Texas, Addio
★★★ ++
- Jahr: 1966
- Regie: Ferdinando Baldi
- Darsteller: Franco Nero, Alberto Dell’Acqua, José Suárez, Luigi Pistilli, Livio Lorenzon, José Guardiola, Gino Pernice, Hugo Blanco...
Story
Kurzfassung (offenes Ende)
Django Sullivan (im Original Burt Sullivan (Franco Nero)) und sein Bruder Jim (Alberto Dell’Acqua) werden auf der Suche nach Cisco Delgado (José Suárez), dem Mörder ihres Vaters, in Mexiko fündig. Doch als sie den Schurken seiner gerechten Strafe zuführen wollen, behauptet der mit einem Male, Jims Vater zu sein…
Kurzfassung (komplett)
Django Sullivan (im Original Burt Sullivan (Franco Nero)) und sein Bruder Jim (Alberto Dell’Acqua) sind auf der Suche nach Cisco Delgado (José Suárez), dem Mörder ihres Vaters. Sie finden ihn in Mexiko, wo sich herausstellt, dass Jim eigentlich Delgados Sohn ist. Dieser hält den Jungen daraufhin gefangen und Django muss schon seine Festung stürmen, um den Burschen da rauszuholen. Dummerweise stirbt der bei diesem Versuch, sodass Django, der vorher mit Hilfe der aufständischen Bevölkerung unter der Führung des Anwaltes Hernandez (Luigi Pistilli) die ganze Bande Delgados umgenietet hatte, nur noch bleibt, Cisco, den er extra am Leben lässt, nach Texas zu bringen, um ihn dort vor ein Gericht zu stellen.
Worte zum Film
gute Darsteller, hervorragende Bilder, tolle Action, gute Inszenierung; technisch sehr gut, inhaltlich mit Mängeln; erinnert noch stark an amerikanische Vorbilder
Bewertung
Ferdinando Baldi ist, obwohl er zwischendurch auch durchaus mal Schrott abgeliefert hat, schon immer einer meiner Lieblings-Italowestern-Regisseure gewesen. Zuerst mit einer Pferdeoper erfreut hat er uns 1966 mit „Django der Rächer“. Und das ist einer von diesen Streifen, um die es mir am meisten Leid tut. Denn um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, Baldis Erstling ist kein schlechter Film, aber einer von diesen, bei denen echt mehr drin gewesen wäre. Handwerklich gibt es an ihm nämlich kaum etwas zu meckern, da stimmt fast alles. Allerdings steht dem eine ganz große Schwäche gegenüber, die dem geneigten Zuschauer anfangs jedoch verborgen bleibt: Das Drehbuch, von ihm und Franco Rossetti verfasst (der ja nun auch nicht gerade ein Unbekannter ist), weist einfach zu viele Schwächen und Logiklöcher auf, als dass man darüber hinwegsehen könnte.
Wieso einem dies zu Beginn noch nicht auffällt? Nun, Baldi und Rossetti verstricken sich erst nach und nach in Ungereimtheiten. Zu Anfang könnte dem Die-Hard-Italowestern-Fan eher ein anderer Umstand sauer aufstoßen. „Texas, Addio“ orientiert sich nämlich noch sehr stark an amerikanischen Vorbildern (eine „Schwäche“ von Baldi, die er erst mit „Seine Kugeln pfeifen das Todeslied“ so richtig ablegen sollte). Und auch wenn mich das mittlerweile nicht mehr stört, früher hat es das getan. Klar, da gibt es ganz andere Vertreter, bei denen das mehr ins Gewicht fällt, jedoch fällt es einem hier sofort auf. Nicht umsonst befindet Franco Nero in dem Interview, das Anchor Bay damals für seine DVD hat produzieren lassen und das Kinowelt dann auch auf ihrer Scheibe für uns verfügbar machte, dass dieser Streifen der einzige seiner Western sei, die man als amerikanisch bezeichnen könnte (oder so ähnlich, will ihn da jetzt nicht wörtlich zitieren; wir schreiben hier ja keine Bachelorarbeit, nech?). Ob es nun tatsächlich der einzige seiner Western ist, sei mal dahingestellt, vielmehr stimmt es, dass „Django der Rächer“ so ist. Das wird einem schon in dem Moment klar, wenn Nero sein Jäckchen lüftet und darunter ein Sheriffstern zum Vorschein kommt. Noch dazu ist er offensichtlich eine Weiterentwicklung ausgerechnet von Gary Coopers Charakter in „High Noon“. Denn sobald er in der Geisterstadt, die man zu Anfang erblickt und in der sich zwei Leute duellieren, aufgeräumt hat, füllt sich diese und stellt sich als eigentlich ganz normale Stadt heraus, deren Bewohner einfach nur zu feige waren, ihrem Sheriff im Kampf gegen Banditen zur Seite zu stehen. Anders als Cooper allerdings zeigt Nero natürlich keinerlei Furcht, sondern erfüllt seinen Job ganz cool und lässig, so wie es einem Antihelden entspricht. Immerhin das haben Baldi und Rossetti aus den italienischen Western dieser Zeit übernommen.
