dem Wolf tanzt“. Und genau dieser zeigt euch am besten, was „episch“ bedeutet. Wenn es einen epischen Western gibt, dann ist es Kevin Costners Überklassiker von 1990. Und das Beste für euch: Trotz einer Laufzeit von knapp vier Stunden, braucht ihr keinerlei Berührungsängste zu haben. „Dances With Wolves“ ist ganz nebenbei nämlich auch noch einer der besten Filme aller Zeiten!

Obwohl an dieser Stelle zugegeben sei: Gerade ob seiner epischen Anlage ist der Zugang zu ihm anfangs vielleicht nicht ganz leicht. Wenn man ungefähr weiß, worum es im weiteren Verlauf gehen soll, wird man sich vielleicht etwas wundern, zu Beginn zusammen mit dem von Costner höchstselbst gespielten Protagonisten John J. Dunbar in einem Bürgerkriegslazarett aufzuwachen. Aber Costner und sein Drehbuchautor Michael Blake, der ebenso den zugrundeliegenden Roman gleichen Namens schrieb, brauchen diesen Anlauf und diesen Moment, um aufzuzeigen, welche Gefühlsausgangslage den Lieutenant zu seinen weiteren Handlungen treibt. Denn „Der mit dem Wolf tanzt“ ist zuerst einmal die Suche eines Mannes nach sich selbst. Dass die beiden zur Verdeutlichung seiner gefühlten Ausweglosigkeit auf ein starkes Bild setzen, das sich einbrennt (Dunbars „Selbstmordritt“), ist nachvollziehbar, dass dieses jedoch – im Gegensatz zu ca. 95 % des restlichen Streifens – so unrealistisch ist, verwirrt entweder direkt oder spätestens bei mehrfacher Ansicht schon ein wenig. Dafür sehen bereits diese, für den weiteren Verlauf nicht zwangsläufig – Achtung Wortwitz! – kriegsentscheidenden Szenen einfach unglaublich gut aus!

Unabhängig davon kann die Exposition auch ob ihrer Länge verwundern. Tatsächlich geht „Dances With Wolves“ nach fast einer Stunde erst so richtig los. Falls diesbezüglich also jemand Kritik äußern wollte, könnte ich diese sogar irgendwo nachvollziehen, nachempfinden jedoch nicht. Das ist alles gut so, wie es ist. Zu lang ist da nichts. (Spoiler) Da gehöre ich dann eher zu der Kategorie, die nichts dagegen hätte, wenn der Film nach der Hochzeit von Der mit dem Wolf tanzt und Steht mit einer Faust zu Ende wäre. Nicht, weil ich – wie meine Freundin – den Rest danach kaum ertragen könnte (nein, dieser ist schließlich immens wichtig für die Aussage, die Costner und Blake transportieren wollen), sondern weil dieser Rest tatsächlich doch nicht mehr ganz den Sog des Hauptteils entwickeln kann. Vielleicht ja auch, weil er, nachdem eben dieser völlig zu Recht lang und breit ausgewalkt wurde, dann nicht mehr ganz den Zeitrahmen erhalten konnte, der eigentlich notwendig gewesen wäre. Aber möchte man ihn denn missen? Inklusive der kurzen, aber spektakulären Befreiungsaktion des Protagonisten sowie der viel besprochenen Abschiedsszene von Wind in seinem Haar und Der mit dem Wolf tanzt? Auf gar keinen Fall! (Spoilerende)

Nachdem wir damit also geklärt hätten, dass Anfang und Ende dieses Ausnahmewerks interessanterweise sogar seine „schwächsten Teile“ sind, falls man das so sagen darf, können wir uns damit ja seinem Mittelteil zuwenden, seinem wahren Herzstück. Denn hier öffnet sich die Geschichte von John J. Dunbar und wird zu einer allgemeingültigen Aussage über Annäherung und Freundschaft, ja fast schon zu einer Art Leitfaden für Völkerverständigung und Toleranz. Genau so, wie der Erfahrungsaustausch zwischen dem Armeeoffizier und den Indianern hier abläuft, könnte man sich einen solchen auch in echt vorstellen. Mit genau diesen Höhen und Tiefen, Fortschritten und Rückschlägen. Der Voice-Over-Kommentar der Hauptfigur entpuppt sich in dessen Verlauf als wahrer Meisterkniff, da er dem Zuschauer weitere wertvolle Einblicke in Dunbars Gedanken- und Gefühlswelt erlaubt, die uns mangels eines englischsprachigen Gesprächspartners sonst verwehrt blieben. „Der mit dem Wolf tanzt“ funktioniert also lange nicht nur für Western-Fans, sondern ist ganz generell ein ganz wichtiges, einfühlsames, wunderschönes Plädoyer für kulturelle Annäherung und Verständigung. Und dass wir daran weiterhin einen riesigen Bedarf haben, sehen wir ja jeden Tag in den Nachrichten…

