1883
★★★ +++
- Jahr: 2021
- Regie: Ben Richardson (5 Folgen), Christina Alexandra Voros (4 Folgen), Taylor Sheridan (1 Folge)
- Darsteller: Isabel May, Tim McGraw, Faith Hill, Sam Elliott, LaMonica Garrett, James Landry Hébert, Marc Rissmann, Gratiela Brancusi, Audie Rick, Anna Fiamora, Eric Nelsen, Noah Le Gros, James Jordan, Martin Sensmeier...
Story
James Dutton (Tim McGraw) schließt sich 1883 auf der Suche nach einem Stück Land für sich und seine Familie mit eben dieser einem Siedler-Treck nach Oregon an. Diesen führt der alte Shea Brennan (Sam Elliott) mit harter Hand. Unterwegs müssen sie sich nicht nur der Natur erwehren, sondern auch Banditen, Indianern und Opportunisten. Und James und seine Frau Margaret Dutton (Faith Hill) dürfen bzw. müssen mit ansehen, wie ihre Tochter Elsa (Isabel May) auf dieser Reise immer mehr aufblüht und zur Frau wird…
Worte zum Film
spannend, aber mit Anlaufschwierigkeiten; gute Darsteller, tolle Ausstattung, beeindruckende Landschaften; nicht realistischer als andere; nerviger Voiceover-Kommentar; fühlt sich zu modern an; unverkennbar ein Taylor-Sheridan-Werk
Bewertung
Anmerkung: Ich gehe jetzt einfach mal davon, dass „1883“, obwohl von ihr ständig als „vollwertige“ Serie (und nicht als Mini-Serie) gesprochen wird, keine Fortsetzung mehr erfahren wird. Zum einen haben die zehn Folgen mittlerweile schon vier Jahre auf dem Buckel (was zwar noch nichts heißen muss, aber kann) und zum anderen hat der Nachfolger „1923“ zum jetzigen Zeitpunkt (alles jeweils Stand April 2025) bereits eine zweite Staffel spendiert bekommen, obwohl er ein ganzes Jahr später erschienen ist. Außerdem würde es inhaltlich Sinn ergeben. Sofern der Plan gewesen sein sollte, die Vorgeschichte der Duttons so weit zu erzählen, bis sie ihre spätere Megaranch gefunden haben, wäre dies abgeschlossen. Daher ist „1883“ für mich zum jetzigen Zeitpunkt eine (wenn auch ziemlich umfangreiche) Mini-Serie und wird daher hier, im Hauptteil dieses Lexikons untergebracht. Sollte irgendwann doch noch eine zweite Staffel erscheinen, könnte ich das Ganze ja auch flink verschieben.
Für den – aktuell gar nicht mal so unwahrscheinlichen – Fall, dass ich ansonsten auf diesen Seiten nie meine Meinung zu „Yellowstone“ kundtun werde (weil die Serie für mich in die Kategorie „Western, die keine sind“ fällt), will ich sie zumindest hier ganz kurz niederschreiben: Ja, auch ich war nach anfänglichen, sagen wir mal, Anpassungsproblemen nach den ersten paar Folgen von Taylor Sheridans Überhit absolut gefesselt und finde, dass er dafür zu Recht großes Lob erhält. Entsprechend gespannt war ich daher auf dieses erste Prequel „1883“. Vielleicht sogar noch etwas mehr, weil es sich hierbei ja um eine „echte“ Western-Serie handelt. Tatsächlich ist das Ergebnis am Ende auch wieder sehr guckbar geworden, aber warum gerade diese Reihe sowohl in der OFDb als auch der IMDb mit teilweise großem Sicherheitsabstand die am besten bewertete der bisher drei „Yellowstone“-Teile ist (diese „Bass Reeves“-Geschichte lasse ich da jetzt mal raus), erschließt sich mir absolut nicht.
Dass ich erneut ein paar Folgen gebraucht habe, um reinzukommen, ist damit noch gar nicht mal gemeint. Wobei ich wirklich erst ab Folge fünf richtig drin war, was bei dann nur noch sechs verbleibenden Episoden schon eine ganze Menge ist. Aber ich musste mich wirklich erst wieder an den Taylor-Sheridan-Style gewöhnen. Denn man merkt „1883“ – wenn man „Yellowstone“ und Co. kennt – eindeutig an, dass sie aus seiner Feder stammt. Da gibt’s nämlich eigentlich nur zwei Seiten: Auf der einen die „Helden“ der Serie (James Dutton (Tim McGraw), Shea Brennan (Sam Elliott) und Konsorten), die gefühlt alles schon mal erlebt haben, alles drauf haben und sich auch so gebärden. Und auf der anderen Seite die dummen Einwanderer, die gar nichts können und denen man alles beibringen muss. Die sprechen 1883 angeblich nicht mal die Sprache (wird zu Anfang behauptet; später können die, wenn es drauf ankommt, alle wenigstens ein bisschen Englisch) und laufen anfangs wie so ne Hippie-Kommune durch die Prärie. Dabei sollen das Deutsche sein (sprechen jedoch untereinander nur etwas slawisch Klingendes – könnten also höchstens aus dem Teil des damaligen Kaiserreichs kommen, der heute Polen ist), die auch mindestens einen Krieg mitgemacht haben. Das passt für mich nicht wirklich zusammen. Von den seltsamen Charakteren mal ganz abgesehen ((Spoiler) sagen wir es, wie es ist: es ist wahrlich kein Verlust für die Serie, dass er Dawn Olivieris Claire-Dutton-Klischee-Tante in der zweiten Folge schon wieder aus selbiger streicht (Spoilerende)).
