Winnetou - Das Geheimnis vom Silbersee
★★★ -
- Jahr: 2016
- Regie: Philipp Stölzl
- Darsteller: Nik Xhelilaj, Wotan Wilke Möhring, Iazua Larios, Fahri Yardim, Milan Peschel, Matthias Matschke...
Story
Nachdem Old Shatterhand (Wotan Wilke Möhring) sich eigentlich schon dagegen entschieden hat, den Rest seines Lebens mit Nscho-tschi (Iazua Larios), die ihm zwischenzeitlich ihre Liebe gestanden hat, zu verbringen, wird diese von dem Banditen El Mas Loco (Fahri Yardim) entführt, der sich von ihr zum Silbersee führen lassen will, weil dort ein sagenhafter Schatz versteckt sein soll. Prompt entscheidet Shatterhand sich um und macht sich mit Winnetou (Nik Xhelilaj) und Sam Hawkens (Milan Peschel) auf, die Schamanin zu befreien…
Worte zum Film
Mystery-Telenovela im Wilden Westen; leider nicht mehr düster, nur noch albern; nicht mehr realistisch, nur noch absurd; hat mit „Winnetou“ nichts mehr zu tun; durchwachsene bis ordentliche Darsteller, großartige Landschaften, gute Optik
Bewertung
Und schon mit dem zweiten Teil beweist sich: Es war die einzig richtige Entscheidung, die neue „Winnetou“-Trilogie von Philipp Stölzl nicht als eine TV-Mini-Serie, sondern als drei eigenständige Filme zu betrachten. Denn „Winnetou – Das Geheimnis vom Silbersee“ ist tonal und inhaltlich eine ganz andere Nummer als noch „Winnetou – Eine neue Welt“. Erneut unterlaufen Stölzl und sein Drehbuchautor Jan Berger, der hier Unterstützung von Alexander M. Rümelin bekam, zumindest meine Erwartungen kolossal und liefern nach dem überraschend guten Auftakt eine Fortsetzung ab, die mühelos in die gruseligen Tiefen eines „Old Shatterhand“ hinabsteigt.
Anstatt sich weiterhin darauf zu verlassen, was den ersten Teil so stark gemacht hat, schmeißen sie den im zugehörigen Review von mir so vielgepriesenen Realismus nach einem guten, humorvollen Pferdejagd-Beginn komplett über den Haufen und zaubern dafür Mystery-Elemente aus dem Hut. Mystery in einem „Winnetou“-Film? Ja, da gibt’s dann zum Beispiel den Adler, den Nscho-tschi (Iazua Larios) beschwören muss, damit der den Weg zum Silbersee weist. Auf diesem Niveau bewegt sich das…
Das allein hätte einen nach der Ansicht vielleicht schon zu einem „Das hat Karl May jetzt aber auch nicht verdient.“ verleiten können. Da aber diesbezüglich von Beginn an ganz scharf geschossen wird, kommt einem dieser Gedanke leider wesentlich früher. In ihrer Einführungsszene darf Professor Spengler (Matthias Matschke) dem wie erwartet leider völlig überzeichneten Banditenboss El Mas Loco (Fahri Yardim) nämlich vom Schatz im Silbersee erzählen – der hier von den Apachen als Opfer für den Gott (!) Cthulhu (!) im See versenkt wurde. Berger und Rümelin machen sich hier also keinen richtigen Gott, sondern einen Mythos zunutze, der erst im Jahr 1926 literarisch erschaffen wurde. Aus meiner Sicht eine Dreistigkeit sondergleichen. Zumal wir ja nicht mehr in den 1960ern, sondern im 21. Jahrhundert leben, wo jeder Interessierte das bei Wikipedia ganz schnell nachlesen kann (schließlich dürfte davon wohl so ziemlich jeder schon mal gehört haben, aber nur die wenigstens dürften Cthulhu wohl mit Indianern in Verbindung bringen (so viel Grips unterstelle ich dem deutschen Durchschnitts-Zuschauer jetzt einfach mal)). Und wo kommt das Ganze her? Aus den Aufzeichnungen der Amerika-Reisen Alexander von Humboldts. Nee, is klar.