Trotzdem dürfen wir auf diesen Seiten natürlich auch wieder zum Wesentlichen zurückkommen: Er funktioniert natürlich erst recht für Western-Fans. Und unter diesen selbstverständlich vor allem für all jene, die sich – so wie ich – schon immer für das Schicksal der amerikanischen Ureinwohner und deren vernünftige Darstellung im Film interessiert haben. Für diese – wie für viele indigene Nachfahren selbst, versteht sich – war „Dances With Wolves“ seinerzeit eine Offenbarung, ein zweiter und noch wesentlich besserer „Broken Arrow“. Als solcher ist Costners Werk auch heute noch unglaublich und – leider – auch weiterhin unerreicht. Was er den Indianern hier für eine Stimme, für ein Gesicht und für eine Identität gibt, ist unbezahlbar. Endlich wurden diese mal ziemlich genau so dargestellt, wie sie es damals waren. Natürlich finden sich auch diesbezüglich – erneut auch unter den Nachkommen indianischer Vorfahren – Stimmen, die das so nicht gelten lassen wollen, aber nach allem, was ich weiß, kommt das grundsätzlich so hin. Ob man den einen oder anderen Charakter da anders hätte ausgestalten sollen, lassen wir jetzt mal dahingestellt; da findet man schließlich immer welche.

Das geht jedoch über die reine Charakterisierung und das „Ihnen-eine-Stimme-Geben“ weit hinaus. Denn auch ansonsten bekommen wir hier endlich mal all das in Blockbuster-Qualität zu sehen, was Hollywood uns in aller Regel nicht zeigt. Den „Alltag der Indianer“ inklusive Tänzen, Geschichten erzählen, Lachen und Humor, Büffeljagd (!) inkl. Verwertung der Beute, Zeltauf- und ‑abbau, Wanderungen, Winterlager und so weiter. Ja, für alle, die – wie ich – in ihrer Jugend „Die Söhne der großen Bärin“ oder vergleichbare Romane gelesen haben, ist „Der mit dem Wolf tanzt“ – man verzeihe mir den Ausdruck – einfach nur ein wahrgewordener, feuchter Traum! Das sieht alles so realistisch und gut aus – Wahnsinn!

Dass das alles so gut aussieht, dafür sorgte neben Costner selbst vor allem auch Kameramann Dean Semler. Seine Bilder der ohnehin schon unglaublichen Landschaften sind traumhaft schön und völlig zu Recht oscarprämiert. Ob John Barry seinen Oscar für die Filmmusik zu diesem Monument ebenfalls zu Recht bekam, darüber dürft ihr euch gerne streiten (schließlich war 1991 ja auch ein gewisser John Williams mal wieder nominiert – für seinen „Home Alone“-Soundtrack). Für mich ist sie jedenfalls nicht ganz so stark wie Semlers Fotografie, aber eindeutig auch gut. Kurz nach der Intermission hat man zwar das Gefühl, Sockes Thema würde ein wenig oft gespielt, aber mehr Kritikpunkte findet man an ihr dann auch nicht.

Überhaupt keine Kritik fällt mir in Bezug auf diesen Film an Kevin Costner ein. Ein besseres Regiedebüt kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Ergo ist es für mich auch das beste aller Zeiten, sogar noch knapp vor Sidney Lumets „Twelve Angry Men“ („Die zwölf Geschworenen“ – wobei der ja sowieso nur zählt, wenn man seine Fernsehserien zuvor nicht mitzählt). Und sein Schauspielpart ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Diesbezüglich macht er in diesem Genre also genau da weiter, wo er fünf Jahre zuvor in „Silverado“ aufgehört hatte.

Aber auch seine Co-Stars hat Costner hier überragend angeleitet. Und mag das in Bezug auf Mary McDonnell vielleicht noch nicht so sehr überraschen, da diese damals vielleicht noch keine so bekannte Film-, dafür aber eine erfolgreiche Theaterschauspielerin war, ist man bzgl. der ganzen indigenen Darsteller doch schlichtweg baff, da diese ebenfalls agieren, als hätten sie schon 100 andere Streifen bereichert. Und klar, heutzutage könnte man leicht auf die Idee kommen an dieser Stelle ein „Haben sie doch auch.“ einzuwerfen (denn so ist es), dabei würde man jedoch vergessen, dass die allermeisten dieser Produktionen nach „Dances With Wolves“ entstanden sind. Und so kann man über die Qualitäten eines Graham Greene oder auch Rodney A. Grant etwa einfach nur staunen. Staunen und sie genießen.