Und dieses „Yellowstone“-typische „Bist du nicht für mich, bist du gegen mich.“. Da werden dann Leute, die sich scheiße verhalten haben (sich nämlich Essen der anderen als unabgesprochene Gegenleistung genommen haben), einfach des Trecks verwiesen und alleine in der Wildnis ihrem Schicksal überlassen (mit einem alten Gewehr oder so). Und zwar nicht beim zweiten oder dritten Verstoß, sondern beim ersten. Ob das vor dem Hintergrund, dass man sich damit ja auch selbst ordentlich schwächt, so realistisch ist, wage ich einfach mal zu bezweifeln.
Aber das ist generell so: Falls ihr – so wie ich – irgendwo lesen solltet, „1883“ wäre sehr realistisch, glaubt es einfach nicht. Sie ist nicht realistischer als andere moderne Western-Produktionen. Zwar tut sie so, als sei sie besonders gut recherchiert und tatsächlich merkt man des Öfteren auch den Willen, so einiges historisch korrekter darzustellen als anderswo (ich mag z. B. die Handelsstation in – ich meine – Folge fünf und das hohe Gras unter den Wagen sehr), aber bei anderen Sachen interessierte es Sheridan offensichtlich eher weniger (James Dutton trifft so zu Beginn z. B. fast alles und dann wird sich zu späterer Stunde während eines Tornados heftig abgeleckt, alles klar). So nimmt auch er sich hier einige große Freiheiten, was die zeitliche Einordnung betrifft. Bestes und heftigstes Beispiel: Der Oregon-Trail war 1883 schon seit Jahren quasi bedeutungslos. Spätestens seit der Fertigstellung der transkontinentalen Eisenbahn in 1869. Sam Elliott sagt es dem von James Jordan gespielten (ohne den bei Sheridan die Tür ja nicht zugeht) Koch „Cookie“ an einer Stelle sogar: Die Rückreise könne dieser mit dem Zug antreten. Und warum kann man die Hinreise nicht ebenso gestalten? Für alle? Auch ein Hinweis auf Quanah Parker an anderer Stelle lässt einen wundern – dieser lebte 1883 schließlich längst in der Reservation.
Dazu kommt, dass die Serie einfach viel zu modern anmutet. So ist das Parteiergreifen Sheridans für die amerikanischen Ureinwohner hier ja mehr als löblich, aber ob das so viele Weiße 1883 noch so gesehen haben, würde ich ebenfalls bezweifeln. Und dann der Charakter der Elsa Dutton. Der ist so unglaubwürdig, dass er nur geschrieben sein kann. Sie ist eindeutig ein Teenager der heutigen Zeit – und hat für ihre Zeit unglaublich weltoffene und verständnisvolle Eltern. Auch ihre Sprache kommt mitunter nicht hin. Ich kann mir z. B. nicht vorstellen, dass die Jugend damals das Wort „Sex“ benutzt hat.
Und dann natürlich das Aussehen dieser jungen Dame. Elsa ist schön wie der Morgen – beinahe zu schön um wahr zu sein. Tatsächlich würde es mich nicht wundern, wenn ihre Darstellerin Isabel May in so jungen Jahren schon Filler oder ähnliches benutzen würde. Und damit ist sie ja nicht alleine. Die wichtigen Rollen werden ja – Sam Elliott und James Landry Hébert vielleicht mal ausgenommen – nur von schönen Menschen dargestellt. Gerade auch bei Faith Hill denkt man sofort: die muss schönheitsoperiert sein! Ist sie angeblich ja nicht und vielleicht stimmt das ja sogar, aber trotzdem hat sie ihr Leben lang so oder so auf ihr Äußeres geachtet – was sich ihre Figur Margaret Dutton wohl kaum hätte erlauben können. Dass mit Gratiela Brancusi noch so ne Hübsche da rumläuft und die sonstigen Cowboys in Gestalt von Eric Nelsen und Noah Le Gros von wahren Posterboys dargestellt werden, lässt die Szenerie endgültig unglaubwürdig erscheinen. Zumal man sich oft nicht mal die Mühe gemacht hat, den Leuten wenigstens schwarze Zähne zu „spendieren“. Und nein, damit ist „1883“ natürlich nicht alleine, diese „Probleme“ (wenn sie für den einzelnen Zuschauer denn überhaupt welche darstellen) haben viele Produktionen, aber bei kaum einer sticht es so ins Auge wie hier und kaum eine gaukelt mit ihrem sonstigen Erscheinungsbild so sehr historische Authentizität vor wie „1883“ – und erzeugt damit eben einen ständigen Widerspruch.