Die Locations zu diesem Zeitpunkt sind theoretisch auch zu grün. Wirken zwar auch nicht ganz so wie aus einem US-, sondern eher wie aus einem Karl-May-Western, aber auch die wollte der Italowestern ja eigentlich hinter sich lassen (beziehungsweise schon gelassen haben). Unabhängig davon sehen die vorgestellten Landschaften aber einfach geil aus und werden von Enzo Barboni auch überragend ins Bild gesetzt. Wie gesagt, ich hab da heutzutage keinerlei Probleme mehr mit. Zumal Django (Franco Nero) und sein Bruder Jim (Alberto Dell’Acqua) diese auch sehr schnell hinter sich lassen, weil die Suche nach dem Mörder ihres Vaters sie nach Mexiko führt. Sobald sie dort angekommen sind, werden nur noch Drehorte aus Almería verwendet. Und die weiß ein Kameramann vom Schlage Enzo Barbonis natürlich erst recht sehr ordentlich einzufangen. Von daher sollte sich dieses „Problem“, sofern es eines sein sollte, ab diesem frühen Zeitpunkt des Films auch bereits wieder erledigt haben. Mehr noch. Wären wir jetzt ganz pfiffige Experten, könnten wir in diesen Beginn sogar die sehr clevere Visualisierung der Abkehr des neuen Italo- vom alten US-Western hineininterpretieren. Als ob der eine den anderen hinter sich lassen würde. Aber so pfiffige Interpretationskünstler sind wir ja nicht…
…und außerdem lassen Baldi und Rossetti auch nicht alles hinter sich. Ausgerechnet ihr Antiheld behält nämlich amerikanisch gefärbte Züge. Neros Figur hat keinerlei Probleme damit seine Gegner reihenweise ohne mit der Wimper zu zucken umzulegen, aber (Spoiler) Cisco Delgado (José Suárez) soll plötzlich vor ein Gericht gestellt werden, sobald Django seiner habhaft geworden ist. Das ist schon ziemlicher Schwachsinn, den Baldi im Script zu „Hasse deinen Nächsten“ noch einmal recycelt hat. Das ist und bleibt ein US-Motiv, das dort schon nicht immer glaubhaft ist. In einem schießwütigen Italowestern wie „Texas, Addio“ wird es aber regelrecht ad absurdum geführt. Daher will ich das dort auch nicht sehen. Ich will sehen, wie der Held gnadenlos und ohne die Hilfe von Vater Staat, der angesichts Delgados Riesenimperiums offensichtlich sowieso nicht existiert, seine Rache vollführt. (Spoilerende)
Womit wir beim oben angesprochenen großen Kritikpunkt von „Django der Rächer“ wären: Dem Teil der Story, der sich entwickelt, sobald Django und Jim Cisco Delgado gefunden haben. Generell ist zu Djangos Rachetrip in diesem Film zu sagen: Konventionell und nicht neu, aber anschaulich. Allerdings auch vor allem eines: umständlich. Man möchte glatt meinen, so manch anderer Italo-Held hätte Delgados Versteck bereits ganz zu Anfang aus McLeod (José Guardiola) herausgeprügelt…
Allerdings ist das nicht das Problem. Baldis Tempo ist in Ordnung und trotz einiger Füllszenen wie Jims erstem Totschlag kann man sich das ganz locker mitansehen. Das ist Problem ist vielmehr, dass „Texas, Addio“ im weiteren Verlauf zu viele Fragen aufwirft, die er nicht beantworten kann. (Spoiler) Und damit meine ich nicht, wieso Django so ewig mit seiner Rache an Delgado wartet. Hätte er doch schon machen können, als er in Jims Alter war. Dann hätte er auch nicht das Problem gehabt, seinen Bruder „mitschleppen“ zu müssen.