Letzteres kann ich als Empfehlung für den gesamten Streifen aussprechen. Wenn es überhaupt etwas gibt, das man Costner und Blake hierfür negativ auslegen könnte, so wäre es die Tatsache, dass sie zur Verdeutlichung ihres Anliegens die Gegenseite, also die „Weißen“, höchstwahrscheinlich zu negativ darstellen. Nicht nur, dass es unter denen bis auf Costner quasi gar keinen Guten gibt, sondern die werden auch durch die Bank als entweder böse oder eklig oder geisteskrank oder alles zusammen dargestellt. (Spoiler) Von den einzigen beiden Figuren, die Dunbar auf seinem Weg Richtung Westen etwas genauer kennenlernt, erschießt sich der erste, nachdem er sich vorher demonstrativ in die Hosen gepisst und nach seiner Krone verlangt hat (schon mal in nem anderen Western gesehen?), und ist der zweite laut des Lieutenants Aussage selbst „ohne Frage […] der abstoßendste Mensch, dem ich je begegnet bin.“. Interessant hieran ist aus heutiger Sicht vor allem auch, dass Costner selbst in „Horizon“ vergleichbare, weiße Charaktere ganz anders darstellt. Eben immer ganz so, wie man es braucht, oder? (Spoilerende) Kritik an dieser Vorgehensweise ist also angebracht und nachvollziehbar, aber… Diese würde im umgekehrten Fall in der Regel ja auch keinen merkbaren Einfluss auf die Bewertung haben.

Von daher bleibt es dabei: Mit „Der mit dem Wolf tanzt“ ist Kevin Costner nicht nur das beste Regiedebüt aller Zeiten, sondern auch einer der eindrücklichsten, schönsten und wichtigsten Filme aller Zeiten gelungen. Wie hier endlich mal das Ruder herumgerissen und den Indianern eine vollständig glaubwürdige Stimme verliehen wird, war längst überfällig. Wobei: Einen vergleichbaren Film gibt’s bis heute nicht. Und wird es vielleicht auch nie wieder geben. Genauso wie Hollywood auch den Alltag der Indianer seitdem nie wieder so dargestellt hat. Müsste man also alles noch erfinden, wenn der Kevin das nicht 1990 schon getan hätte. Vielen, vielen Dank dafür! Alles, was er dafür an Lob und Preisen bekommen hat, gab’s also eindeutig zu Recht. Schließlich ist „Dances With Wolves“ darüber hinaus nicht nur als Western, sondern auch als allgemeingültige Völkerverständigungsformel heute noch immer genauso aktuell wie damals. Menschlich, herzlich, nachvollziehbar. Trotz einiger heftiger Momente eine Insel der Güte im mitunter doch so rauen Westen. Prädikat: Aber so was von besonders wertvoll! Welcher Film, wenn nicht dieser? Und damit schließt sich für uns heutige Kenner der weiteren Filmografie von Kevin Costner ein Kreis: Menschlichkeit konnte der einfach schon immer gut und man darf dankbar sein, dass es solche Filmemacher gab und gibt!

Zitate

„Manche von den Jungs, die haben gesagt, anstatt anzugreifen sollte man lieber die ganze Angelegenheit durch ne Pokerrunde regeln.“(ein Unionssoldat äußert einen Alternativvorschlag zur Beendigung des Sezessionskrieges)

[über Dunbars Ritt vor die feindlichen Linien der Südstaatler zu Beginn] „Was ist das, Sir?“ – „Sieht nach Selbstmord aus…“(ein Offizier beweist gegenüber einem Soldaten oder niederen Offizier ein gutes Auge)

„Ich wollte schon immer den Westen kennenlernen. [] Bevor es ihn nicht mehr gibt.“(John J. Dunbar gibt als Grund für seine Versetzung Zweifel an der Beständigkeit der Himmelsrichtungen an)

[Dunbar und sein Kutscher finden auf dem Weg zu Dunbars Außenposten das Skelett einer menschlichen Leiche] „An der Ostküste werden sie sich gerade fragen: ,Wieso schreibt uns der Kerl nicht.‘“(Kutscher Timmons (Robert Pastorelli) wäre gerne Romanautor geworden)

„Im Grunde ist er kein schlechter Kerl, aber ohne Frage ist er der abstoßendste Mensch, dem ich je begegnet bin.“(John J. Dunbar mit der ultimativen Lobhudelei auf seinen Kutscher Timmons)

„Nie zuvor habe ich Menschen gekannt, die so gerne lachten, sich so hingebungsvoll um die Familie kümmerten und derart füreinander einsetzten. Das einzige Wort, das mir dazu einfiel, war Harmonie.“(sagt John J. Dunbar, nachdem er lange über die amerikanischen Ureinwohner nachgedacht hat)

„Ich war oft allein gewesen, aber bis zu diesem Nachmittag hatte ich mich noch nie richtig einsam gefühlt.“(John J. Dunbar lernt durch die Indianer auch schmerzhafte Gefühle kennen)

★★★★★★

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