Den Schauspielern will ich daran jedoch keine Schuld geben. Schließlich spielte Aussehen im Showbiz schon immer eine entscheidende Rolle und die spielen ja längst nicht immer historische Stoffe. Tim McGraw und Faith Hill spielen ja bekanntermaßen sonst sowieso eher weniger und singen dafür lieber. Für Country-Sänger und ihre Musik scheint Taylor Sheridan ja auch eine ausgemachte Schwäche zu haben. Allerdings kann man diesbezüglich hier keinesfalls von Mauschelei sprechen, denn – von ihrem viel zu guten Aussehen abgesehen – machen die beiden das wirklich sehr gut. Die Ehefrau noch besser als ihr Mann. Auch Filmtochter Isabel May ist natürlich beeindruckend. Sie reißt einen mit ihrer jugendlichen Energie förmlich mit, was ein ganz wichtiger Faktor von „1883“ ist. Auch LaMonica Garrett und James Landry Hébert haben mich schwer beeindruckt. Marc Rissmann geht in Ordnung und auch Gratiela Brancusi ist definitiv nicht nur hübsch. Einzig Sam Elliott mochte ich hier nicht so gerne. Der übertreibt es mir auf seine alten Tage mit seiner Wehleidigkeit und Verletzlichkeit etwas… Ansonsten dürft ihr euch unter anderem über Klein- bis Kurzauftritte von (wie gesagt) James Jordan, Martin Sensmeier, Taylor Sheridan höchst selbst (der tatsächlich trotz seiner heftigen Verkleidung sofort zu erkennen ist), Graham Greene sowie – unglaublicherweise – Rita Wilson freuen. Bei Letzterer ist es allerdings mehr die Rolle als ihre Leistung, die hier so unglaublich unterhält.
Unabhängig davon gibt es noch einen letzten Punkt, den ich als unglaubwürdig beschreiben würde: Elsas teilweise minutenlange, psychologisch und teilweise pseudopsychologisch aufgeladene Monologe, die uns als Voiceover durch die gesamte Serie begleiten. Es ist wohl kaum realistisch, dass sich damals jemand solche und vor allem diese Menge an Gedanken gemacht hat (wenngleich natürlich möglich), vor allem ist dieses Geschwafel aber eines und zwar: nervig. Daran muss man sich zu Beginn dieser Reihe also auch noch gewöhnen und wenn dann endlich mal die erste spannende Szene kommt (nämlich die erste Flussüberquerung in Folge 4!), dann speist uns der/die Regisseur/Regisseurin derselben mit einem filmischen Taschenspielertrick ab, um, ja was eigentlich? Tiefe vorzutäuschen? Ich weiß es nicht, aber ich fühlte mich in dem Moment etwas veräppelt.
Nun ja, dafür sind die restlichen Episoden von „1883“ dann aber auch echt spannend geschrieben. Natürlich darf man in diesem Zusammenhang mal feststellen, dass Taylor Sheridan es sich mit dem Grundplot dieser Produktion sehr einfach gemacht hat (schließlich bietet n Treck immer genug Erzählstoff), es gab aber auch schon wesentlich schlechtere Planwagenreisen in diesem Genre zu sehen. Zumal die oben geschilderten Schwächen (der nervige Voiceover-Kommentar, der viel zu moderne Anstrich, der im Gegensatz zum vorgeblichen – und nur vorgeblichen – Realismus der Reihe steht, die Einfachheit, mit der Sheridan so einige Differenzen behandelt) im Laufe der Zeit naturgemäß ein wenig verblassen, weil man sich daran gewöhnt. Wenn man es dann schafft, sich von Elsa anstecken und mitreißen zu lassen, dann ist der Rest von „1883“ das Ansehen trotzdem noch sehr wert (dass es mir in diesem Fall nicht wirklich gelungen ist, das in obigem Text auch rauszustellen, ist mir selbst klar). Zumal die Ausstattung natürlich vom Feinsten ist und die Landschaften allein das Anschauen rechtfertigen würden. Dementsprechend kann ich nicht nur „Yellowstone“-Fans eine Ansicht empfehlen, auch wenn „1883“ eindeutig nicht besser (und ehrlich gesagt noch nicht mal realistischer) als seine Hauptserie ist.
★★★ +++