Nein, ich meine damit vor allem den Storytwist, dass Jim auf einmal nur noch Djangos Halbbruder ist. Sicher, der erklärt auch einiges. Und zwar nicht nur, warum Django und Jim so vollkommen unterschiedlich aussehen. So fragte man sich vorher ebenfalls zu Recht, warum sich Django und Jim, als sie eigentlich ein Grab für sich und das getötete Barmädchen Paquita (Silvana Bacci) schaufeln sollen, so locker-flockig doch noch befreien können. Tatsächlich fragen sich das sogar die Protagonisten des Filmes selbst! O-Ton Jim: „Die hätten uns doch locker umlegen können.“. Darauf Django ganz cool: „Werden schon gewusst haben, warum…“. Also spätestens da muss ich als Drehbuchautor doch was merken, oder nicht? Vor allem aber erklärt es, warum Jim nach seinem komplett unbeherrschten und unbedachten Ausraster beim Begleiten des Sklaventransports nicht sofort über den Haufen geknallt wird. Einfach nur, weil sein Vater seinen Tod – und zu diesem Zeitpunkt nicht mal den seines Bruders – will.
Allerdings wirft dieser Twist darüber hinaus neue Fragen auf. Zum Beispiel, weil er mit einer Rückblende veranschaulicht wird. Nach dieser ist einem absolut nicht klar, warum Delgados damalige Kumpane einfach so fröhlich auf ihn gewartet haben, während er sich drinnen mit der Frau des gerade getöteten Opfers vergnügt hat. Vor allem, wo er das Gold vor der Hütte hat liegen lassen. Normalerweise hätte in einem Italowestern an so einer Stelle ein Kampf um das Gold und vielleicht auch noch um die Frau stattgefunden, den Delgado dann vielleicht gewonnen und das Ganze so noch einen realistischeren Anstrich bekommen hätte. So bleibt das eine noch skurrilere Geschichte als ohnehin schon. Unklar bleibt weiterhin, wieso Django, nachdem er das erfahren hat, so ruhig bleibt und mit Jim und Delgado erstmal feste Feste feiert, um dann mittendrin so zu tun, als könnte er Delgado da so einfach mir nichts, dir nichts unter seinen Leuten rausholen. Was für ein Schwachsinn (muss er dann auch flink am eigenen Leibe erfahren)… Und auch die Fortsetzung des Liedes, das Django da so gehen gelassen und von diesen halbgaren Revolutionären befreit wird, um dann zurückzukehren und Jims Festsetzung, von der Delgado ja auch nix hat, weil Jim ihn ja nie als Vater akzeptieren wird und generell ja ein ganz anderes Weltbild hat, ist irgendwie alles nur so halbgar und schlicht und ergreifend merkwürdig. (Spoilerende)
Wenn man sich dagegen anguckt, wie souverän das alles in Szene gesetzt wurde, ärgert einen diese Schlampigkeit nur noch mehr. Wie gesagt kann man dem Streifen handwerklich nicht viel vormachen. Baldi zeigt, dass er hier schon großes Talent besaß, vor allem für die Action (und dass er vielleicht einfach die Finger von den Drehbüchern hätte lassen sollen (oder sein Kumpel Rossetti, was weiß ich)). Die Shootouts jedenfalls sind klasse und auch die Faustkämpfe sehen gut aus. Dazu kommt eine sehr gute Kameraführung von Enzo Barboni und ein ganz netter Score von Antón García Abril, der mir in der einen oder anderen Szene allerdings durchaus auf die Nerven ging, weil er einmal zu oft und zu lange gespielt wurde (und ja, den muss man jetzt nicht kennen; aus seiner über 180 Streifen umfassenden Filmografie stachen mir jetzt auch nur noch „Bis aufs Blut“ sowie ein paar „Reitende Leichen“ ins Auge).