Da passt es ins Bild, dass „Winnetou – Das Geheimnis vom Silbersee“ auch sonst zu keiner Minute ernst zu nehmen ist. Denn die vorgebliche Suche nach dem Schatz bildet hier nur die Rahmenhandlung für Herzschmerz-Gesülze am laufenden Band. Die ganze Zeit geht’s um die Liebe und ums Kinderkriegen. Letzteres versucht Winnetou (Nik Xhelilaj) Old Shatterhand (Wotan Wilke Möhring) erst schmackhaft zu machen, woraufhin der Nscho-tschis Heiratsantrag ablehnt, in Santa Fe dann jedoch merkt, dass er sie doch liebt, weswegen er sie retten will und so weiter. Das geht sogar so weit, dass die beiden selbst als Shatterhand versucht, Nscho-tschi aus einer Schlagengrube zu retten (die mit einem Mal einfach nur deswegen da ist, weil Berger und Rümelin das so wollten), noch über die Frauen in Santa Fe diskutieren. Und Winnetou und Shatterhand haben selbst gefesselt kein anderes Thema. Nervig! Nebenbei findet Sam Hawkens (Milan Peschel) auch ne Hure fürs Leben (versteht jetzt auch keiner so richtig) und tut El Mas Loco die ganze Zeit so, als sei Nscho-tschi die Reinkarnation seiner verstorbenen Geliebten. Das geht einem vielleicht auf den Sack! Zumal das Ganze offensichtlich auch noch lustig sein soll. Ist es aber schon ganz früh nicht mehr und Locos Bande aus grenzdebilen Vollidioten schon mal gar nicht.
Natürlich nimmt man niemandem von denen (unter ihnen in einer winzigen Nebenrolle auch Andreas Döhler) den Mexikaner ab – auch nicht Fahri Yardim, der sich mit seiner Leistung ebenso wenig mit Ruhm bekleckert wie Jürgen Vogel im Vorgänger. Da stellt sich dann natürlich bald die Frage, ob dieses Schurken-Overacting vielleicht sogar von Stölzl gewollt war. Diesbezüglich wird „Winnetou – Der letzte Kampf“ die Antwort liefern müssen. Matthias Matschkes Performance ist eine aus der „heute Show“. Dort liebe ich ihn dafür, hier fügt er sich entsprechend ein, gefallen muss mir das aber nicht. Die bereits aus „Winnetou – Eine neue Welt“ bekannten Wotan Wilke Möhring, Nik Xhelilaj und Iazua Larios machen ihre Sache auch hier wieder ordentlich, haben unter der Lächerlichkeit des Drehbuchs allerdings ebenso zu leiden. Nur bei Milan Peschel bin ich weiterhin nicht sicher, ob seine mal ganz angenehme, mal völlig übertriebene Darstellungsweise nur darauf zurückzuführen ist…
Unterm Strich bleibt von „Winnetou – Das Geheimnis vom Silbersee“ nicht mehr hängen als eine gelungene Einstiegsszene, Kroatiens tolle Landschaft und Stölzls auch hier sehr ansehnliche Optik (den Fauxpas, altes Bildmaterial aus „Winnetou und sein Freund Old Firehand“ sowie „Winnetou III“ wiederzuverwerten, übergehe ich dabei jetzt mal). Ansonsten handelt es sich bei diesem ob des ganzen, billigen Liebes-Hin-und-Hers eher um eine Telenovela im Wilden Westen, die obendrein mit völlig abstrusen Mystery-Elementen unterfüttert wurde. Kurzum: Das Drehbuch von Jan Berger und Alexander M. Rümelin ist eine einzige Frechheit! Zudem wird es von den mitwirkenden Akteuren erneut nicht gerade überragend vorgetragen. Wer auf Herzschmerz im Apachenzelt steht, darf gerne einschalten, allen anderen rate ich dringend davon ab. Von daher sorry, wenn ich das nochmal aufgreifen muss, aber dass der Karl-May-Verlag an diesem Schwachsinn nicht beteiligt sein wollte, kann ich im Gegensatz zum ersten Teil vollauf verstehen. Bleibt nur zu hoffen, dass der Trilogie-Abschluss nicht genau so weitermacht…
Übrigens: Eine gute Idee hatten Berger und Rümelin kurz vor Schluss doch noch in petto. Allerdings ist der Einsatz der Taucherglocke und die Art und Weise, wie Winnetou und Old Shatterhand damit den Silbersee nach dem Schatz absuchen, schon fast dem Hard-SF-Bereich zuzuordnen. Wie gesagt, hier passt einfach nichts zusammen…
Zitate
„Ihr Weißen, immer in Eile…“(Winnetou probiert’s gern mit Gemütlichkeit)
„Professor. Du hast 300 Dollar Spielschulden bei mir. Normalerweise schneide ich jemandem wegen eines lausigen Pesos die Kehle durch. Ein Dollar sind 20 Pesos. Wie oft muss ich dich also töten, damit du deine Schulden beglichen hast?“ – „6.000 Mal.“(Professor Spengler (Matthias Matschke) muss schon rechnen können, um sich von El Mas Loco töten zu lassen)
[Professor Spengler zeigt El Mas Loco die Aufzeichnungen Alexander von Humboldts, die vom Schatz im Silbersee berichten sollen] „Für mich sieht das aus wie Kritzeleien auf ner Scheißhauswand.“(Kunstkritiker El Mas Loco stellt mit Kennerblick fest)
„Ich erkenne ein Wunder, wenn es vor mir sitzt.“(El Mas Locos Kennerblick entgeht nichts)
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