Und auch schauspielerisch kann man sich hier echt nicht beklagen. Franco Nero als Django vorneweg, der seinen Zenit zwar noch nicht erreicht hatte und mir hier von daher manchmal ein wenig zu versteift und auf den bösen Blick fixiert ist, aber schon ziemlich gut. An seine Leistung in Django kann er hiermit zwar nicht anknüpfen, aber man merkt auch hier wieder, dass er einfach dieses gewisse Etwas hatte, das anderen Schauspielern abgeht. Alberto Dell’Acqua zum Beispiel ist so ein Fall. Mit lange nicht so viel Talent und einem für einen Italowesternhelden eigentlich zu milchigen Gesicht ausgestattet, reichte es bei ihm meist für nicht mehr als die Rolle des Sidekicks. Allerdings finde ich, dass er diese eigentlich immer gut ausgefüllt hat. Ich mag den Jungen auch hier und in dieser fast schon Hauptrolle liefert er vielleicht sogar seine beste Leistung in diesem Subgenre ab. José Suárez erinnert mich vom Aussehen und teilweise auch vom Spiel her ein wenig an Robert Ryan – und das ist definitiv keine Kritik. Er macht seine Sache sehr ordentlich. Nur manchmal kommt mir sein Delgado zu unentschlossen rüber, aber vielleicht wollte Baldi das auch einfach so haben. Auf die Nebendarsteller wie Livio Lorenzon, Luigi Pistilli, Gino Pernice oder auch José Guardiola, den wir hiernach in diesem Genre nur noch einmal wiedersehen sollten, ist ebenfalls Verlass. Nur Hugo Blanco mit seiner aufgesetzten Bosheit hat mir nicht so gefallen und hat nur Glück, dass er in der Synchro Michael Chevalier als Sprecher abbekommen hat; das macht ihn noch einigermaßen erträglich.
Und a pro pos Synchro. Die ist hier in Deutschland mit Gert-Günther Hoffmann als Franco Nero mal wieder recht witzig gelungen. Der legt sich da aber auch rein und lässt die Sprüche so mega-arrogant ab, dass man nur lachen kann. Eine Schande dagegen natürlich mal wieder, dass man auch hieraus einen „Django“ gemacht hat, obwohl er das in echt ja eigentlich gar nicht ist. Und dann noch nicht mal richtig. Weil wenn, hätte man Django ja wohl auch seinen Nachnamen klauen müssen. Hat man aber nicht. So heißt er jetzt hierzulande Django Sullivan und das klingt ja wohl mal so richtig bescheuert oder was?
Aber daran haben wir uns ja mittlerweile gewöhnt. Genauso wie an die Tatsache, dass man den Italowestern und ihren Geschichten auch mal die eine oder andere Ungereimtheit in der Story verzeihen muss. Und da bin ich auch generell gerne bereit zu, aber wenn der Handlungsverlauf so viele Fragen aufwirft wie hier, dann kann ich das einfach nicht mehr ignorieren und den Streifen nicht mehr vollends genießen. Allerdings wiegt das aufgrund der super Optik und der schönen Action, die einfach bei Laune halten, lange nicht so schlimm wie in vergleichbaren Fällen. Hinzu kommen die guten Schauspieler. Von daher ist das bei mir wie gesagt so eine zwiespältige Angelegenheit bei „Texas, Addio“. Gerne würde ich ihn noch viel besser bewerten, aber ab einem gewissen Zeitpunkt macht er einfach nicht mehr so viel Spaß wie noch zu Beginn. Trotzdem, Spaß macht er und das sogar so viel, dass ich in fast schon regelmäßigen Abständen immer wieder Lust auf ihn bekomme. Von daher reicht es für Ferdinando Baldis Erstling doch noch recht locker für drei Sterne und zwei Plus. Wir empfehlen dazu ein „ganz zahmes Likörchen“; dann passt das schon. Die Frage, was aus ihm bei einem besseren Drehbuch hätte werden können, darf man sich einfach nicht stellen…
Zitate
„Hier in White Rock bestimme ich, wer umgelegt wird.“(Django kontrolliert als Sheriff den Ausbau des städtischen Friedhofs)
[Anwalt Hernandez erzählt Django von dem Umschwung, den die Bevölkerung gegen Cisco Delgado plant und bittet um seine Mithilfe] „Bis Sie mit Ihrem Umschwung so weit sind, hab ich’s im Alleingang geschafft.“(Django mit gewohnt kessem Spruch, aber leider – wie der Fortgang zeigen wird – mit kompletter Selbstüberschätzung)
„Kümmer dich vorläufig um die Pferde; die Mädels überlässt du mir.“(Django steht auf Arbeitsteilung)
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